Ort: Köln - Tanzbrunnen
Datum: 23.07.2006
Und auf geht’s zur zweiten Halbzeit des diesjährigen Amphi Festivals: Während es sich die Terrordamen im Hotel bequem gemacht hatten, vertraute der Schreiber nur seinen eigenen vier Wänden und reiste dementsprechend ein weiteres Mal mit dem Auto an. Und da man auch diesseits der 30 lernfähig sein kann, wurde das avisierte Ziel auch pünktlich erreicht. Interessant nur ein paar Hinweistafeln, die vor großem Stauaufkommen wegen eines Konzertes warnten… war da tatsächlich das Mainstream Publikum auf uns aufmerksam geworden? Hatte man etwa kurzfristig noch Herrn Manson engagiert? Nein hier handelte es sich um Grufties der ganz anderen Art, die ROLLING STONES waren nämlich im Kölner Stadion zu Gast, also dort doch nicht alles nur 2te Liga… Wir aber waren kurze Zeit nach Toresöffnung wieder am Tanzbrunnen, wo die Temperaturen im Vergleich zum Vortag noch um einiges angezogen hatten. Eine matschige Currywurst mit ein paar labbrigen Pommes weiter stand auch schon wieder Musik auf dem Programm, angekündigt übrigens wie beim Debüt von MELOTRONs Andy in seiner bekannt spitzbübischen Art. Hmmm vielleicht sollte man das Festival in Andy Festival umbenennen und dafür die Festivalorte rotieren lassen? Noch bevor mir diese Idee richtig ausgereift schien, waren auch schon FROZEN PLASMA auf der Stage, endlich möchte man fast sagen, wurde Bandcheffe Vasi doch im letzten Jahr auf der Zielgeraden böse von seinem damaligen Sänger ausgebremst (siehe NAMNAMBULUs Niedergang)…
Jetzt aber ist er mit seinem neuen, von der Kritik durchaus wohlwollend aufgenommenem Projekt wieder da, und mit Sänger Felix Marc, bekanntlich bei DIORAMA eher im Hintergrund agierend. Kein Wunder, dass sich Kollege Wendt im Auditorium befand, wie z.B. auch VIPs vom Schlage Torben Schmidt (LIGHTS OF EUPHORIA) oder Ralf Dörper (DIE KRUPPS). Mit nur 2 Leuten rockten die Plasmas ordentlich das Haus, Felix lief auf und ab, während der mittlerweile kurzgeschorene Südländer den synthetischen Unterbau lieferte. Launig bis leicht merkwürdig waren auch die Ansagen: „Könnt ihr noch?“ erschien um kurz nach 1 doch eine recht rhetorische Frage zu sein. Nun denn, die Stücke des Debüts „Artificial“ besitzen ordentlich Drive und anscheinend auch schon eine ordentliche Fangemeinde, die schwarzen Gamaschen flogen jedenfalls schon recht zahlreich durch die Gegend. Die aktuelle Single „Irony“ war beispielsweise ein Höhepunkt des logischerweise recht kurzen Sets, danach verließ das Duo mit einem breiten Grinsen über beide Backen schon wieder die Stage, nicht ohne noch einen Teddy in Empfang nehmen zu dürfen (bzw. 3, wie mir freundlicherweise mitgeteilt wurde:-). Wer mehr sehen will, hat bei der Support Tour von IN STRICT CONFIDENCE sicher Gelegenheit dazu.
Dann sozusagen als Kontrastprogramm FAUN aus Süddeutschland. Kontrastprogramm natürlich, was den Stil betrifft, nicht was die gute Laune angeht. Mit SCHANDMAUL als Headliner waren besonders viele Mittelalter Fans anwesend, auch wenn das Quintett den Sound selbst als Paganfolk bezeichnet. Neben traditionellen Instrumenten wie Sackpfeifen, Drehleier oder verschiedenen Flöten sorgt auch ein Synthesizer für dezente Beats im Hintergrund. Ein Stilbruch? Ja, aber hier funktioniert es wunderbar, wie ich erstmals am eigenen Leibe spüren durfte. Während die beiden bezaubernden Damen auch optische Reize boten, konnte der SaTyr Oliver mit ein paar netten Anmoderationen glänzen. So beispielsweise die Anekdote, dass man „Rosmarin“ der bayrischen Polizei widme, weil eine Abordnung weiblicher Ordnungsträger bei einer Inspektion wohl attraktiv aus der Wäsche geschaut aber nicht gründlich genug gesucht habe. Auch das Hochzeitslied „Sirena“ oder das atmosphärische „Wind & Geige“ konnten punkten. Teilweise erreichte der gut abgemischte Sound gar tranceartige Zustände, und das bei nicht ganz förderlicher bratender Hitze. FAUN besitzen wirklich eine eigene Note, die möglicherweise auch aus dem konsequenten Lebensstil der beteiligten Musiker resultiert.
