Ort: Osnabrück/ Bochum/ Köln - Eventcenter B51/ Zeche/ Live Music Hall
Datum: 03.11.2006 - 28.11.2006
Was die Unholy Alliance Tour um SLAYER, IN FLAMES, CHILDREN OF BODOM und LAMB OF GOD für die Death und Thrash Szene war, das bedeutet diese Tour für die Pagan und Wikingermetalszene. Unterschiedlicher könnten die Bands fast nicht sein und doch ergänzen sie sich zu einem wunderbaren Mix, der sich vor allem in Sachen Durchschlagskraft mit jeder Band steigert. 4 Wochen zogen die Nordmänner quer durch Mitteleuropa, um ihre Heerscharen an Untergebenen zu vergrößern. Dreimal hatte ich dabei die Chance, dem Ruf zur Schlacht zur folgen: In Osnabrück bei der dritten Show, und dann noch zweimal gegen Ende der Tour, in Bochum und zwei Tage später in Köln. Es hat sich wahrlich gelohnt.
Osnabrück: 3. November
Obwohl wir trotz Stau relativ früh an der Halle ankommen, hat sich schon eine beträchtliche Schlange gebildet. Die AMON AMARTH T-Shirtträger überwiegen, doch eine ähnlich große Gruppe der stetig wachsenden WINTERSUN-Anhänger ist ebenfalls auszumachen. Dies soll die Färinger von TYR jedoch wenig stören. Obwohl die Menge auf aggressiven Deathmetal eingestellt ist, können Tyr mit ihrem sehr vom Prog beeinflussten ruhigen Mix aus traditionellen Melodien und wunderschönem Klargesang von Heri Joensen doch so einige Hände zum Klatschen sowie Köpfe zum Bangen anregen. Zumeist lauscht die Menge jedoch nahezu andächtig und wer sich drauf einlässt, wird von den 4 Musikern in ritterhaften Kettenhemden bzw. von Bandschönling Terji „oben ohne“ regelrecht in seinen Bann gezogen. Viel Applaus ernten sie für den irischen Volkssong „The Wild Rover“, der hierzulande eher mit deutschem Text bekannt sein dürfte („An der Nordseeküste“). Nach etwas mehr als einer halben Stunde ist der Zauber aber leider schon wieder vorbei und Heri weist noch darauf hin, dass man die Band später am Merchandise- Stand treffen könne.
WINTERSUN betreten nun die Bühne zum Soundcheck. Wie oft zuvor ertönen begeisterte „Jari“ und „Wintersun“- Rufe, bevor die Finnen auch nur einen Ton gespielt haben. Der Frontmann gibt darauf nur ein verschmitztes Lächeln von sich und beginnt emsig mit dem Testen der Instrumente. Zum Intro von „Winter Madness“ beginnen die Jungs dann ihr Set mit selbigem Song. Während TYR eher sanftere Töne anschlugen, geht es jetzt schon etwas rauer zur Sache. Jari, den viele noch als Sänger und Gitarist von ENSIFERUM kennen, schreit voller Inbrunst, während Schlagzeuger Kai Hahto trommelt, was das Zeug hält und dabei erstaunlicherweise immer ein Grinsen auf den Lippen hat. Bassist Jukka und Bandküken Teemu, gerade mal 19 Jahre alt, bangen dagegen unentwegt zu den Up-Tempo-Riffattacken. Als besonderen Leckerbissen präsentieren WINTERSUN „Sadness and Hate“ in gekürzter Version. Auch wenn das Stück durch seine ruhigen Passagen eher weniger für die Bühne geeignet ist, so freut sich die Menge dennoch, da dieser Song nur selten und zumindest auf den diesjährigen Sommerfestivals gar nicht gespielt wurde. Leider ist auch WINTERSUNs Spielzeit viel zu schnell rum, was aber in Anbetracht dessen, was uns erwartet, wahrscheinlich auch gut so ist.
