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L’AUPAIRE

„Flowers“ heißt das Debütalbum des Gießener Multiinstrumentalisten, Singer- und Songwriters Robert Laupert, der sich L’AUPAIRE nennt. Gäbe es einen Festival-Soundtrack, l’aupaires Musik wäre wie geschaffen dafür. Getragenere, fast melancholische Töne wechseln sich mit mitreißenden und tanzbaren Ohrwurm-Sequenzen ab. Schon Scott McKenzie ermutigte in den späten 1960ern in seiner Hippie-Hymne „San Francisco“ dazu Blumen in den Haaren zu tragen. Mit seiner Song-Zeile „get up and dance with flowers in your hair“ transportiert l’aupaire dieses Lebensgefühl in die Neuzeit. Was beide etwas blumig-umständlich zu sagen versuchen: steht zu euren Gefühlen und seid auch mal etwas verrückt! Samstagnachmittag. Es ist der zweite Festivaltag in Mannheim. L’AUPAIRE begrüßt auf der großen Open-Air-Bühne die Nachmittagsgäste. Die Luft ist mit ausgelassener Festivallaune erfüllt, die Sonne lacht. Diese ungewöhnliche Stimme fesselt, die eingängigen Tunes wirken mal verträumt-nachdenklich um im nächsten Moment völlig unerwartet zum Tanzen aufzufordern, umgarnen mit Leichtigkeit und Freude. Eine unglaubliche Gefühlsreise beginnt, auf die der Songwriter seine Zuhörer mitnimmt. Bisweilen eine Art gefühlter Road-Trip in die Weiten Amerikas mit Anklängen von Blues und Folk. Nicht zufällig, denn dort in Arizona begann vor vielen Jahren seine musikalische Selbstfindungsreise, die ihn über Budapest ein zweites Mal in die USA, dieses Mal nach Kalifornien, führte. Mit seinem Debütalbum „Flowers“ im Gepäck tourt er derzeit durch Deutschland und Europa. Pünktlich zum Interview schüttet es, der gemütliche Plausch auf der Festivalwiese ist ausgeträumt, der blaue Presse-Container wird zum Retter. Rob ist sichtlich noch positiv aufgeladen vom Auftritt auf der Fackelbühne strahlt und erhellt den nüchternen Container. Eben noch mit Fransenweste und buntem Hemd auf der Bühne, sorgen nun schwarze Jeans, schwarzes Tee und Hut für eine zurückhaltende Schlichtheit. Und da steht sie plötzlich mitten im Raum – seine Gabe zum Geschichtenerzählen. DU KOMMST GERADE VON DER FACKELBÜHNE. WIE WAR’S? Großartig. Ich hatte so viele Leute gar nicht erwartet. Darüber habe ich mich wahnsinnig gefreut und wir hatten mit dem Wetter sehr sehr viel Glück. Trotz der vielen Wolken kam die Sonne durch und ich hab‘ mir fast ’nen Sonnenbrand geholt – mit zwinkerndem Auge. WAS WAR DAS KRASSESTE FESTIVAL-WETTER, BEI DEM IHR GESPIELT HABT? Gefühlte 50°C beim Sziget Festival in Budapest. Da habe ich nur Backstage rumgelegen und Mineralstoffe zu mir genommen. Die Leute standen nur im Schatten. In der Sonne konntest du dich nicht aufhalten, die hat alles weggebrannt. Das war schon sehr extrem. TOLLE SHOW AUF DER FACKELBÜHNE! MAN MERKTE REGELRECHT DEINEM PUBLIKUM AN, WIE DEINE STIMME SIE NACH KÜRZESTER ZEIT IN DEN BANN GEZOGEN HATTE, ES WURDE GETANZT, SEIFENBLASEN ‚GEN HIMMEL GESCHICKT. WOHER KOMMT DIESE MARKANTE, ALLES ANDERE ALS ALLTÄGLICHE STIMME? Also möglicherweise lag