Ort: Köln – Tanzbrunnen
Datum: 25.07.2010
Bestens ausgeruht und gelaunt lag der zweite Festivaltag des diesjährigen Amphis vor mir. Zwar hielt sich die Sonne zur mittäglichen Stunde noch vornehm zurück, aber das schwarze Volk ist ja eh der Meinung, dass unser Zentralgestirn nur albern macht. Eine Einschätzung die ich nicht unbedingt teile, aber ich muss auch nicht schon um 12.00 Uhr zu wummernden Beats „Frühsport“ am Tanzbrunnen machen.
EXT!ZE
Ein paar unermüdliche Cyber Gothics waren da jedoch ganz anderer Meinung und hatten sich zur Musik des heutigen Openers EXT!ZE an einer etwas höher gelegenen Plattform getroffen und machten dort erste „Aufwärmübungen“ für den Tag. Für mich war der Cyber-Trance-Industrial-Mix so früh am Tag noch ein bisschen zu viel, aber vor der Open-Air-Bühne hatte sich schon ein erkleckliches Völkchen eingefunden, das allerdings in erster Linie noch die beiden Tanzmäuse auf der Stage hüpfen ließ. Die beiden Mädels setzten die musikalischen Vorgaben der drei Herren aus Baden-Württemberg in Bewegung um, die derweil für meinen Geschmack zu abwechslungsarm an ihren Synthies werkelten. So war mein Bedarf auch mit dem dritten Song „Electronic Revolt“ gedeckt und ich zog es vor, im Staatenhaus nach dem Rechten zu sehen.
ESCAPE WITH ROMEO
Hier ging es ganz eindeutig auch eher nach meinem Gusto zu, denn ESCAPE WITH ROMEO stehen seit mehr als 20 Jahren für eindringlichen Shoegaze Rock, den der Kölner Sänger und Gitarrist Thomas Eiben ins Leben gerufen hat. Nach zwei Jahrzehnten, neun Alben und einer Live-DVD ziehen ESCAPE WITH ROMEO jetzt mit ihrem „History“ Best of, das 2009 erschienen ist, Bilanz und verabschieden sich zurzeit mit einigen Konzerten auf unbestimmte Zeit von ihren Fans. So durften sich die Amphi-Besucher über eingängigen Düsterrock freuen, der mit viel Gefühl in den Sonntag starten ließ, ohne es dabei am nötigen Druck fehlen zu lassen.
MONO INC.
Druck machen üblicherweise auch MONO INC., die draußen als nächstes auf dem Programm standen. Und auch heute sollte dies nicht anders sein, wie die Hamburger gleich mit dem ersten Song „This Is The Day“ klarstellten. Auch das Publikum war in Feierlaune und klatschte umgehend mit. Schließlich galt es auch keine Zeit zu verlieren, denn MONO INC. hatten gerade mal 40 Minuten Spielzeit, wobei Sänger Martin Engler schon über die Startposition Zwei froh zu sein schien, nachdem man im vergangenen Jahr praktisch zu nachtschlafender Zeit zum Frühstück gespielt hatte, wie er sein Auditorium wissen ließ. Das wurde für sein Kommen mit viel Rumms und „Temple of The Torn“ vom gleichnamigen Longplayer aus 2007 belohnt. Als kleinen Vorgeschmack auf die Ende August erscheinende EP „Come Down“ präsentierten MONO INC. den Titelsong, ehe der wie immer in den Topf mit dem Augen-Make-Up gefallene Sänger auf einem Barhocker Platz nahm und im Alleingang, nur mit einer Akustikgitarre bewaffnet, den IGGY-POP-Klassiker „The Passenger“ anstimmte. Lange musste Engler jedoch nicht auf seine Mitstreiter Carl Fornia (Gitarre & Gesang), Manuel Antoni (Bass & Gesang) und Katha Mia (Drums & Gesang) warten und nach dem üblichen Männlein-Weiblein-Singspielchen und den Hinweis auf die MONO-INC.-Tour-TV-Mitschnitte, die es auf der Band-Homepage zu sehen gibt, kehrten die Instrumentalisten zurück. Ein kleines Solo gab es auch für Katha Mia, die aufgrund des Zeitdrucks jedoch auf die übliche ausführliche Trommelnummer verzichten musste und deshalb „Voices of Doom“ nur mit einem ausführlichen Schlagzeuggewitter ankündigte. Mit dem Titeltrack des aktuellen Albums gab’s Düsterrock skandinavischer Prägung, ehe „Get Some Sleep“ einen kraftvollen Schlusspunkt setzte. Für das sonst so gern gespielte D-A-D-Cover „Sleeping My Day Away“ fehlte leider die Zeit, aber vielleicht sind MONO INC. im nächsten Jahr ja wieder beim Amphi mit von der Partie und bekommen dann einen späteren Platz in der Running Order, der ihnen ein paar zusätzliche Minuten beschert. Den lauten Zugaberufen nach zu urteilen, hätten die Zuschauer nichts dagegen.
