Ort: Köln - Tanzbrunnen
Datum: 23.07.2016 - 24.07.2016
Ausgangslage: Wenige Tage vor der Veranstaltung war die Wettervorhersage für das 12. Amphi Festival nicht sonderlich erfreulich, die App sagte Starkregen, Unwetter und Wolken über Köln voraus. Diese Schlechtwetterankündigungen waren jedoch kein Hinderungsgrund für ca. 12.000 Fans, sich Ende Juli wieder im Tanzbrunnen Köln einzufinden, um Bands aus den Bereichen Electro, Wave, Industrial und Rock zu lauschen und natürlich auch die Gelegenheit zu nutzen, liebgewonnene Freunde zu treffen. Hinzu kommt eine einmalige entspannte Atmosphäre mit dem Kölner Dom in Sichtweite, dem Rhein und dem Rheinpark vor den Festivaltoren.
Mit der Eröffnungsveranstaltung „Call The Ship To Port“ war der musikalische Start am Vorabend mit OOMPH! und APOPTYGMA BERZERK bereits erfolgt. Doch auch über Tage konnte man, dank der Kooperation mit den MuseenKöln, vergünstigt einige Ausstellungen besuchen. Wer seine Gewandung mitgenommen hatte, dem bot sich die Möglichkeit, am dunkelromantischen Picknick im Friedenspark teilzunehmen, da sich das Wetter unverhofft freundlich zeigte. Oder sollte man am Freitag doch lieber seine Kräfte für die zwei Tage Amphi Festival schonen, denn über 30 Bands und Aftershowparties wollten besucht werden?
Dazu kamen noch Autogrammstunden diverser Künstler, wie etwa SPETSNAZ, JOACHIM WITT oder AESTHETIC PERFECTION. Wer zeitig vor Ort war, konnte sich sogar ein Ticket für den Kurs „Songwriting Interaktiv C=64“ mit DJ Honey (WELLE:ERDBALL) für den Sonntag sichern. Moderiert wurde das Festival im Wechsel und manchmal auch gemeinsam von Oliver Klein und Mark Benecke. Wobei die Moderationen sich zum Glück meistens auf Tourankündigungen und Neuveröffentlichungen anwesender Künstler beschränkten. So erfuhr man u.a., dass BLUTENGEL nach 17 Jahren Bandgeschichte nun ihr erstes Best Of Album veröffentlicht hätten. Für SUICIDE COMMANDO hingegen war das Amphi der Auftakt für eine Jubiläumstour, denn Johan Van Roy ist mittlerweile seit 30 Jahren musikalisch unterwegs.
Samstag
Zeitig fanden sich am ersten Festivaltag die Besucher ein, der Einlass hingegeben startete mit einer leichten Verspätung. Dennoch schafften es alle, sich rechtzeitig zu Eröffnung der Main Stage mit (X)-RX einzufinden und mit „Escalate“ wurde die Besucher zur Show begrüßt. Wer den Weg zur Theater Stage nach längerem Suchen gefunden hatte, der konnte gleich wieder umdrehen, da ONE I CINEMA ihren Auftritt kurzfristig absagen mussten. Also wurde kurzerhand vor der Main Stage weiter zu dem Electrosound von SOLITARY EXPERIMENTS und neuem Songmaterial weitergefeiert. Nun wurde im Anschluss die Theater Stage mit ANGELS & AGONY eröffnet und der Weg, der aus dem Gelände führte, wurde nun leichten/ sicheren Schrittes abgelaufen. Sitzfleisch durfte man in der Theater Stage nicht haben, da man aus Sicherheitsgründen eben jenes durfte und die Security hatte die unangenehme Aufgabe, die erschöpften Leute immer wieder zum Aufstehen aufzufordern. Brandschutz wurde großgeschrieben, und so gab es kurz vor der RAMMSTEIN Tribute Show von STAHLZEIT eine Inspektion der Bühne durch Sicherheitskräfte. RAMMSTEIN-Songs ziehen immer und sorgen für Stimmung, auch wenn sie von einer Tribute Band vorgetragen werden – und das zu Lebzeiten des „Originals“! Wurde bei STAHLZEIT fett in die Pyrokiste gegriffen, so beherrschte in der Theater Stage bei DIVE Dunkelheit die Bühne. Schemenhaft tobte die One-Man-Show und erinnerte an eine Experimental-Tanzperformance. Während der Umbaupausen gab es in der Theater Stage MEGAHERZ vom Band. Vorab hatte man jedoch die Möglichkeit, die Combo live auf der Main Stage u.a. zu „Zombieland“ und „Miststück“ sehen. Mitsingen bzw. alleine singen konnten die Fans zu „Voices Of Doom“ von MONO INC., die nicht nur ihre Hits mit dabeihatten, sondern auch eine Ladung Flammen und ihre Flagge. Mit Katha am Schlagzeug gab es geballte Frauenpower, und bei TARJA setzte sich dies am Mikrofon fort. Große Posen, Interaktion der Musiker untereinander und deren Spielfreude machten die Band alleine schon sehenswert, auch für all jene, denen Symphonic Metal nicht ganz so liegt. Dennoch dünnte der Besucherdichte bei TARJA vor der Bühne aus.