Denn AMON AMARTH schaffen die Steigerung dann noch einmal, was ich als eingefleischter WINTERSUN-Fan zunächst nicht glauben wollte. Die Schweden, nein verzeiht mir, ich meine natürlich Wikinger, legen zum aktuellen Opener „Valhall Awaits Me“ mit einer so ungeheuren Energie los, dass mir fast die Kinnlade runterklappt. „Runes To My Memory“ und „Death In Fire“, der bekannteste Song der Band, werden gleich hinterhergelegt. Die Mannen stehen geschlossen an der Front (der Bühne), meist mit einem Fuß auf dem Monitor und geben alles. Obwohl außer Johan Hegg keiner wirklich viel „stage acting“ wie man so schön sagt abliefert, wirkt die Band nie statisch. Mal stehen die Gitarrenfraktion geschlossen nebeneinander, mal begibt sich einer der Herren hinten auf das Schlagzeugpodest, aber immer lässt man die Haare fliegen. Mittelpunkt ist aber natürlich Frontmann Johan. Stets mit der Pommesgabel in der Luft, einem Trinkhorn am Gürtel und zwischendurch auch mal einem Lächeln auf Lippen grunzt der Herr munter seinen Text runter, der, was mich immer wieder erstaunt, sogar stellenweise sehr verständlich ist (was ja in diesem Genre nun wirklich selten der Fall ist). Die Band wirkt sehr sympathisch und man sieht ihr die Spielfreude sichtlich an. Dies lässt sie die Fans auch mehrfach wissen und macht dann sogar ein Foto von der Menge. Mit „Cry Of The Blackbirds“ schlagen die Schweden auch einmal etwas ruhigere Töne an, und den Fans wird Zeit zum Verschnaufen gegeben. Aber natürlich nicht lange und bald wird ein ganz besonderer Song geboten: „Once Sent From The Golden Hall“ vom gleichnamigen 98er Album. Danach bietet man den Zuschauern nach reichlich Klatschen und „Zugabe“-Rufen noch drei weitere Stücke, bis dann endgültig Schluss ist. Die Schweden verabschieden sich lange von ihren Anhängern und wer noch etwas bleibt, hat hinterher sogar noch die Chance, Johan und die komplette WINTERSUN-/ TYR-Riege zu treffen.
Bochum: 26. November
3 Wochen und eine Reise quer durch Europa später trifft der Tross wieder in Deutschland ein. Die Show ist ausverkauft, und als ich an der Zeche ankomme, hat sich trotz der frühen Einlasszeit (18 Uhr) schon eine riesige Schlange gebildet. Die Leute sind allerdings relativ ruhig, die typischen Sprechchöre bleiben aus. Dementsprechend haben es TYR heute schwerer als sonst. Irgendwie zeigt heute niemand so wirklich Interesse, nicht mal die Mädels (zumindest nicht augenmerklich), obwohl heute nun auch Sänger Heri auf jegliche Oberkörperbekleidung verzichtet. Die Jungs spielen wieder unbehelligt ihr Set, was leider um einen Song gekürzt wurde, weshalb das schöne „Wings Of Time“ vom aktuellen Album leider dran glauben musste. „The Wild Rover“ erntet wieder am meisten Applaus und Begeisterung und beim letzten Song „Ramund Hin Unge“, der sich mittlerweile zu meinem Favoriten gemausert hat, klatscht das Publikum dann plötzlich geschlossen mit, dass es mir Gänsehaut bereitet (hört euch den Song an und ihr wisst warum).
WINTERSUN verzichten heute auf ihren Soundcheck und das, obwohl Jari doch als Perfektionist bekannt ist. Der Sound muss zum Glück nicht drunter leiden, die Soundtechniker kennen sich wohl mittlerweile aus. Die Band wirkt allerdings nicht gerade fit, Schlagzeuger Kai sieht man deutlich die Anstrengung an, denn er kneift verbissen die Zähne zusammen, um sein hartes Programm durchzustehen. Alkohol ist unser Feind und der muss vernichtet werden, so sagte mein Chemielehrer immer. Das hat Kai wohl etwas zu ernst genommen. Die Show übersteht er aber, auch wenn sich einige Passagen, und ich meine hier nicht nur die Drums, doch ziemlich, na sagen wir mal „unstimmig“ anhören. Die Fans scheinen es aber nicht zu bemerken oder stören sich zumindest nicht daran. Warum auch, wer hier nicht seinen Spaß hat, ist selbst Schuld. Setmäßig ist bis auf „Sadness And Hate“, das durch „Death And The Healing“ ersetzt wurde, alles beim alten geblieben und auch vom neuem Album gibt es leider bis auf ein kurzes Riff zur Enttäuschung aller nichts zu Hören.
Nach einer gefühlten halben Stunde Umbauzeit/ Soundcheck (warum dauert das eigentlich immer so lange?) wird es dann endlich Zeit für AMON AMARTH. Bochum scheint im Gegensatz zu Osnabrück nahezu voll von Anhängern der Schweden zu sein, was sich in der Stimmung niederschlägt. „Germany, it feels like being home“ kaufe ich der Band zwar nicht ganz ab, aber seinen Effekt verfehlt es nicht. Natürlich wird wieder ein Foto der Menge gemacht, das sich wie alle anderen auf der Homepage im Tourtagebuch wiederfindet. Der besonderen Leckerbissen von Osnabrück („Once Sent From The Golden Hall“) wird den Fans allerdings nicht serviert, ansonsten ist die Setlist aber fast unverändert geblieben, außer dass „Victorious March“ nun den Abend schließt. Einmal mehr bin ich begeistert, obwohl ich diese Band, die sich noch lange von Fans per Handschlag verabschiedet, bis zur Veröffentlichung des aktuellen Albums „With Oden On Our Side“ eigentlich nicht mochte.