Nach Electro und Folk nun wieder etwas ganz anderes: Die DOPE STARS INC. aus Italien, eine Art Mix aus MOTLEY CRUE und MARILYN MANSON mit bekanntermaßen recht großer Klappe, wollten auf einem ihrer ersten Gigs in Deutschland das Ausmaß ihrer Berühmtheit um einen entscheidenden Faktor erhöhen. Dazu benötigten sie keinen Drummer aber dafür gleich 3 Saiteninstrumente und natürlich eine Menge netter Pseudonyme. Als da beispielsweise wären Grace Khold an den Synthies und Victor Love (auch MY SIXTH SHADOW) als Schreihals, was durchaus wörtlich zu nehmen ist. Ich möchte nicht behaupten, dass ihr Auftritt eine Enttäuschung gewesen sei, allerdings fiel die Stimmung doch ein klein wenig hinter den direkten Vorgängern zurück. Mag daran liegen, dass die Stiefeletten noch nicht so bekannt sind hierzulande, trotz gutem Debütalbum „Neuromance“ oder an der leicht anstrengenden Stimme oder vielleicht sogar am verlorenen Halbfinale. Na ja, man gab sich jedenfalls reichlich Mühe, das Publikum zu animieren, wenngleich ich kaum eine Ansage richtig verstand. So sangen auch nur relativ wenige den Chorus von „Theta Titanium“ mit, außerdem fanden u.a. statt „Rebel Riot“ und die aktuelle Single „Make a Star“. Alles in allem ein doch relativ putziger Auftritt und eine der wenigen Formationen, die man live nicht alle Nase lang sieht.
Jetzt sollte es wieder etwas düsterer werden. Nach der wilden Jugend nun also das erfahrene Herren Doppel FIXMER & MCCARTHY. Die Old School Elektriker brachten ihre schweren Boots in Stellung, um zu den monotonen Beats plus aggressiver Gesangsnote abzudancen. Während Terence relativ unbeteiligt im Hintergrund die Regler zog, wuselte Douglas in altbekannter Manier (und mit seiner typischen Sonnenbrille auf der Nase) von links nach rechts. Sicher auch ein Act, der in einem verruchten dunklen Club besser kommt und vielleicht nicht jeden anspricht, dennoch machte man seine Sache vorzüglich und erhielt dementsprechend viel Applaus für Tracks wie „Destroy“, „You want it“ oder „Look to me“ von der Split mit „And then finally“. Wann sieht man schon mal einen Metaller mit DEATH Shirt, der zu Electro Mucke anerkennend mit dem Kopf wippt? Da sage noch einer, die (im weiteren Sinne) schwarze Szene sei engstirnig…
Mit der LETZTEn INSTANZ sollte nun aber wieder eine richtige massentaugliche Formation auf die Amphibien losgelassen werden. Ob man nun Metal oder Mittelalter mag, die Truppe um die beiden Hollys kann jedes Haus rocken, auch der neue glatzköpfige Sänger ist mittlerweile fest akzeptiert. So wurde die Zeit viel zu kurz beim Springen, Tanzen und Mitsingen von Titeln wie „Das schönste Lied“, „Jeden Morgen“, „Tanz“ oder „Das Stimmlein“ (leider ohne Gastsänger, von denen ja 2 theoretisch hätten anwesend sein können). Dabei hätte das alles u.U. gar nicht stattfinden können, denn Drummer Speckis Zug wurde mal eben mir nichts dir nichts von der Gehaltsliste der Deutschen Bahn entfernt, so dass er sich mittels Mietwagen Richtung Kölle begeben musste. Die Stimmung war ob solcher Geschichten natürlich gelöst, und so wurde das überaus elegante „Mein Todestag“ als Schlusspunkt noch einmal richtig gefeiert, wenngleich gerade hier mehr viel mehr gewesen wäre. Eine Verlängerung dann wiederum demnächst live als Support von SCHANDMAUL, die von den Instanzen später auch genau in Augenschein genommen wurden.