Setlist MONO INC.
This Is The Day
Temple of The Torn
Come Down
Just Because I Love You
Forgiven
The Passenger (IGGY-POP-Cover)
Voices of Doom
Get Some Sleep
DR. MARK BENECKE
Nachdem das Theater nicht mehr für Konzerte genutzt wird, hat sich dort neben der abendlichen Disco ein buntes Rahmenprogramm etabliert. Es gab Lesungen, Musical Comedy, Filmvorführungen und auch Vorträge. Einen hielt der „Herr der Maden“ Dr. Mark Benecke – seines Zeichens Biologe und Forensik-Experte. Der Kölner gewährte einen ebenso interessanten wie kurzweiligen Einblick in die Welt der Kriminalbiologie und lehrte uns zudem Wissenswertes fürs Leben. Sein Arbeitsansatz heißt nämlich „Frag einfach nicht, dann kann auch keiner nein sagen!“ Nicht nur damit hatte er die Lacher auf seiner Seite, auch die Vergleiche des Vegetariers, dass die beliebte Gesicht-Mortadella im Grunde nur Leichengewebe mit einem lustigen Konterfei ist oder es sich beim Spanferkel genau genommen um eine Brandleiche handelt, führte zur Erheiterung im voll besetzten Theater. Zudem erörterte der Naturwissenschaftler, der nach eigener Aussage als kleiner Junge der Typ mit der dicken Brille und dem Karohemd war, den in der Schule alle scheiße fanden, aufschlussreich die Frage „Was macht ein Kriminalbiologe so alles und ist das nicht ekelig?“ und berichtete über allerlei merkwürdige Leichenerscheinungen, bei dessen Aufklärung die Zuhörer mitwirken durften und sogar mit kleinen Preisen belohnt wurden. Jetzt weiß ich auch, dass Mumien eigentlich immer wie Victoria Beckham aussehen und Schinken nichts anderes ist als ein abgesägtes Leichenbein. Macht nix, wer in der Landwirtschaft und insbesondere in der Schweinezucht und Mast groß geworden ist, dem schmeckt das Fleisch auch nach solchen Informationen noch. Und die Sache mit Frau Beckham hab ich mir selbst auch schon irgendwie gedacht…
LEAVES’ EYES
Um es vorweg zu nehmen: Die Musik der deutsch-norwegischen Symphony-Metal-Band wäre ja ganz ok, wenn da nicht der Gesang von Liv Kristine (ex-THEATRE OF TRAGEDY) wäre. Gemeinsam mit ihrem langjährigen Lebensgefährten Alexander Krull hat sie die Kapelle 2003 gegründet, wobei sich die damaligen Mitglieder samt und sonders aus der Formation ATROCITY rekrutierten, die abgesehen von Frontfrau Liv Kristine auch immer noch (wenn auch in zwischenzeitlich geänderter Besetzung) gemeinsam unter diesem Namen rocken. Bei LEAVES’ EYES dominierte allerdings eindeutig der weibliche Knödelgesang, zu dem sich die Growl-Passagen ihres langmähnigen Gatten gesellten. Das Ganze erinnerte gelegentlich an die frühen THEATRE OF TRAGEDY, was es aber keineswegs besser machte. Wie gesagt, die Instrumentalfraktion hat ihre Sache absolut ordentlich und mit jeder Menge Druck gemacht, aber mir stellen sich unweigerlich die Nackenhaare hoch, wenn ich über 50 Minuten das Jammergejaule einer verhinderten Operndiva hören muss. Der Masse wird’s jedoch gefallen haben, denn ich denke nicht, dass der Applaus als Zeichen der Erleichterung zu werten war, dass das Schrecken endlich ein Ende gefunden hatte. Mit anderen Vocals hätte auch ich LEAVES’ EYES gern zugehört, wenngleich der Bombast-Sound wie bei „Ragnarok“ nicht unbedingt mein Favorit ist. Immerhin hat die blonde Sangeskünstlerin bei „Froya’s Theme“ ja auch bewiesen, das sie es auch anders kann. So viel zu den Leiden der Wikinger.
