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ANAJO – ULME

Ort: Bielefeld - Forum

Datum: 07.04.2007

Was für eine Karwoche! Nach der LETZTEN INSTANZ und COMBICHRIST jetzt noch ANAJO und ULME – wahrlich eine ähnlich bunte Mischung, wie ein gut sortiertes Ostersortiment fürs heimische Osternest.. ANAJO sind spätestens seit ihrem Auftritt bei Stefan Raabs Bundesvision Songcontest einem breiteren Publikum ein Begriff, wohingegen sich ULME in den letzten Jahren nach einer bandinternen Prügelei 1999 eher rar gemacht haben. Bis man 2005 doch wieder zusammenfand, im letzten Jahr eine EP („The Glowing“) entstand und jetzt die VÖ des Longplayers „Dreams of The Earth“ für den Juni geplant ist.

So durften die Hamburger ULME etwas verspätet um 22 Uhr vor etwa 100 Zuschauern auch den Abend eröffnen. Jan-Eric Heesch bearbeitete schon mal vortrefflich die Felle, während sein Bruder Arne die Gitarre stimmte und sich auch Tim Liedtke (ex-SISSIES) vom ordnungsgemäßen Zustand seines Basses überzeugte. „Aorta“ war der erste Song, den das Trio zum Besten gab, ebenso wie „Under The Tree“ von der „Green Growling Soul“, auf deren Release-Party es seinerzeit zu besagtem Eklat kam. Egal, man hat sich wieder lieb, auch mit dem dritten Bruder Gunnar, der aufgrund persönlicher Verpflichtungen nicht mehr mit dabei ist und für den Tim gekommen ist, versteht man sich wieder gut. Tim verstand es auch hervorragend, die älteren Songs überzeugend in Szene zu setzen und ließ sich dabei durch nichts aus der Ruhe bringen. Während energisch die Saiten gezupft und dazu auch reichlich gepost wurde, entglitten doch niemals seine stoischen Gesichtszüge. Arnes stimmgewaltiger Gesang und exzellentes Gitarrenspiel taten ein Übriges, die kraftvollen Stoner- und Noise-Rock-Stücke wirken zu lassen. Ganz unbekannt waren ULME dem Bielefelder Publikum auch nicht. Zwar waren die meisten in einem Alter, in dem sie vermutlich vor acht Jahren noch nicht so oft auf Konzerten waren, aber den Hinweis, man sei vor einigen Jahren ja schon mal in der Puddingpulver-Hauptstadt gewesen, konnte zumindest ein Zuschauer bestätigen. Die Songs ermunterten auch durchaus einige Ausdruckstänzer zum eifrigen Mitmachen und auch sonst kamen die Nordlichter mit ihrem deutlich härteren Sound als der von ANAJO gut an. Natürlich hatten die Jungs auch was von der neuen Platte dabei: „Trapped In The Absurd“ ging ordentlich ab und rockte noch mehr als die Vorgänger. Neben heftigem Gebretter ist den Songs jedoch auch was fragiles, psychedelisches inne, sehr vielschichtig und hörenswert.. Nach 45 Minuten und einem schönen Querschnitt durch die ULME-Discographie, verabschiedeten sich die Herrschaften, wurden aber unter lauten Zugaberufen zurückgeholt, um noch eine Dreingabe zu spielen.