Mit SAMSAS TRAUM folgte ein nicht weniger extrovertierter Act, ganz im Gegenteil. Hatte ich vorher noch gedacht „Na, ob die nicht vielleicht doch etwas spät im Billing angesetzt sind“, belehrte mich der frenetische Jubel eines Besseren. Alexander Kaschte ist aber auch ein richtiger Typ im Business, einer, an dem man sich reiben kann, vor allem, wenn er als Support von OOMPH! unterwegs ist. Hier und heute war SEIN Publikum da, mit dem er natürlich wieder in Kommunikation trat. Nach dem Doppel „Es war einmal…“ (inkl. böser Ami-Schelte) sowie „K.Haos-Prinz und Wind-Prinzessin“ war dann auch der große Auftritt für Handpuppe Trulala gekommen, welche „Die Zärtlichkeit der Verdammten“ einleitete. Auch punkige schnelle Stücke wie „Ein Foetus wie du…“ können SAMSAS TRAUM locker aus der Hüfte schießen, selbst wenn einmal eine Gitarre den Geist aufgibt. Entgegen anderslautender Infos im Weltnetz wird Saxophonist Daniel Schröder die Truppe übrigens nicht verlassen, er wird lediglich nach Amsterdam wechseln, um dort Klarinette zu studieren. „Bis ans Ende der Zeit“ vom SAW 2-Soundtrack beendete den launigen Gig, der aber erstmals an diesem Tag noch um eine Zugabe erweitert wurde. „Kugel im Gesicht“ (im Original von Kaschtes WEENA MORLOCH-Nebenprojekt stammend) beendete die Performance standesgemäß. Nicht zu vergessen natürlich der kurze Auftritt von Schwester Annabelle, die vor der Jahrtausendwende auch mal als Sängerin der Kafka Heroen fungierte.
Und noch einmal konnten die Finnen-Fans ihre Flagge zücken, denn nun hieß es „Bühne frei“ für die Schnuckies von NEGATIVE. Besonders die weiblichen Fans legten sich gleich mächtig ins Zeug, als Jonne (mit kurzen Haaren) und seine Gefolgschaft mit „L.A feeding fire“ eröffneten. Es entbrannte ein Blitzlichtgewitter aus den vorderen Reihen, das erste Kuscheltier fand seinen Weg zum Empfänger und Plakate wurden in die Höhe gestreckt (die Message war leider von der rückwärtigen Seite nicht zu eruieren). Und die Herren gaben der Menge, wonach sie verlangte: Mit „In my heaven“ und dem NEIL YOUNG – Cover „My my / Hey hey“ gab es weitere Knaller von ihrem zweiten Album „Sweet and Deceitful“ auf die Ohren und jede Menge große Posen für die Augen. Nun war die richtige Zeit gekommen, der begeisterten Crowd die neueste Single „Planet of the sun“ zum in Finnland im September erscheinenden dritten Album „Anorectic“ vorzustellen, eine hymnische Midtempo-Nummer gewohnt mit nordischer Melancholie gewürzt. Nach „Frozen to lose it all“ erreichte die Performance mit „Naive“ (vom Debüt „War of love“, das nur als Import zu bekommen ist) seinen Höhepunkt, in dessen Mitte Jonne seinen Mitstreitern die Show überließ, um nach einem fulminanten Instrumentalteil die Aufmerksamkeit wieder auf sich zu ziehen. Zu diesem Zweck entledigte er sich unter großem Gekreische seiner Jacke und poste mit den Armen lässig über dem Mikroständer wie einst Jim Morrison. Ob seiner Aufforderung, nun doch auch die Oberteile zu lüften nachgekommen wurde, kann ich aus meiner Position nicht berichten. Jonne gab jedenfalls mit lasziven Gesten seiner Erregung Ausdruck und stimmte „Moment of our love“ an, woraufhin das textsichere Publikum noch einmal alles gab. Zum Abschluss setzte sich Sir Christus mit seiner pinken Gitarre an den Bühnenrand und leitete „Until you’re mine“ ein. Sicherlich hätte das Sextett gerne noch weiter gerockt, gesellte sich noch zum Gruppenfoto und fand dankbare Abnehmer für schweißbenetzte Handtücher und weitere Devotionalien.