Setlist LEAVES’ EYES
Njord
My Destiny
Emerald Island
Take The Devil In Me
Ragnarok
Elegy
Froya’s Theme
MESH
Da waren MESH doch viel mehr nach meinem Geschmack! Die britischen Synthie-Popper wollten offensichtlich außer mir noch ein paar Leute mehr sehen, denn es war ziemlich voll am Tanzbrunnen geworden. Deshalb werden auch die wenigsten etwas von den Bildern auf den relativ kleinen Bildschirmen erkannt haben, die auf der Stage standen, aber das war eh nur optisches Beiwerk, das es bei der eingängigen Mucke nicht zwingend brauchte. Im nächsten Jahr können Mark Hockings (Gesang & Gitarre) und Richard Silverthorn (Keys), die live von einem weiteren Keyboarder und einem Drummer verstärkt wurden, ihr 20-jähriges Bandjubiläum feiern, von Ermüdungserscheinungen war bei den Herrschaften vom britischen Eiland jedoch nichts zu spüren. Vielmehr starteten MESH nach einer elektronischen Drum-Einleitung mit dem gitarrendominierten „If We Stay Here“, um es mit dem 2002er „Leave You Nothing“ (auf „Who Watches Over Me?“ erschienen) synthetischer anzugehen. Für „Petrified“ entledigte sich der stets bemützte Mark seiner Langaxt, um mit „Crash“ einen noch vergleichsweise jungen Klassiker nachzulegen, der erst 2006 auf „We Collide“ das Licht der Plattenläden erblickt hat. Wer jetzt noch nicht tanzte, war am Tanzbrunnen definitiv falsch aufgehoben, doch das ausdauernde Klatschen ließ zweifelsohne auf eine begeisterte Goten-Meute schließen, denen MESH als nächstes gleich mal die letzte Single-Auskopplung „How Long?“ vom letztjährigen Silberling „A Perfect Sollution“ mit knackiger Gitarrenuntermalung um die Ohren hauten. „From This Height“ ging erneut mit Doppel-Synthie ins Ohr, bevor zu „Who Says“ ein weiblicher Gesangsgast die Stage betrat. Leider wurde die bewegungsarme Dame während des gesamten Songs an meinem Standort von einem Pfeiler der Dachkonstruktion am Tanzbrunnen verdeckt, so dass ich leider keine Ahnung habe, mit wem wir es da zu tun hatten. Das Zuhören machte auf jeden Fall Spaß und mit „Everybody I Made“ war die Zeit schon wieder viel zu schnell vergangen.
Setlist MESH
If We Stay Here
Leave You Nothing
Hold It Together
Petrified
Crash
How Long?
From This Height
Who Says
Everybody I Made
SAMSAS TRAUM
Die Umbaupause an der Main Stage nutzte ich abermals für einen kleinen Abstecher in die dunkle Halle, wo alsbald eine Eröffnungsfanfare erklang, die etwas von russischer Oper oder dem Chor der Schwarzmeerflotte hatte. Tatsächlich kündigten sich auf diese Weise Alexander Kaschte und SAMSAS TRAUM an, die schließlich mit „Ein Name im Kristall“ auch gleich amtlich losrockten. Angetan war der Fronter dabei mit einem weißen Gewand, das er mit dem Hinweis kommentierte, es hätten sich Leute aufgeregt, dass er etwas Grünes beim WGT angehabt hätte. Ist schon erstaunlich, was für Sorgen manche Zeitgenossen haben… Zu „Auf den Spiralnebeln“ ließen es die Herrschaften gleich in doppelten Hinsicht krachen, denn auf der Bühne kam es zu effektvollen kleinen Rauchexplosionen, denen bei „Für immer“ diverse Farbspielereien folgten, ehe sich mit „Stromausfall im Herzspital“ das erste Highlight ankündigte, dessen knackigen Langäxte mit Begeisterung aufgenommen wurden. Für mich sollte es mit dem Dark Metal an dieser Stelle jedoch schon gewesen sein, da mir an diesem Sonntag doch mehr der Sinn nach Synthetischem stand.
