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MICHAEL MONROE

MIT „BLACKOUT STATE“ LEGT MICHAEL MONROE EIN NEUES ALBUM VOR – NATÜRLICH, WIE VON IHM NICHT ANDERS GEWOHNT, GANZ UND GAR DEM GEIST DES PUNK VERHAFTET. DENN AUCH, WENN ER SCHON SEIT LANGEM MIT WECHSELNDEN GETREUEN SOLO UNTERWEGS IST, SO HABEN IHN DOCH MASSGEBLICH DIE FRÜHEN ERFOLGE GEPRÄGT, DIE ER IN DEN FRÜHEN ACHTZIGERN ALS SÄNGER DER LEGENDÄREN HANOI ROCKS FEIERN KONNTE. UND AUCH WENN SICH DER SOUND SEINER BAND IN DEN LETZTEN JAHREN KAUM VERÄNDERT HAT, GAB ES DENNOCH WIEDER EINEN WECHSEL AN DER GITARRE: NACHDEM VOR ZWEI JAHREN GINGER WILDHEART AUSSTIEG, UM SOLO WEITERZUMACHEN, BASTELT NUN AUCH DREGEN, DER FÜR IHN EINGESPRUNGEN WAR, AN EINEM EIGENEN ALBUM UND WILL SICH ZUKÜNFTIG WIEDER VERSTÄRKT UM DIE BACKYARD BABIES KÜMMERN. NEBEN HANOI-ROCKS-URGESTEIN SAMI YAFFA AM BASS, DRUMMER KARL ROCKFIST UND NEW-YORK-DOLLS-VETERAN STEVE CONTE AN DER GITARRE GREIFT JETZT NOCH RICH JONES, EIN ALTER FREUND DER BAND, BEI MICHAEL MONROE MIT IN DIE SAITEN. ALS WIR UNS ZUM TELEFONINTERVIEW TREFFEN, HAT MICHAEL SCHON EINEN GANZEN TAG PROMOTION HINTER SICH, KLINGT ABER DESSEN UNGEACHTET DYNAMISCH UND ENTSPANNT WIE IMMER. UND WENN EIN THEMA ZUR SPRACHE KOMMT, DAS IHM BESONDERS AM HERZEN LIEGT, DANN IST SEIN REDEFLUSS KAUM ZU STOPPEN. GLEICH ALS ERSTES SPRUDELT ER MIT EINER NACHRICHT LOS, DIE FANS HIERZULANDE BESONDERS FREUEN WIRD: FÜR OKTOBER SIND FÜNF GIGS IN DEUTSCHLAND GEPLANT. Endlich spielen wir mal wieder in Deutschland! Es ist echt viel zu lange her, dass wir das letzte Mal hier waren. Wann war das überhaupt – das muss eigentlich mit Hanoi Rocks nach der Reunion gewesen sein, oder? Mit dieser Band war ich jedenfalls noch gar nicht in Deutschland unterwegs. DANN WÄRE ES SCHON GUT ZEHN JAHRE HER, WIRKLICH EINE LANGE ZEIT. ABER WO DU HANOI ROCKS SCHON ERWÄHNST – DAS NEUE ALBUM ORIENTIERT SICH VOM SOUND HER JA WIEDER SEHR AN DEN ALTEN SACHEN VON HANOI, ABER AUCH AN DEMOLITION 23, DEINER BAND AUS DEN NEUNZIGERN … Findest du? Cool! Das kann schon mal nicht schlecht sein. NUN JA, AUF „HORNS AND HALOS“ VON 2013 HABT IHR ZUM BEISPIEL NOCH MIT REGGAE-ELEMENTEN UND DERGLEICHEN EXPERIMENTIERT. „BLACKOUT STATE“ HINGEGEN IST REINER PUNKROCK. WIE KAM DAS? Ich denke, wir sind einerseits wieder punkiger, aber auch melodischer geworden – unser Punk geht in die Richtung von Bands wie The Boys oder The Clash, würde ich sagen. Das hat sich einfach so entwickelt, als wir mit dem Songschreiben angefangen haben. Aber vielleicht hat es auch mit Rich Jones zu tun, der ja erst seit dieser Platte bei uns spielt. Er ist ein phantastischer Songwriter und hatte großen Einfluss auf die Titel, die wir für die Platte ausgewählt haben. Dregen hatte eher andere Vorlieben und tendierte mehr zum Hardrock. WIE HAT SICH DENN DIE CHEMIE INNERHALB DER BAND DURCH RICH VERÄNDERT? Die ist, wenn das überhaupt möglich ist, nur besser geworden! Ich meine, der Rest der Truppe spielt ja schon seit einer Ewigkeit zusammen. Nur die Gitarristen wechseln immer wieder: Auf der rechten Bühnenseite ist immer ordentlich Bewegung! Aber das ist auch sehr gut so – als Dregen kam, hat er jede Menge frische Energie mitgebracht. Rich hatte ihn schon öfter mal vertreten, als er noch überlegte, ob er wirklich aussteigen und solo weitermachen will, und erste eigene Verpflichtungen