Köln: 28. November
Die zweitletzte Show der Tour steht vor Tür. WINTERSUN haben sich erholt und alle drei Bands wirken immer noch frisch auf der Bühne. Die Live Music Hall (wieso hat das Ding eigentlich einen englischen Namen???) ist zwar nicht ausverkauft, aber doch recht voll, die Luft wie immer warm und stickig. TYR genieße ich heute besonders, denn wer weiß, wann man die Färöer wieder zu sehen bekommt (gut, spätestens beim Ragnarökfestival oder in Wacken). Die Bühne ist heute allerdings so sehr zugestellt, dass zwischen Mikro und Schlagzeug gerade mal geschätzte 40 cm Platz sind. Dadurch wirkt TYRs Show noch statischer als sonst, wobei jedoch der Bassist dies mit viel Enthusiasmus wettzumachen versucht. „Ramund Hin Unge“ beschert mir wieder einmal Gänsehaut, bevor Heri dann wie immer zum Abschluss darauf hinweist, dass die Band später am Merchandise-Stand anzutreffen sei.
WINTERSUN sind wie gesagt wieder fit und spielen einen super Gig. Obwohl ich sie nun schon zum mittlerweile 6. Mal sehe und die Finnen bisher immer noch nicht ihr 2. Album fertig stellen konnten, wird es doch irgendwie nie langweilig. Dies liegt sicher an der epischen Struktur der Songs, die für Konzerte zwar manchmal etwas zu lang sind, aber dafür umso mehr den Ästhetikern unter den Fans gefallen. Und denen, die viel headbangen wollen, auch. Und den Mädels, die Youngster Teemu anhimmeln (und meine Güte, davon scheint es eine Menge zu geben). Aber der Gitarrist, der nebenbei auch noch bei IMPERANON tätig ist, versteht es auch, sich in Pose zu schmeißen, wohingegen Jukka wie immer für die Animation der Fans zuständig ist, die er zwischendurch immer wieder zum Klatschen auffordert. Kai hat sein gewohntes Grinsen wieder und Jari ist eben Jari, manchmal gerade zu schüchtern und dann wieder ein aus sich heraus gehender Frontmann. Leider wird schon zum dritten Mal nicht „Beautiful Death“ gespielt. Über den Sound höre ich gemischte Meinungen, in der Mitte soll es sich wohl sehr nach Soundmatsch angehört haben, auf der linken Seite war jedoch alles paletti.
AMON AMARTH, die Dritte. Ich muss ehrlich zugeben, dass ich heute schon nach „Death In Fire“ keine Lust mehr habe, obwohl die Mannen immer noch frisch und spielfreudig wie am Anfang der Tour wirken. Da mir aber Gerüchte zu Ohren gekommen sind, dass vor der Zugabe eine Wikingertruppe (wie auch schon einige Male zuvor und unter anderem in Wacken zu sehen gewesen) ihr Können unter Beweis stellen wird, „harre“ ich sozusagen aus. Schon während des regulären Sets kommen zwei Nachwuchswikinger mit Fackeln auf die Bühne und stellen sich dekorativ und mit eiserner Miene vor die Dekoschilde, die rechts und links vom Schlagzeug die Bühne schmücken. Dann, nach einer Stunde, verlassen die „Musikwikinger“ die Bühne und 4 Schauspielwikinger betreten in bunter Kleidung und mit Ausrüstung das Schlachtfeld, um eine kurze, aber umso eindrucksvollere Kampfszene nachzustellen. Es fliegen Funken, Schilde und Schwerter brechen und am Ende steht der größte Krieger siegreich auf der Bühne und bekundet seinen Erfolg mit einem durch die ganze Halle ertönenden Schrei (und das ganz ohne Mikro). Das gibt ordentlich Applaus. Von hinten spornen AMON AMARTH dann die Fans mit den ersten Takten zu „Pursuit Of Vikings“ zu „Zugabe“ – Rufen an und geben dann noch einmal richtig Gas zu den letzten drei Songs des Abends. Die Wikinger haben ihren Siegeszug durch Europa nun fast geschafft und dürfen auf 4 Wochen härtesten Nahkampf mit durchaus positivem Erfolg zurückblicken.
Hinterlassen Sie einen Kommentar.
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.