COMBICHRIST
Meinen ärgsten Hunger konnte ich wenig später bei COMBICHRIST stillen, die nach einem Sirenengeheul-Intro mit „All The Pain Is Gone“ gleich einen fetten Aggrotech-Brocken in die Meute warfen. Nicht nur die Electroheads gingen beim fast gleich lautenden Titel „Electrohead“ vom 2007er „What The F**k Is Wrong With You People?“ steil und bei den donnernden Rhythmen von „Without Emotions“ vom Everybody-Hates-You“-Silberling aus 2005 maßen die Leute abgelenkt durch die Musik dem einsetzenden Regens wenig Bedeutung bei. Vielmehr stand „Ge Your Body Beat“ auf dem Programm. Es wurde getanzt was das Zeug hielt und auch „Blut Royale“ und „Fuck That Shit“ wurden gebührend abgefeiert. Viel mehr als elf Songs hätten der Norweger Andy LaPlegua und seine Mannen vermutlich gar nicht spielen können, zumindest nicht mit ihrem Live-Drummer Joe Letz, der während der Show schon so wirkte, als würde er jeden Moment zum Tier und einen erheblichen Verschleiß an Drumsticks hatte. Am Ende nahm der Schlagzeuger aber auch noch sein Instrument auseinander, während auf der anderen Seite der Bühne Live-Percussionist Trevor Friedrich sich bereits auf seinem Equipment positioniert hatte und nicht mehr nur dahinter stand. So bot „What The Fuck Is Wrong With You“ ein grandioses Finale mit wahrlich fetten Beats, die keinen Zweifel daran ließen, weshalb die 2003 ursprünglich als Studioprojekt ins Leben gerufenen COMBICHRIST des ICON-OF-COIL-Masterminds LaPlegua, sich so großer Beliebtheit erfreuen. Hier stimmt der Sound ganz einfach, um mit viel Karacho steil zu gehen.
FRONTLINE ASSEMBLY
Im Staatenhaus stand nunmehr ein weiterer Oldschool-Vertreter auf dem Programm: FRONTLINE ASSEMBLY (wie SKINNY PUPPY aus Vancouver/ Kanada) starteten mit einer zehnminütigen Verspätung und dem verzerrten Gesang von Bill Leeb, der zu „I.E.D.“ gehörte, ehe es mit einem donnernden Schlagwerk bei „Circuitry“ vom 1995er „Hard Wired“ weiterging. Derweil legte „Angriff“ verhalten los, um erst später Gas zu geben, bevor mit „Resist“ Disco-Stimmung aufkam, zu der die Band geschlossen auf Trommeln eindrosch. Ihren Song „Fuel“ hatten FLA British Petrol gewidmet und so ging’s in härterer Gangart über die kreischenden Elektrogeräusche von „Release“ weiter zum elf Jahre alten „Prophecy“, das seinen Ursprung im Album „Implode“ hat und nach wie vor mit knackigen Sechssaitern gefällt. Volle Breitseite auch bei „Shifting Through The Lens“, das bestens zum Abtanzen geeignet war, um schließlich mit dem 1992er „Mindphaser“ fantastischen Electro-Scheiß abzuliefern, der sich gewaschen hat. Der gerechte Lohn war der tosende Applaus des begeisterten Publikums, das mit Sicherheit genau wie ich noch einen Nachschlag von den bereits seit 1986 agierenden Metal-Elektroniker erhalten hätte, die beim Amphi in Live-Besetzung mit Gitarre, Drums, Keys und natürlich Vocals angetreten waren und im Herbst noch für ein Clubkonzert nach Hannover kommen werden.
Setlist FRONTLINE ASSEMBLY (ohne Gewähr)
I.E.D.