Leider fasste die Theater Stage nicht die erforderliche Menge an Besuchern, so dass bei NEUROTICFISH und FRONT LINE ASSEMBLY etliche vor verschlossener Tür standen und ihnen nichts weiter übrigblieb, als den Weg zurück anzutreten, um PETER HEPPNER, den Meister der reduzierten Performance, beizuwohnen. Endlich war der Dauerregen beendet und man sah die Besucher entspannt die Wärme genießen und u.a. den Songs aus WOLFSHEIM-Zeiten lauschen. Im optischen Kontrast ging es im Anschluss auf der Main Stage mit BLUTENGEL, Tänzerinnen und Leinwandprojektionen weiter. Neben dem Opener Song „Sing“ hatten Herr Pohl und Co. „Engelsblut“, „Luzifer“ und „Krieger“ auf ihrer Setlist. Nicht zu verachten war auch die Orbit Stage, die sich auf einem Rheinschiff befand. Der Weg dorthin führte, zur Freude von Schaulustigen, außerhalb des Geländes über einen fünfminütigen Fußweg. So konnten die Kölner und die Touristen die Festivalbesucher in ihren Uniformen, Miedern, Kostümen, Plateauschuhen und aufwendigen Makeup bewundern. Auf dem Schiff hatte man die Möglichkeit, neben BLOOD SUCKING ZOMBIES FROM OUTER SPACE weitere musikalische Perlen wie LAURA CABON oder LEBANON HANOVER zu entdecken. Am Sonntag gaben sich THE DEVIL & THE UNIVERSE, FADERHEAD, ESCAPE WITH ROMEO und SPIRITUAL FRONT die Klinke in die Hand. Die Besucher dagegen mussten ihre Getränke vom Festivalgelände beim Betreten des Rheinschiffs aus der Hand geben.
Wem das passende Outfit fehlte, der konnte sich beim Amphi Gothic Markt von Kopf bis Fuß als Steampunk, Cybergoth oder im Romantik-Look einkleiden, sogar Kontaktlinsen gab es. Musikliebhaber konnten in Vinyl schwelgen und vielleicht noch einen Becher oder alles andere Erdenkliche mit Fledermausmotiven mit nach Hause schleppen. Selbst „Game of Thrones“-Dracheneier waren erhältlich! Beim Fotoautomaten direkt bei dem Amphi-Zigarettenstand war es möglich, sein Outfit in einem SW-Erinnerungsfoto festhalten.
Sonntag
Zeigte sich das Wetter am ersten Tag eher grau mit einem Dauernieselregen, der kurz mal an Stärke zunahm, so war nun am zweiten Festivaltag der Sommer in Köln eingekehrt – der Schweiß rann unter der schwarzen Gewandung und staute sich in den Schnürstiefeln. Hier und da sah man sich mit Wasser übergießende Leute – Der Eisstand hatte Hochkonjunktur und faire Preise. Ansonsten waren die Preise stramm im Verhältnis zur Portionsgröße und Qualität. An Quantität in Bezug auf Auswahl mangelte es nicht: so gab es Chinapfanne, Crêpe und Waffeln, vegane Burger, klassische Burger im schwarzen Brötchen, Reibekuchen, Pulled Pork, Pizza, Krustenbraten, Leberkäse, Gemüsetaschen und Obstbecher. Ein Abstecher zum Daymarkt lohnte sich, da er folgendes Essen bereithielt: Flammlachs, Falafel und Langos!