(cs)
Gegen 20 Uhr und bei immer noch sehr ordentlichen Temperaturen legte dann der letzte Electro Act des Amphis 2006 los. Die Wärmegrade sollte man grade im Hinblick auf Steve Naghavis Outfit (schwarzer Anzug mit Krawatte) nicht unerwähnt lassen, dazu an den Keyboards die altbekannten Gio van Oli und natürlich der kleine Wirbelwind Chris Ruiz, der hin und wieder auch mal nach vorne stürmte, um beispielsweise den „Metalhammer“ im Duett zu intonieren. AND ONE sind seit der Verpflichtung durch Out of Line wieder in aller Munde, so startete man auch gleich mit der ersten VÖ für dieses Label durch. Die „Military Fashion Show“ ist mittlerweile gut bekannt, wenngleich natürlich die altbekannten Hits wie die „Deutschmaschine“, „Krieger“, „Get you closer“ noch etwas besser ankamen. Der Tanzbrunnen verwandelte sich in ein riesiges schwarzes Herr hüftenschwingender Musikbegeisterter, was den jung gebliebenen Fronter sichtlich freute. Mit Sprüchen wie „Das Leben ist kurz, ich bin es auch“ zeigte er zudem wieder seine bekannte Selbstironie. Bekannt auch die Versatzstücke von den EURYTHMICS bzw. von DEPECHE MODE, die er immer mal wieder einfließen ließ. Als komplette und vor allem kompetente Inszenierung eines fremden Stücks stellte THE CUREs „The Walk“ dann fast noch mal alles bisher Dagewesene in den Schatten. Um schließlich nicht zu viel Zeit zu verlieren, blieb man vor der Zugabe einfach oben und nach einer kleinen Neckerei mit den Devotees wurde dann der „Technoman“ rausgeballert. So beendete man die Darbietung noch etwas vor der Zeit, ich und viele andere hätten wohl gerne noch mehr gehört bzw. getanzt. Dann halt auch wieder auf Tour zur anstehenden „Bodyopop“-VÖ…
Zu guter Letzt sollten noch die Münchner Folkrocker SCHANDMAUL die Menge zum Kochen bringen. So gab die Sonne diese Aufgabe an die drei Herren und zwei Damen um Sänger Thomas Lindner ab, die um 20. 45 Uhr (nach einem etwas geheimnisvollen Umbau mit Vorhang) die Bühne erklommen und mit dem „Drachentöter“ vom 2004er-Album „Wie Pech und Schwefel“ loslegten. Überwiegend spielten die Mäuler jedoch Stücke ihres aktuellen Silberlings „Mit Leib und Seele“, welches dem Publikum bereits bestens bekannt war, so dass auch eifrig mitgesungen werden konnte. Wie immer unterhielt der gutgelaunte Thomas zwischen den Songs wie „Kein Weg zu weit“, „Lichtblick“, „Feuertanz“ oder „Mitgift“ mit seinen kleinen Geschichten oder amüsierte die Menge mit seinem „eigens für das Amphi eingeübten Gitarrensolo“, das stürmisch gefeiert wurde. Ein anderes Mal erzählte er, wie Gitarrist Ducky tags zuvor beim Versuch, einem Zuschauer einen Schnaps zu reichen, ins Stolpern geriet und im Graben auf einen Security-Mann fiel. Aus diesem Grund wurde er in Köln dann auch an den Bühnenrand geleitet, damit ähnliches Unbill nicht noch einmal passieren möge. Selbstverständlich durfte das allseits bekannte Springspiel nicht fehlen, bevor „Vogelfrei“ angestimmt wurde. Kaum war „Die Tür in mir“ verklungen, wurde bereits das Finale angekündigt. Aber natürlich fehlten da noch ein paar Songs, ohne die ein SCHANDMAUL-Konzert undenkbar wäre, und so folgten noch „Walpurgisnacht“ und als Zugaben „Herren der Winde“ und „Dein Anblick“. Ein weiteres Mal haben die Bayern mit spritziger Frische und einem tollen Mix aus markigen Gitarren, elegant arrangierten Flöten und Dudelsäcken sowie exotischen Drehleitern und Schalmeien ihre alten und vielleicht auch neuen Fans begeistert und entließen die Festivalbesucher kurz vor der 22 Uhr Deadline auf den Nachhauseweg.
(ump)
Ein Fazit darf natürlich nicht fehlen: Im Grunde wunderbares Sonnen-Wetter und eine tolle Konzertanlage mit nur minimalen Abstrichen gegenüber dem „Original Amphi“ ergaben einen sehr stilvollen äußeren Rahmen für 2 Tage feinster Musik aller gängigen schwarzen Sparten. Nicht eine Formation enttäuschte, auch gab es meines Wissens nicht einen einzigen wie auch immer gearteten negativen Vorfall auf dem Gelände. Die bereits angesprochenen Punkte wie Einlass-Wartezeit, Endlosschleife in den Pausen oder zu kurze Spielzeiten fallen allesamt nur sehr wenig ins Gewicht bei dieser perfekten Orga und den vielen neuen Bekanntschaften, die man vor Ort machen konnte. Beim nächsten Mal vielleicht noch 1, 2 richtig außergewöhnliche Acts buchen, doch auch so ist das Amphi Festival bereits nach 2 Ausgaben nicht mehr aus der deutschen Konzertlandschaft wegzudenken. Schöne Erinnerungen werden bleiben!
Copyright Fotos: Torsten Hellge
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