Inzwischen hatten noch einige Leute mehr den Weg ins Forum gefunden, das inzwischen gut gefüllt war. So konnten der nächste Dreier zur Titelmelodie des „A-Teams“ die Bühne entern und beweisen, dass man mit der gleichen Aufstellung gänzlich andere Musik machen kann. Entsprechend ging es mit „Hallo, wer kennt hier eigentlich wen?“ auch gutgelaunt los und die Mädels in den ersten drei Reihen schwangen ebenso gutgelaunt das Tanzbein. Offensichtlich waren die Augsburger dem Indie-Publikum ein Begriff, denn bereits „Spätsommersonne“ wurde lauthals mitgesungen. Die Jungs scheinen eine gewisse Affinität zu Fernsehserien zu haben, so widmeten sie ihr „Ich hol Dich hier raus“ dem „besten deutschen Fernsehdetektiv Josef Matula“ („Ein Fall für Zwei“) inklusive eingebauter Titelmelodie, die von Bassist Michael Schmidt an den Keys vorgetragen wurde. Im Anschluss offenbarte Sänger und Gitarrist Oliver Gottwald seine geographische Zerrissenheit als Augsburger, die weder Bayern noch Schwaben seien und vermutete bei den Ostwestfalen ähnliches, da der Begriff als solcher bereits ein Widerspruch in sich sei. Außerdem fragte er sich, ob es denn auch Westwestfalen gäbe und hat damit bei den Anwesenden eine Problematik enthüllt, derer sie sich noch gar nicht bewusst waren. Weniger kompliziert war dann glücklicherweise das Mitmach-Spiel, das Michi einläutete. Willig rissen die meisten Anwesenden die Arme hoch und bewegten sie zu den Gute-Laune-Indie-Rock-Pop-Songs des sympathischen Trios. Während Drummer Ingolf Nössner sich dezent im Hintergrund hielt, plauderten Oli und Michi über allerlei Dinge wie die Pollenallergie des Erst- und den Achselschweiß des Letztgenannten. Wahrscheinlich das Ergebnis der Zusammenarbeit mit Suzie Kerstgens von KLEE, die für ihre konfusen Geschichten ja hinlänglich bekannt ist und mit der ANAJO den Contest-Song „Wenn Du nur wüsstest“ eingespielt haben. Natürlich durfte das Stück nicht fehlen und wurde ebenso abgefeiert wie „Monika Tanzband“ (für die Band überraschend erfolgten die ersten „Monika“-Rufe erst mit Ankündigung des Titels, geht auf anderen Konzerten wohl eher los, scheint ähnliche Qualitäten zu haben wie die „Helga“-Rufe“ auf Festival-Zeltplätzen). Nach langer Zeit trauten die Truppe sich auch mal wieder an ein Cover; die Wahl fiel auf „Boys Don’t Cry“ von THE CURE, hier in einer deutschen Fassung vorgetragen. Eine Dame aus dem Publikum hoffte auf weitere Cover-Versionen und schreckte nicht davor zurück, sich ABBA zu wünschen. Das wurde jedoch abschlägig beschieden, ebenso wie man einen Zuspätgekommenen enttäuschen musste, der noch auf allerhand Lieder wartete, die natürlich alle schon gelaufen waren. Selbst schuld, man kann nun wirklich nicht behaupten, dass es zu früh losgegangen sei. Stattdessen neigte sich das Konzert langsam seinem Ende zu, immerhin war es auch schon nach Mitternacht als „Hommage“ ein wenig Feuerzeug-Atomsphäre in das Forum brachte. Nach einer guten Stunde regulärer Spielzeit wollte man aber auch diese jungen Herren nicht gehen lassen, die zum Abschluss auch noch mit „Zähm den wilden Tiger in mir“ einen drauflegten, bevor zur Konservenmusik weitergetanzt werden konnte.

Dem Konzept der Visions-Party folgend, waren mal wieder zwei völlig unterschiedliche Bands am Start, die jedoch auf ihre Weise und mit ihrem jeweiligen Stil beide voll überzeugen konnten. Das Ganze zu moderaten Preise, was willst Du mehr, Indie-Herz?

Setlist ULME
Aorta
Under The Tree
Undergrounded Beauties
Trapped In The Absurd
The Glowing
Harvest Man

Coagulation In The Morning

Setlist ANAJO
Hallo, wer kennt hier eigentlich wen?
Honigmelone
Gleis 7, 16 Uhr 10
Spätsommersonne
Ich hol Dich hier raus
Die Sonne über Hauptstädten
Mein erstes richtiges Liebeslied
Streuner
Mein lieber Herr Gesangsverein
Wenn Du nur wüsstest
Villa am Strand
Monika Tanzband
Jungen weinen nicht (CURE-Cover „Boys Don’t Cry)
Vorhang auf
Hommage

Zähme den wilde Tiger in mir

Copyright Fotos: Karsten Thurau

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