Wer sich nicht gut informiert hatte, der konnte in Bezug auf 0,5 Wasser für 3,- € am Amphi- Wasserstand bis hin zu 4,50 € am allgemeinen Getränkestand zahlen, wohingegen am Infostand Wasserbecher verteilt wurden, mit denen man sein Wasser selber zapfen konnte. Am zweiten Tag machten etliche von den Trinkwasserstationen Gebrauch und zwischen den Shows wurde immer wieder darauf hingewiesen, genug Wasser zu trinken. Schade, dass der Beachclub erst um 12 Uhr öffnete, denn hier konnte man in Liegestühlen entspannen und Urlaubsfeeling machte sich breit. Alternativ luden auch die Weinlounge, die Met- Insel und der Biergarten zum geselligen Beisammensein ein. Am angrenzenden öffentlichen Rheinpark sah man die Parkbesucher das Gleiche machen wie die Amphi-Besucher: im Schatten sitzen und chillen.
Am Sonntag wurde die Main Stage von BEYOND OBSESSION eröffnet. Jedoch dauert es heute länger, bis sich das Amphi Festival mit Besuchern füllte. Optisch reduziert ging es auf der Theater Stage mit dem Live-Soundgewitter von XOTOX los, vor der Bühne tanzten sich die Fans wach. Der anschließende Wechsel zur Main Stage, um den Auftritt von TÜSN zu sehen, ging mit einem Licht- und Hitzeschock einher. Die sommerlichen Temperaturen ignorierend trat Der Schulz von UNZUCHT in Lederjacke und Mütze auf. Es folgte der sympathische Auftritt von SOLAR FAKE, wobei man Sven Friedrich am Vortag bei der After Show Party als DJ erleben hatte können.
Mit OST+FRONT auf der Theater Stage war dieses Jahr eine weitere Band beim Festival vertreten, die stark von RAMMSTEIN beeinflusst bzw. inspiriert wurde. Im Anschluss konnte der musikalische Kontrast nicht größer sein, denn die Steampunker/rocker COPPELIUS waren an der Reihe. In Sachen Show nehmen sich OST+FRONT und COPPELIUS wenig, da beide Bands auf ihre Art und Weise nicht kleckern, sondern klotzen. Straighter und mit neuer Show ging es auf der Main Stage unter großem Besucherandrang bei SUICIDE COMMANDO weiter. Kein Regen und kein Gott waren zu „God Is In The Rain“ in Sicht, dafür aber begeisterte Fans. Eine locker gefüllte Theater Stage ließ dagegen den Fans Platz, um mit dem Rotschopf von L’AME IMMORTELLE zu tanzen und bei „Bitterkeit“ zu leiden.
Die schwedische Band COVENANT verzeichnete einen regen Besucheransturm und überzeugte mit energievoller Show und deutschen Wortbrocken. Die Skandinavier hauten den Fans natürlich auch „Call The Ships To Port“ und „Bullet“ um die Ohren. Auch PROJECT PITCHFORK überzeugten wie gewohnt, feuerten „Time Killer“ raus und holten zu „The Dividing Line“ Sven von SOLAR FAKE mit auf die Bühne, während gleich mal drei Drummer am Start waren. Mit Verspätung und um einiges härter ging der Abend mit MOONSPELL in der Theater Stage weiter. Neben der portugiesischen Flagge im Publikum, sah man beim Amphi Festival viele französische und niederländisch sprechende Besucher. Die Überraschung im Line-Up 2016 waren die EDITORS als Headliner. Ob die Indierocker vom Publikum angenommen werden würden, denn neben großen Posen gibt es musikalisch eher ungewöhnliches Kino! „Mainstream“ für den schwarzen Underground? Das hat funktioniert! Das zu Beginn verhaltene Publikum war innerhalb kürzester Zeit von den EDITORS überzeugt, die Bühnenenergie schwappt auf das Publikum über und so wurde zu dem Indierock, der auch New Wave und Postpunk-Elemente enthält, gefeiert. Wer nun mit EDITORS so gar nichts anfangen konnte, der fand mit Sicherheit bei JOACHIM WITT seine musikalische Nische und ließ sich u.a. von „Die Flut“ hinfort tragen.
Oft hatte man die Qual der Wahl, welchen Künstler man den nun sehen möchte bzw. wollte, da es (zwangsläufig) zu Überschneidungen kam. Für das Festivaljahr 2017 fällt die Wahl aber mit Sicherheit wieder auf das Amphi – eine Institution der schwarzen Szene!
Copyright Fotos: Sandra Dürkop
Leider war das Angebot an veganen Speisen sehr spärlich und viel zu überteuert.
Das Beste war noch das Wassereis oder der Obstbecher.