Circuitry
Angriff
Resist
Fuel
Release
Prophecy
Shifting Through The Lens
Mindphaser
DIARY OF DREAMS
Aber ich will mich nicht beklagen, denn der Sonntag hatte wirklich viele Glanzpunkte zu bieten. Einer war mein viertes DIARY-OF-DREAMS-Konzert innerhalb von gut vier Monaten und ich darf sagen, dass die Band an diesem Sonntagabend ihren besten Auftritt hingelegt hat. Mal ganz davon abgesehen, dass Adrian Hates im März noch einigermaßen derangiert aussah und seit einiger Zeit wieder einen deutlich gesünderen Eindruck machte, lieferten DOD eine grandiose Show ab, die kaum einen Wunsch offen ließ. Mit „Wahn!Sinn?” starteten Hates und seine Langaxt-Fraktion Gaun:A (Gitarre) sowie Flex (Bass) mit krachenden Sounds, die mit erheblicher Lautstärke unters Volk gebracht wurden. Nicht weniger einnehmend kam „The Wedding“ vom letztjährigen Studiooutput „If“ rüber und auch das 2005er „MenschFeind“ wusste mit seinen ruhigen Anfangspassagen ebenso zu gefallen wie mit dem druckvollen Hauptteil, während Adrian sich ganz auf seinen emotionalen Gesang konzentrierte und seinen Sechssaiter beiseite gelegt hatte. Das äußerst spritzige „Kindrom“ wurde kräftig mitgesungen und erntete reichlich Beifall, um schließlich mit „The Chain“ und „She And Her Darkness“ ebenso viel Emotionalität wie Kraft zu verbreiten. Grüne Nebelwände begleiteten den Pianostart von „AmoK“, das ein weiteres gefühlsvolles Highlight war, ehe „Hypo)cripticK(al“ wieder zum Tanze bat. Mit „Soul Stripper“ ging’s kurz darauf ab durch die Mitte, bevor „Traumtänzer“ für einen ausgesprochen bewegenden Moment sorgte. Die Nummer liegt mir persönlich besonders am Herzen und es war mir ein Vergnügen, dieser überirdischen Nummer beiwohnen zu dürfen. Die Publikumsgesänge sorgten für zusätzliche Gänsehautmomente und die frenetischen Akklamationen am Ende des Liedes sagten mehr als tausend Worte. Wer gedacht hätte, dass die Stimmung nicht mehr zu toppen gewesen sei, hatte die Rechnung ohne „Kind of Nowhere“ gemacht, das auf der Zielgeraden noch einmal absolut gefangen nahm. In Sachen Düster-Rock mit viel Melancholie führt seit gut zwanzig Jahren einfach kein Weg an DIARY OF DRAMS vorbei und dass Adrian Hates und Konsorten gerade in bester Spiellaune sind, war nicht zu überhören. Bleibt nur noch die Frage zu klären, wer der Keyboarder war, der Leandra Ophelia Dax (JESUS ON EXTASY) beerbt hat, die ich bei den übrigen Konzerten in diesem Jahr hinter den Tasten erlebt habe. Ach, und ich glaube übrigens nicht, dass das mein letztes DOD-Konzert für dieses Jahr war, schließlich sind die Herrschaften im November noch mal auf Deutschland-Tour.
Setlist DIARY OF DREAMS
Wahn!Sinn?
The Wedding
MenschFeind
Kindrom
The Chain
She And Her Darkness
AmoK
Hypo)cripticK(al
Soul Stripper
Traumtänzer
Kind of Nowhere
VNV NATION
Nun hieß es jedoch keine Zeit zu verlieren, denn auf der Mainstage hatten sich bereits seit 20 Minuten VNV NATION eingefunden, die meinen Abwägungen zum Opfer gefallen waren, welcher Kapelle ich denn nun den Vorzug geben sollte. So konnte ich die ersten fünf Stücke leider nicht miterleben, hatte dafür aber immerhin von DIARY OF DREAMS und VNV NATION jeweils eine volle Stunde und wurde mit dem gut aufgelegten „Further“ begrüßt, das bereits ausgelassen mitgetanzt wurde. Ronan Harris mag vielleicht nicht der begnadetste Sänger sein, aber er versteht es wie kaum ein anderer, für Stimmung zu sorgen und schafft es innerhalb kürzester Zeit, dass ihm das Publikum aus der Hand frisst. Entsprechend ging die Future-Pop-Party auch mit „Sentinel“ treibend weiter und die Ankündung von „Chrome“ hätte sich der flinke Kugelblitz wohl auch sparen können, denn dieser Song vom „Matter + Form“-Album aus 2005 kennt wohl jeder, der auf dem schwarzen Dancefloor zuhause ist. Nach dem ebenfalls sehr tanzbaren „The Great Devide“ gab’s mit „Illusion“ was fürs Herz, bevor es mit „Standing“ wieder aufs Ganze ging. „Honour“ wurde nicht minder abgefeiert und mit „Nemesis“ ging’s endgültig Schlag auf Schlag. Wer seine tägliche Portion Sport noch nicht absolviert hatte, konnte schnell am Massen-Future-Pop-Workout teilnehmen, ehe es bei „Beloved“ zum Massenklatschen kam. Zunächst musste jedoch Mr. Jackson in Position gebracht werden, denn bei diesem Track vom 2002er „Futurperfect“ hat der groß gewachsene Drummer Mark Jackson, der 1995 zu Ronan Harris stieß, nachdem dieser VNV NATION fünf Jahre zuvor aus der Taufe gehoben hatte, einen besonderen Arbeitsplatz, den er auch umgehend einnahm. Das ganz große Finale stand jedoch mit dem grandiosen „Perpetual“ ins Haus, bei dem Harris und Jackson Tausende von gereckten Armen zu sehen und zudem auch noch den großen Amphi-Chor zu hören bekamen. Dass es inzwischen wieder leicht zu regnen begonnen hatte, störte in diesem Moment keinen Menschen, denn besser war die Stimmung am Tanzbrunnen wohl in den letzten zwei Tagen zu keinem Zeitpunkt. Leider waren die Zeiger der Uhr inzwischen auch schon wieder gefährlich nahe an die 22.00-Uhr-Marke gerückt, so dass es bei tosendem Stakkato-Applaus und Fangesängen bleiben musste und die sehnlich gewünschte Zugabe ausfallen musste.