es einfach daran, dass ich lange nicht gesungen habe und es einfach nicht entdeckt hatte. Ich wusste ja lange nicht wirklich, was ich machen soll. Dann kam die Entscheidung und von dem Tag an hab ich nur noch gesungen – täglich. Am Anfang machte es unglaublich Spaß, als ich merkte, dass ich schnell Fortschritte mache. Jede Woche ein Stück besser – auch wenn mir bewusst war, der Weg ist noch weit. Es hat dann ja schließlich auch noch ein paar Jahre gedauert. Das Gefühl so schnell vorwärts zu kommen, war einfach unglaublich schön. Und dann glaube ich noch, dass meine Stimme daher kommt, weil ich etwas erlebt hatte. Ich hatte einfach inzwischen viel zu erzählen. Du musst als Songschreiber Höhen und Tiefen erlebt haben, um den Leuten etwas erzählen zu können. Dann ist, glaube ich, alles gut. Vorher hatte ich mich nicht wirklich bereit dazu gefühlt. Erst 2011 war das dann soweit. WARUM 2011? WAS HATTE SICH VERÄNDERT, DASS ES AUF EINMAL MÖGLICH WAR? Das war so ein klassischer Dämpfer in meinem Leben. Es waren ganz viele Sachen, die zu Ende gingen. Ich hab‘ mit meinem Studium aufgehört, eine langfristige Beziehung endete. Neues fing an. Dieses Mal wollte ich mir Zeit nehmen – über vieles nachdenken und schauen „Was will Ich eigentlich?“ Ich begann mich zu fragen, was ich die letzten Jahre so gemacht hatte und wohin die Reise gehen sollte. Das war eine super schwierige Zeit gewesen. Ich habe schließlich versucht, eine neue Vision zu entwickeln. IM MÄRZ DIESES JAHRES ERSCHIEN DEIN DEBÜTALBUM „FLOWERS“ BEI EINEM MAJOR-LABEL. ES IST DAS ERGEBNIS EINER LANGEN MUSIKALISCHEN SELBSTFINDUNGSREISE, DIE SOGAR KONTINENTE UND LÄNDERGRENZEN ÜBERQUERTE. WAS BEDEUTET ES FÜR DICH? Ja, am 11. März war es soweit. Das erste Album mit 27 zu machen bedeutet, dass es ein Spiegel der ersten 27 Jahre ist. Es war mir viel Zeit gegeben. Künstler, die alle zwei oder drei Jahre ein Album herausbringen oder gar jährlich, müssen unglaublich viel in kurzer Zeit vollbringen. Für mich war es erst einmal wichtig zu überlegen, was ich rüberbringen will. Was macht mich aus? So ein Debütalbum bringt viel Neues mit sich, vor allem aber auch viel Druck. Man arbeitet sich auf gut deutsch gesagt fast tot, weil man den Leuten zeigen will, dass dieses Album seine Daseinsberechtigung hat, denn es gibt unfassbar viel Musik. Ich betrachte „Flowers“ so ein bisschen als Quersumme aus den Sachen, die ich mag. Letzten Endes hab‘ ich dann viele Stile miteinander verwoben, Blues oder Folk etwa, alles was mir bis dato gefallen hatte. IRGENDWO IM NIRGENDWO AUF EINEM AMERIKANISCHEN HIGHWAY – ROADTRIP-FEELING. DIESES GEFÜHL DRÄNGT SICH SCHON IRGENDWIE BEIM ANHÖREN DEINER CD AB UND AN AUF. DU WURDEST UNTER ANDEREM SCHON IN DIE AMERICANA-FOLK-ECKE GEPACKT ODER IM GLEICHEN ATEMZUG MIT DER VERRUCHTEN STIMME EINER ROCKLEGENDE VERGLICHEN. WO SIEHST DU DICH? Ich denke nicht darüber nach, sondern mache einfach, was mir gefällt. BESCHREIBE „FLOWERS“ MIT DREI SÄTZEN? (DIE FRAGE ÜBERRASCHT, ZWINGT ZUM KURZEN NACHDENKEN) Ich würde es mal