Ort: Bochum - Jahrhunderthalle
Datum: 26.02.2009
Immer wenn ich mal auf den Autobahnen des Ruhrgebietes unterwegs bin, weiß ich wieder, was ich an der geringen Verkehrsdichte im Osnabrücker Land so schätze: Staus und zähfließender Verkehr sind Mangelware und man kommt zügig von A nach B. Auf den ersten 130 km war dies auch nicht anders, als ich an einem regnerischen Donnerstag Abend unterwegs zur Jahrhunderthalle in Bochum war. Dafür hätte ich die letzten paar Kilometer allerdings ganz bequem zu Fuß gehend schneller zurücklegen können, als dies in der Blechlawine möglich war, in der ich mich ausweglos befand. Aber was tut man nicht alles, wenn ein spannender Konzertabend mit gleich drei Bands lockt. Das dachten sich wohl noch etwa 3.500 weitere AMY MACDONALD-Fans, die genau wie die Terrorabordnung in Richtung der ausverkauften Jahrhunderthalle pilgerten. Die gerade einmal 21-jährige Sängerin und Gitarristin, die vor Kurzem erst als erfolgreichste Newcomerin mit dem Echo bedacht wurde, füllt Spielstädten dieser Größenordung nach dem durchschlagenden Erfolg ihres hochdekorierten 2007er Debütalbums „This Is The Life“ inzwischen problemlos und ein Blick durch die Reihen zeigte, dass ihre Singer-Songwriter-Mucke auch die Generationen verbindet.
Verbindendes Glied schien an diesem Abend zudem PAUL WELLER zu sein, mit dem die Autodidaktin im Herbst 2007 bereits auf Deutschlandtour war, denn als erstes fand STEVE CRACOCK bereits um 19.30 Uhr den Weg auf die Stage des altehrwürdigen Industriegemäuers. Der Herr mit der Akustikgitarre unterstützt neben seiner Tätigkeit bei OCEAN COLOUR SCENE üblicherweise den PAUL WELLER-Sound sowohl live als auch in konservierter Form und begleitet jetzt Amy auf Tour, nachdem er bereits für ihre aktuelle Single „Run“ einige Gitarrenparts beigesteuert hatte. Nebenbei hat der 39-jährige Brite jedoch auch noch eine Sololangrille herausgebracht, die auf den Namen „The Kundalini Target“ hört und von der er einige Stücke gemeinsam mit einer Dame am Mikro zu Gehör brachte. Ebenfalls mit auf der Bühne waren seine Kinder Sunny Elizabeth und Casius Earl, die sich an der Musik ihres Dads jedoch gar nicht störten und ihr eigenes Ding durchzogen. Mr. Cradock hatte offensichtlich seinen Spaß an den beiden im schätzungsweise Vorschulalter, die ihren alten Herrn entweder gar nicht wahrnahmen oder es gewohnt sind, dass zu Hause ausgiebig geflucht wird. Zumindest fiel in Bochum zwischen den ruhigen, getragenen Songs häufig das Wort „fucking“, was aber weiter niemanden störte. Im Gegensatz zum sonntäglichen Auftritt in Bremen kam seine Musik im Pott gut an und so gab es für Nummern wie „Running Away“ und „Beware of Falling Rocks“ mehr als nur freundlichen Applaus und wurde schon zu dieser recht frühen Stunde kräftig mitgesungen.
Nach einer kurzen Umbaupause von schlanken zehn Minuten ging es mit MOKE aus den Niederlanden um 20.10 Uhr weiter. Auch diese Kapelle war bereits mit PAUL WELLER unterwegs und der Modfather des Britpops zeigte sich nicht nur von den Frisuren und Anzügen des Fünfers angetan. Der Erstling „Shorland“ unserer westlichen Nachbarn ist bei uns erst Ende Januar erschienen, daheim begeistern die Britpopper jedoch schon seit vier Jahren und auch in der Jahrhunderthalle konnten sie mit ihrem „Gitarrengefrickel trifft auf Klaviergeklimper“-Style sicher neue Freunde gewinnen. Angetan in einheitlich schwarzen Hemden und Hosen und sehr angesagten Indie-Frisuren starteten sie mit „Terrible End“ und „Bygone“ eher ruhig, bevor es mit „Last Chance“ treibend zur Sache ging. Auch das schlagzeugdominierte „This Plan“ fand breite Zustimmung im Publikum, das zu „Here Comes The Summer“ in bester „Clap-Your-Hands“-Laune war. Die Nummer ging mit flottem Rhythmus und viel Synthie umgehend ins Bein und wer hätte sich angesichts des Nieselregens draußen nicht gewünscht, wenn wirklich endlich der Sommer oder doch wenigstens der Frühling käme? Mit der aktuellen Single „The Long Way“ folgte dann schon der letzte Titel der MOKE-Setlist. Diesmal ließ es das Quintett wieder etwas ruhiger angehen, ich persönlich hätte mir einen temporeicheren Abschluss der halben Stunde gewünscht, aber es gab ja noch genug Gelegenheit zum Tanzen…