hatte. Allerdings gehört Rich auch schon länger zur Familie – er hat zum Beispiel das Artwork für das letzte Album gemacht und einiges fürs Merchandise designt. Ich habe ihn über Ginger kennen gelernt, schon vor einer ganzen Zeit. Jeder liebt Rich. Letztes Jahr war ich bei der Preisverleihung der Metal Hammer Golden Gods – Hanoi Rocks haben da den „Inspiration Award“ bekommen – und mit Rich kam ich bei der Party danach keinen Meter voran. Der kennt jeden, alle sprechen ihn an, das dauert Stunden. Er ist jedenfalls ein cooler Typ, ich freu mich, dass er dabei ist! WELCHE SONGS VOM NEUEN ALBUM HAT ER DENN MITGESCHRIEBEN? Einige meiner Lieblingstitel: „Blackout States“ und „Dead Hearts On Denmark Street“. Ein weiterer Titel heißt „Old Kings Road“: Diesmal ist London ist das große Thema auf dieser Platte. Ein Rückblick auf die alten Zeiten. Dazu passt dann auch „Under The Northern Lights“ – das ist ein Song von Dee Dee Ramone. Anfang der Neunziger hing ich in New York viel mit Dee Dee rum, und er hatte jede Menge Titel, von denen er immer meinte, ich sollte sie mal aufnehmen. Ich habe heute noch ein paar Cassetten mit Demos von ihm. Er hatte mich eines Tages angerufen und meinte, er hätte zwei Akustikgitarren von einer kanadischen Firma bekommen, die er mir für 20 Dollar verkaufen wollte. Ich rief daraufhin Sami an und fragte: Hey, wollen wir Dee Dee aushelfen? Ich meine, uns war natürlich klar, wofür er das Geld haben wollte. Wir trafen uns dann am St. Mark’s Place an der 2nd Avenue und redeten ein bisschen, und dann spielte er uns diesen Song vor und fragte: „Wollt ihr den nicht bringen? Ihr seid doch aus Finnland – Unterm Nordlicht, das passt doch.“ Eine Zeile darin lautet: „The great Finnish sky is frozen like her ice-cold eyes.“ Wow. Für mich ist es eine große Ehre, nach der langen Zeit noch einmal einen Song von Dee Dee Ramone aufnehmen zu dürfen. HAST DU NOCH KONTAKT ZU DEN LEUTEN DER SZENE, DIE DU IN „OLD KINGS ROAD“ BESCHREIBST? Ein paar alte Freunde sind noch da. Nicky Turner [den ehemaligen Drummer der Lords Of The New Church] habe ich kürzlich mal wieder gesprochen, als er mit der Rockabilly-Band von Jyrki von den 69 Eyes, den 69 Cats, in Finnland gespielt hat. Den hatte ich seit gut zwanzig Jahren nicht mehr gesehen. Viele von den anderen Jungs aus der Zeit damals sind tot, so wie Stiv Bators oder Johnny Thunders. Und viele sind inzwischen nach L.A. gezogen und haben in ganz anderen Bereichen Karriere gemacht, beim Fernsehen oder mit irgendwelchem Internetkram. Die Typen, die überlebt haben, haben nichts mehr mit Rock’n’Roll zu tun, ich weiß auch nicht, ob das was zu sagen hat … [lacht] Das ist aber wohl das Berufsrisiko. JA, VIELLEICHT ÜBERLEBT MAN LEICHTER, WENN MAN IRGENDWANN EINMAL ERWACHSEN WIRD. DU HINGEGEN SAGST IN „PERMANENT YOUTH“, DASS ES DIR IRGENDWIE GELUNGEN IST, GENAU DAS ZU VERMEIDEN … Ja, das hatte ich mir schon in ganz früh vorgenommen: nie erwachsen werden, nie aufhören, Dinge zu spüren, nie ein Roboter werden. Ich meine, klar, Älterwerden lässt sich nicht vermeiden, aber wenn man im Kopf frisch bleibt, dann bleibt man auch immer jung. Das ist alles Einstellungssache. Alter ist nur eine Zahl, nichts weiter. UND DU SAGST, MAN MUSS FÜR DEN AUGENBLICK LEBEN – – Ja, genau. Jeder Tag kann schließlich der letzte sein. Jeder Tag, den man gesund über der Erde verbringt, ist