mit drei Wörtern versuchen: NUR ZU! Songs – Geschichten – Blues. INWIEFERN BLUES? Blues ist vor allem ein Lebensgefühl. Du hattest ein Gefühl und willst es jetzt rüberbringen, da funktioniert der Blues als Form – als Vehikel. Es ist eine sehr ehrliche und authentische Musik. EGAL WO MAN ETWAS ÜBER DICH LIEST, DEIN JAHR IN BUDAPEST, DEINE SELBSTGEWÄHLTE ISOLATION, WIRD INS ZENTRUM DEINER MUSIKALISCHEN SELBSTFINDUNGSREISE GERÜCKT. NERVT DIESE REDUZIERUNG DER LETZTEN 27 JAHRE AUF EINEN KURZEN AUSSCHNITT DARAUS MANCHMAL? (ROB LACHT KOPFNICKEND) Ja, das nervt schon, weil noch so viel anderes Wichtiges und Interessantes passiert war und mich zu dem formte, der ich wurde, wie beispielsweise mein Zusammentreffen mit Dominic „Mocky“ Salole in L.A. ERZÄHL, WIE KAM DAS ZUSTANDE? Es war unglaublich. Es kam so: Eine Dame vom Verlag kam auf die Idee, dass das mit uns passen könnte und schickte Mocky kurzerhand meine Songs. Er antwortete daraufhin: „Gefällt mir. Schickt mir den jungen Mann doch mal vorbei!“ In Silverlake, einem Stadtteil von Los Angeles, haben wir uns dann schließlich bei ihm zu Hause getroffen. Ich war schon etliche Jahre Fan von ihm und natürlich super aufgeregt und angespannt – habe mir aber natürlich nichts anmerken lassen (lacht verschmitzt). Erstmal haben wir uns ausgequatscht – unendlich viel geredet – und dann einfach angefangen, Songs zu schreiben. Musik zu machen. Es war großartig (Robs Augen beginnen angesichts der Erinnerung zu strahlen). Er hatte mich schon lange unglaublich inspiriert und jetzt nahm er den Druck von mir. Denn: Wenn man seinen ersten großen Plattenvertrag hat, ist der Druck schon enorm, der wusste das. Wir haben auch viel mehr geschrieben, als ich für das Album benötigte. Bei „Flowers“ und „Uptown Diva“, die auf die Platte kamen, hatte er dann seine Finger im Spiel. WIR KÖNNEN MEHR VON L’AUPAIRE UND MOCKY ERWARTEN? (lacht) Ja, vielleicht. Ich hoffe. IN DEM BEGLEITHEFT ZUR CD SCHREIBST DU: „IT ALWAYS STARTS WITH TWO CHORDS AND A STORY WORTH TELLING“ (ES BEGINNT IMMER MIT ZWEI AKKORDEN UND EINER GESCHICHTE, DIE ES WERT IST ERZÄHLT ZU WERDEN). IST DAS DEINE HERANGEHENSWEISE EINEN SONG ZU SCHREIBEN? WAS MACHT EINEN L’AUPAIRE-SONG AUS? Ja, in der Tat viele L’aupaire Songs bauen auf zwei oder drei Akkorden auf und haben dann viele kleine Feinheiten und Spielereien drumherum. Der Blues hat ja auch nur drei Akkorde, von daher passt es. Ich kann so einfacher rüberbringen, was mich bewegt. Außerdem glaube ich an simple Sachen und bin ein Fan von Limitationen. LIMITATIONEN? WIE MEINST DU DAS? Sich selbst Grenzen zu setzen. Bildlich gesprochen – nicht alle Früchte zu nehmen und stattdessen zu sagen, ich habe diesen Zeitrahmen, diese Werkzeuge und damit baue ich jetzt ein Haus. Man könnte so viele Häuser bauen. Auch bei meinen Songs limitiere ich mich und deshalb haben viele meiner Songs nicht so viele Akkorde. Und ganz wichtig: Es muss immer eine Geschichte sein, die mich bewegt. DU SAGTEST EINMAL: „ICH KAM ALS UNGEDULDIGER MUSIKER, WOLLTE UNBEDINGT GUTE SONGS SCHREIBEN, MERKTE ABER SCHNELL, DASS DER DRUCK RAUS MUSS.