Setlist MOKE
Terrible End
Bygone
Last Chance
This Plan
Here Comes The Summer
The Long Way
Erst einmal folgte nach 20 Minuten jedoch ein Dudelsack-Intro (Miss MacDonald ist wohl Schottin mit Leib und Seele), dann kam ihre Begleitband auf die Bühne und wenig später folgte auch schon die Hauptperson des Abends – wie immer die Akustikgitarre im Anschlag. Mit ihrem PETE DOHERTY gewidmeten „Poison Prince“ gewann sie sofort die Herzen ihrer Zuschauer, die umgehend mitklatschten und sangen. Derweil sorgte die vierköpfige Combo im Hintergrund für einen wirklich druckvollen Livesound und verstärkte Amys abwechslungsreiche Stimme an der einen oder anderen Stelle mit männlichen Vocals. Bevor das Auditorium fast schon andächtig dem etwas ruhigeren „Youth of Today“ lauschte, wurde es von Amy auf Deutsch begrüßt, die im Folgenden auch von der Echo-Verleihung berichtete, wo sie im Gespräch mit Bono feststellen durfte, dass auch der U2-Fronter ihre Lieblingskonzertstätte in Glasgow kennt und schätzt. Die Rede war natürlich vom „Barrowland Ballroom“, dem die hübsche Sängerin ein knackiges Liedchen gewidmet hat, für dessen Vortrag der Drummer seinen Platz hinter der Schießbude verließ und an einem Mini-Drumkit weiter vorn Platz nahm, um dort seinem Job nachzugehen. Bei „Footballer’s Wife“ zauberte der Herr an den Keys Streicherklänge, während im Hintergrund das schlicht schwarze Backdrop fiel und den Blick auf eine riesige weiße Leinwand frei gab, die fortan verschiedentlich illuminiert wurde. Neben Songs ihrer Langrille präsentierte Amy auch unveröffentlichtes Material und zwei Coversongs, wobei „Mr. Brightside“ von den KILLERS den Anfang machte. Zunächst performte sie ihre eindringliche Version nur akustisch, um schließlich kongenial von ihren Kollegen unterstützt zu werden. „A Wish For Something More“ wurde in einer neuen Fassung vorgetragen, die sich als nicht minder gelungen als die Albumausgabe erwies, dann folgte mit „Mr. Rock & Roll“ ein erstes Highlight der Show, zu dem sich die Leinwand in ein funkelndes Meer aus Tausenden von Lämpchen verwandelte. Die Stimmung hätte nicht besser sein können und natürlich gab es tosenden Applaus, der sich bei „The Next Big Thing“ in Stakkato-Klatschen verwandelte. Dass es beim anschließenden „This Is The Life“ kein Halten mehr gab, braucht wohl nicht näher erläutert werden, aber auch Unbekanntes hatte seinen Charme. Etwa das rhythmusbetonte „Road To Home“, bei dem der Tastenmann an die Drums wechselte, wohingegen der Schlagzeuger an einem speziellen Rhythmusinstrument hantierte. Die gerade erschienene Single „Run“ beendete dann fast hymnisch nach einer knappen Stunde das reguläre Set, aber noch waren ja nicht alle Stücke des Longplayers gespielt.
Zunächst gab es jedoch noch ein weiteres Cover. Allein mit ihrer Gitarre gab AMY MACDONALD BRUCE SRINGSTEENs „Dancing In The Dark“ zum Besten, wobei besonders ihre kraftvolle Stimme hervorragend zur Geltung kam. Leicht countryesk und mit viel Emotion schloss sich „Troubled Soul“ an, bei dem noch mal unzählige Lichter sternengleich glitzerten. Eruptiver Höhepunkt war schließlich „Let’s Start A Band“, bei dem nicht nur begeisterte Rufe und Pfiffe zu hören waren, sondern auch die Band zur Höchstform auflief. Entsprechend endete der Gig nach gerade mal 70 Minuten zwar etwas früh, aber ohne eine Sekunde Langeweile. Beim nächsten Mal hat die quirlige Kleine bestimmt noch mehr neue Tracks im Gepäck und dann bleiben wir alle etwas länger. Erfreulicherweise waren auf dem Rückweg die Straßen sogar so leer, dass ich mir die wunderbare „This Is The Life“ nicht einmal zweimal ganz anhören konnte…
Setlist AMY MACDONALD
Poison Prince
L.A.
Youth of Today
Barrowland Ballroom
Footballer’s Wife
Mr. Brightside (THE KILLERS Cover)
A Wish For Something More
Mr. Rock & Roll
The Next Big Thing
This Is The Life
Road To Home
Run
Dancing In The Dark (BRUCE SPRINGSTEEN Cover)
Troubled Soul
Let’s Start A Band
Copyright Fotos: Jörg Rambow
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