Setlist VNV NATION (keine Gewähr für die ersten fünf Songs)
Pro Victoria
Tomorrow Never Comes
Testament
Genesis
Darkangel
Further
Sentinel
Chrome
The Great Devide
Illusion
Standing
Honour
Nemesis
Beloved
Perpetual
LETZTE INSTANZ
Aber unter dem Dach des Staatenhauses ging das dunkle Treiben ja auch noch weiter. Bereits seit etwa 45 Minuten rockte die LETZTE INSTANZ, die seit 14 Jahren einen Mix aus Folk, Rock und Neuer Deutscher Härte macht, die Indoor-Stage kurz und klein und ganz offensichtlich ging es ordentlich in der Halle zur Sache. Mit meiner Ankunft gegen 22.00 Uhr erschall die Aufforderung zum „Tanz“, dem die bekannten Geschlechter-Singspielchen folgten, die im energiegeladenen „Das Stimmlein“ endeten, das enthusiastisch abgefeiert wurde, ehe auch „Mein Todestag“ unter weißen Nebelschaden gewaltig abgerockt wurde. Auch hier war die Stimmung hervorragend und so schloss sich mit „Wir sind allein“ der emotionale Höhepunkt der Dresdner an, die zum gemeinsamen Schulterschluss aufriefen, um sich im Anschluss von ihren Fans zu verabschieden. Die hatten jedoch lange noch nicht genug und wurden für ihre Ausdauer in der Verlängerung mit „Rapunzel“ belohnt. Hier ging es noch einmal bis ans Limit, bevor das BLUR-Cover „Song 2“ den wie immer barfüßigen Cellistin Benni Cellini und den Violinisten M. Stolz per Stagediving ins Auditorium katapultierte. Crowdsufend drehten sie eine Runde über den Köpfen der Zuschauer, um schließlich doch endgültig Lebewohl zu sagen.