“ WAS MEINTEST DU GENAU? Es hatte sich einiges gestaut gehabt. Irgendwann habe ich den Hebel umgelegt und den ganzen Tag nur noch das gemacht, was ich wirklich wollte – Songs schreiben. Bis zu diesem Punkt hatte ich die Schreiberei immer meinem Alltag untergeordnet, jetzt stand sie plötzlich im Zentrum. Ich habe nur noch geschrieben. Auch wenn es mein Traum war, aber anfangs fühlte es sich seltsam unnatürlich an. Es war mir nicht bewusst gewesen, wie schwer das werden könnte, aber ich habe dann spezielle Techniken entwickelt und es lief gut. (Pause, L’aupaire wirkt nachdenklich, der prasselnde Regen draußen untermalt die kurz aufflackernde Melancholie) Was hilft ist die Konstanz. Wenn man sich festbeißt, schafft man es immer. SIND ES ALSO IMMER DIE UNGEWÖHNLICHEN LEBENSUMSTÄNDE ODER GAR KRISEN, DIE EINEN KÜNSTLER ERST ZU SEINEM WAHREN POTENZIAL FÜHREN? Ich glaube gar nicht den Künstler allein, sondern den Menschen generell. Ich glaube wir können das Leben nur schätzen, wenn wir Blödsinn und Scheiß erleben. Betäubung ist zwar auch ’ne Taktik, aber gerade für Kreative und Schreiber im Speziellen ist es wichtig, sich auch mal den Gefühlen hinzugeben. ALSO SIND DEINE SONGS AUTOBIOGRAPHISCH, AUSDRUCK DEINER GEFÜHLE UND SELBSTHEILUNG? Auch, alles. Autobiographisch? Ich verstecke aber auch einiges geschickt. Ich schreibe so gut wie jeden Tag. Das bin ich einfach und Keith Richards sagte einmal „Man ist nur so gut wie sein letzter ‚Hook‘ (Haken).“ Es ist schön weiter zu kommen, wenn es fließt. An einigen Songs hab‘ ich Jahre geschrieben, andere wiederum in nur zehn Minuten. WENN DU DICH MIT EINEM ZEITTELEFON ANRUFEN KÖNNTEST, ALS DU 16 JAHRE ALT WARST, WAS WÜRDEST DU DIR RATEN? Ich glaube ich würde mir raten, die Dinge auf mich zukommen zu lassen und nicht so viel zu erzwingen. (Pause, lacht und ergänzt) Jeden Tag Sport machen. Und ich würde mir schon den einen oder anderen Musik-Tipp geben. DAMIT ES SCHNELLER GEGANGEN WÄRE? Eher genussvoller! ES GIBT EINEN BURGER, DER DEINEN NAMEN TRÄGT? STIMMT DAS? Ja, das stimmt. Er heißt Robert, ist mit Aioli, Ruccola und karamellisierten Zwiebeln. Ein guter Freund in Gießen, der den Laden „Gut Burgerlich“ führt, hat ihn mir gewidmet und es ist tatsächlich der erfolgreichste Burger im Laden. WERDET IHR EUCH AUF DEM MAIFELD DERBY FESTIVAL NOCH EINEN ACT ANSCHAUEN ODER GEHT’S GLEICH WEITER? Okta Logue haben wir schon gesehen und James Blake wollen wir heute Abend nicht verpassen. WAS STEHT ALS NÄCHSTES AN? Ganz, ganz viele Festivals spielen diesen Sommer, wie beispielsweise das Festival in Prag oder Dockville in Hamburg. Ein paar davon darf ich noch gar nicht verraten. Und dann die Tour im Herbst, die uns auch zu einigen Shows nach England führen wird, auf die ich mich richtig freue. Glastenbury spielen ist mein Traum. Es kommt – es kommt alles!

Interview geführt am 4.06.2016 beim, Maifeld Derby Festival Mannheim

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