ein guter Tag. So sehe ich das. IN „BLACKOUT STATE“, DEM TITELTRACK, SCHEINT ES JEMANDEM ABER ZIEMLICH DRECKIG ZU GEHEN. WORUM GEHT ES DA GENAU? Na ja, schon um diesen kaputten Zustand, wenn du abhängig bist, sei es von Drogen oder von Alkohol oder sonst was. Wenn man auf Entzug ist, macht man jeden Scheiß. Rich erzählte uns von einem Bekannten, der sich sein Koks auf einem total versifften, verdreckten Klo in Soho reinziehen wollte. Der hat sich den Stoff auf die Klobrille gekippt und geschnupft, und die Reste hat er dann mit dem Finger aufgetupft und sich ins Zahnfleisch gerieben. Und Rich meinte so: Alter, hast du überhaupt noch im Blick, wie dreckig das hier alles ist, kriegst du noch irgendwas geregelt? DAS IST DANN ALLERDINGS DER KRASSE GEGENSATZ ZUR „SANITIZED SOCIETY“, DER STERILEN GESELLSCHAFT, DIE DU „BASTARD’S BASH“ KRITISIERST. Oh ja, das stimmt, hehehe. Wir sind alle beim „Bastard’s Bash“, „All Going Down With The Ship“ [zitiert zwei weitere Songtitel]. Jetzt, wo du das sagst: Da ist ja noch eine Verbindung zwischen den Songs. Ich entdecke immer mehr. DU MEINST, ES IST EIGENTLICH EIN KONZEPTALBUM? Ja, aber völlig unabsichtlich. Das ist das Schöne an dieser Band: Wir planen so was nicht, es ergibt sich. Erst drängte sich das London-Thema auf. Und komisch, schon ziemlich früh entstand in „Dead Hearts On Denmark Street“ die Zeile: „Walking in Westbound Park like Dee Dee Ramone“. Obwohl wir noch gar nicht überlegt hatten, seinen Song „Northern Lights“ mit aufzunehmen. Das kam erst später. Für mich zeigt so etwas immer, dass man auf dem richtigen Weg ist. DIE NEUE BESETZUNG HAST DU JETZT SCHON BEI EINIGEN KONZERTEN IN FINNLAND ERPROBT, IHR HABT SCHON EINE GANZE REIHE VON FESTIVALS GESPIELT, UND IHR SEID IN HELSINKI AUCH ALS SUPPORT FÜR SLASH AUFGETRETEN. MIT GUNS’N ROSES WARST DU JA FRÜHER GUT BEKANNT UND HAST AUCH AUF EINIGEN ALBEN MITGESPIELT (ALS SAXOPHONIST AUF „USE YOUR ILLUSION I“ SOWIE „THE SPAGHETTI INCIDENT“). HABT IHR NOCH KONTAKT? Ja, mit Slash bin ich wohl noch am engsten befreundet. Axl habe ich eine Weile nicht mehr gesehen, der lebt aber auch ziemlich zurückgezogen. Sebastian Bach ist ein guter gemeinsamer Freund, der erzählt mir gelegentlich, was Axl so treibt. Aber ich kann über Axl wirklich auch nur Gutes sagen. Wenn wir uns begegnet sind, war er immer cool. Als ich in New York gewohnt habe, waren wir öfters mal zusammen was essen. Wir haben uns nett unterhalten, durchaus auch über sehr spirituelle Dinge, das war immer sehr bereichernd für mich. Er ist ein echt cleverer Typ, sehr komplex. Slash und ich haben schon oft darüber geredet, mal zusammen auf Tour zu gehen – die ganze Band ist total nett, das würde wahnsinnig viel Spaß machen, aber das hat sich leider noch nicht ergeben. DAFÜR GEHT IHR JETZT IN GROSSBRITANNIEN AUF TOUR MIT ALICE COOPER. WAS FÜR EINE GESCHICHTE VERBINDET DICH MIT IHM? Alice war von Anfang an ein großer Einfluss für mich. Er und Little Richard waren es, die mich auf den Gedanken brachten, Augen-Make-up zu benutzen. „Love Me To Death“ von der Alice Cooper Band ist mein absolutes Lieblingsalbum aller Zeiten. Diese Band war so großartig – er war eine große Inspiration, bis heute. Zum ersten Mal getroffen haben wir uns in den späten Achtzigern, als ich gerade in die USA gezogen war, und er war sowas von nett. Eine echte Überraschung – er war ein echter Gentleman. Seit dieser Zeit haben wir Kontakt gehalten, und wenn er in Finnland spielt, gehe ich eigentlich immer zu ihm auf die Bühne und wir bringen ein, zwei Songs, „Under My Wheels“ oder „Schools Out“. Das empfinde ich immer als sehr große Ehre – zumal Alice mir mal gesagt hat: Michael, ich habe dich wahnsinnig gerne mit dabei, weil du weißt, wie man die Bühne beherrscht. Das hat Alice Cooper zu mir gesagt! Das ist doch – wow!!! Ein Riesenkompliment! WAS HÖRST DU HEUTE FÜR MUSIK? GEHT DAS AUCH IMMER NOCH IN DIESELBE RICHTUNG? Och, ich höre Rock’n’Roll, wie ich das immer getan habe. Aber ich mag auch Funk und vieles andere – alles Mögliche von Little Richard über die Rolling Stones bis zu den Ramones. Frühe AC/DC mit Bon Scott, die Heavy Metal Kids … [Jetzt kommt Michael richtig in Fahrt:] … Dr. Feelgood, Creedence Clearwater Revival, Mott The Hoople, die Faces – die fand ich noch besser als die Stones! Nazareth – Danny McCafferty ist so ein phantastischer Sänger, von dem hab ich mir meinen Sound abgeguckt. Die ersten vier Queen-Alben … und ich liebe Pink Floyd, Iggy Pop, The Damned, The Ruts, UK Subs, die frühen Police, die New York Dolls, Johnny Thunders And The Heartbreakers, die Sachen von den Temptations aus der Psychedelic-Ära, Thin Lizzy, Roxy Music, die Sparks – das war eine lustige Band, die find ich heute noch gut. Frühe ZZ Top … Ich mag Blues, ich mag Reggae, und auch gelegentlich ein bisschen Klassik. WAS WAREN DENN DEINE FRÜHESTEN EINFLÜSSE? Angefangen hat bei mir alles mit Black Sabbath, da war ich noch klein. Vorher hatte ich vor allem Klassik gehört, denn mein Vater war klassischer Musiker, mein Großvater und meine Großmutter waren beide Cellisten, und mein Urgroßvater war sogar mit dem Komponisten Jean Sibelius befreundet. Aber dann hab ich in den Siebzigern im Fernsehen Black Sabbath gesehen, einen Livegig aus Paris, und in diesem Augenblick war mir klar: Wow, ich will so sein wie die. Wie dieser völlig verrückte, langhaarige Sänger, der da total ausflippt. Kaum zu glauben, aber es war echt Ozzy, der mir den ersten Anstoß gegeben hat. UND WIE BIST DU AUF LITTLE RICHARD GEKOMMEN? DER WAR ZU DIESER ZEIT DOCH EIGENTLICH NICHT MEHR AKTUELL? Das war auch irgendeine Rock-Dokumentation im Fernsehen. Ich war sofort begeistert – der Sound war so heavy, ich war hin und weg. Die Frisur, das Make-up – und als mir dann klar wurde, zu welcher Zeit er so was gebracht hatte, wie ausgeflippt er war und wie sehr er dem System auf die Zehen trat … In den USA der Fünfzigerjahre wollte doch niemand, dass seine Kinder so einen bewundern: Der war schwarz, trug Make-up, war wild, unkontrollierbar und offenbar auch noch schwul! Er hat’s nie leicht gehabt. Aber er war mein Held. Schließlich war er der Urvater es Rock’n’Roll, zusammen mit Chuck Berry. ES KANN ABER AUCH NICHT GERADE EINFACH GEWESEN SEIN, IN DEN SIEBZIGERN IN FINNLAND MIT LANGEN HAAREN UND MAKE-UP RUMZULAUFEN. Nein, das war’s auch nicht – das war schon „wir gegen die ganze Welt“. Wir hatten unsere Gang. Das war’s auch, was die Band damals für uns bedeutete. Meine Gang, meine Familie. Wir ließen uns von niemandem einschüchtern. Und das ist heute auch noch so! WOVON MAN SICH SPÄTESTENS IM OKTOBER AUCH WIEDER LIVE AUF DEUTSCHEN BÜHNEN ÜBERZEUGEN KANN.

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