EISBRECHER
Die momentan erfolgreichsten Vertreter der NDH sind zweifelsohne EISBRECHER, die ihre „Kalt“-Tour zum aktuellen vierten Longplayer „Eiszeit“ auf dem Amphi beendeten und mit ihrem jüngsten Studiooutput bis auf Position 5 der Albumcharts klettern konnten. Auch diese Band ist mir in diesem Jahr bereits mehrfach untergekommen, aber Alexx und Konsorten sind jedes Mal wieder ein Genuss, weshalb eine vorzeitige Abreise keinesfalls in Frage kam, auch wenn man sich natürlich schon fragen konnte, warum am Samstag das Live-Programm bereits um 22.35 Uhr endete, während am Sonntag die Staatenhaus-Bühne bis Mitternacht bespielt wurde. Es werden gute Gründe gewesen sein und ich harrte gern der Dinge, die sich auf der Stage ankündigten, bis schließlich um 23.00 Uhr die „Eiszeit“ ausbrach. Die dicke Winterkluft, in der die Band bislang auf die Bühne kam, haben EISBRECHER wohl ob der limitierten Zeit gleich daheim gelassen; es dauerte aber auch so nicht lange, bis Alexx der Schweiß in Strömen vom blanken Kopf lief. Die Bayern machten als letzter Gig des Amphis allerdings auch wahrlich keine Gefangenen und ließen es wie bei „Angst“, „Willkommen im Nichts“ und „Leider“ mit aller Macht krachen. Bandfaktotum Dodo wird sich sicher auch freuen, dass die Tourstrapazen erst einmal hinter ihm liegen, wobei sein Job als Auszieher für Alexx wahrscheinlich noch vergleichsweise angenehm war, wenn man den Ausführungen des Herr Wesselsky glauben darf. Für „Vergissmeinnicht“ vom „Antikörper“-Album waren die Handys der Anwesenden gefordert, die für die romantische Stimmung bei der energiegeladenen Nummer sorgen sollten, ehe die „Schwarze Witwe“ vom 2004er Debüt „Eisbrecher“ einem Klassiker entsprechend abgefeiert wurde. Die Seitenhiebe auf den Grafen mussten wohl auch wegen des Zeitmangels auf ein absolutes Minimum beschränkt werden; vielleicht ist Alexx im Laufe der Monate aber auch milde gestimmt worden und gönnt UNHEILIG nun den Mainstream-Erfolg, weiß er doch genau, dass EISBRECHER schon lange auch Goten-Schlager im Repertoire haben, wie die Combo mit „Die Engel“ umgehend unter Beweis stellte. Auch ihre Zweifel an der katholischen Kirche haben EISBRECHER schon zwei Jahre vor den ganzen aktuellen Missbrauchsdiskussionen in ein Lied gekleidet. Schließlich waren Fronter Alexx und Leadgitarrist Noel Pix, die EISBRECHER 2003 nach Differenzen mit ihrer alten Band MEGAHERZ ins Leben gerufen haben, ja mal Klosterschüler und kennen sich entsprechend aus. „Heilig“ heißt die musikalische Umsetzung, mit der die Truppe erneut richtig Gas gab. Überhaupt haute der smarte Chef am letzten Tourabend so richtig auf die Kacke und kam aus dem bitterbösen Plaudern gar nicht heraus, wenn er nicht gerade von Dodo neu eingekleidet wurde, wie es für „This Is Deutsch“ natürlich vonnöten war. Schließlich dürfen hier Gamsbarthut und Strickweste ebenso wenig fehlen wie die Melodica und das Kinderkeyboard, an dem Noel Pix sich zu schaffen machte, um den typischen NDW-Sound hinzubekommen. Schließlich gewannen aber doch wieder die massiven Gitarrenwände und schon verabschiedeten sich die Jungs mit einem „Das war’s“ nach gerade mal 45 Minuten von ihrer Zuschauerschaft. Wer aufgepasst hatte und die Show kennt, wusste allerdings, dass die Ölfässer auf der Stage nicht nur dekorativen Zwecken dienten, sondern noch bespielt werden wollten. Und so kamen die Herrschaften auch noch einmal aus dem Off und liefen „Amok“, bevor zu guter Letzt „Miststück“ noch einmal Gelegenheit bot, seine Begleitung übel zu beschimpfen, ohne das es weiter aufgefallen wäre. Diese Nummer stammt noch aus MEGAHERZ-Tagen und gehört einfach zu jedem EISBRECHER-Gig dazu. Im November sind sie wieder auf Tour und dann werde ich überprüfen, ob auch dieser Smasher auch wirklich gespielt wurde.
Setlist EISBRECHER
Eiszeit
Angst
Willkommen im Nichts
Leider
Vergissmeinnicht
Schwarze Witwe
Die Engel
Heilig
This Is Deutsch
Amok
Miststück
Bevor nun der große Exodus über das Tanzbrunnengelände hereinbrechen würde, sammelte sich die festival- und konzerterfahrene Terror-Abordnung und strebte zu den Autos, die auf dem nahen Parkplatz auf ihren Einsatz warteten. Hinter uns lagen zwei Tagen Amphi mit einer hervorragender Organisation, sieht man mal von den unvermeidlichen Schlangen an den Toiletten ab und lässt außer Acht, dass manche Band aufgrund der zeitlichen Überschneidungen in der Running Order etwas zu kurz gekommen ist. Sogar der Wettergott hat bis auf geringe Einschränkungen mitgespielt, so dass das Amphi 2010 mir in guter Erinnerung bleiben wird und ich mich schon jetzt auf die Fortsetzung im nächsten Jahr freue.
Copyright Fotos: Uli Klenk
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