Ort: Bochum - Matrix
Datum: 24.01.2004
Nur einen Tag nach den HARDCORE SUPERSTARS stand schon das nächste Konzertevent vor der Tür und auf dieses habe ich mich ganz besonders gefreut. ANATHEMA veröffentlichen seit Jahren entweder sehr gute Alben oder herausragende und live können sie ebenfalls mit einer ganz besonderen Intensität glänzen. So war es zumindest in der Vergangenheit. Am Nachmittag stand die Reise nach Bochum noch auf der Kippe, als der große Schneefall einsetzte, aber zum Glück blieb dieser a) nicht liegen und b) überfror nicht. So machten wir uns dann gegen 18 30 Uhr auf den Weg zur Matrix, die ich bis dato nur für einige Metal-Börsen frequentiert hatte. Kurz vor 20 Uhr betraten wir den verschlungenen Laden und es wurde sofort klar, dass nicht nur wir auf die Engländer gewartet haben…
Vorher galt es allerdings noch eine Vorband zu überstehen und „überstehen“ ist hier wirklich das richtige Wort. Wer je geglaubt hat, eine Mischung aus MAIDEN und MELOTRON müsste sich gruselig anhören, dem sei gesagt: Sie HÖRT sich gruselig an! BURIED TIME aus Bochum spielen eine Art Gothic Metal mit Elektro-Elementen, so weit so gut. Doch was dabei ein klassischer Metal Shouter mit „Vibrator“ in der Stimme zu suchen hat, blieb mir und meiner Begleitung schleierhaft. Sorry Jungs, die Musik zeigt ordentliche Ansätze und der mehrfach gepiercte Alex Thelen beherrscht seine Stimmrichtung ebenso, nur ZUSAMMEN passt das überhaupt nicht. So quälten sich die Anwesenden durch die ca. 10 Stücke, wobei einige Leute ordentlichen Beifall spendierten und nicht den Weg Richtung Theke suchten, also bin ich möglicherweise nicht repräsentativ mit meiner Meinung. Jedenfalls kann man sich die dargebotenen Stücke wie „Eta Carinae“ von der Homepage herunterladen (Zitat: „Buried minus Time.de“). Für mich bedeutete der Bandname übersetzt „verschwendete Zeit“ und ich kann ANATHEMA nur empfehlen, beim nächsten mal einen „richtigen“ Support zu engagieren. Immerhin hatte Herr Thelen eine sehr hübsche Freundin vorzuweisen, mit der er den Hauptact gebannt vom Mischpult verfolgte.
Bereits 1993 in Hardenberg (Holland) beim Klepperrock Festival hatte ich meine erste livehaftige Begegnung mit den emotionalen Engländern, damals schroteten sie als eine der ersten Bands noch so vor sich hin. Und was ist nicht alles in den letzten 10 Jahren geschehen? Mittlerweile sind sie Publikums- und Kritikerlieblinge, die mit ihren zerbrechlich-melancholischen Gitarrenwänden immer wieder für Begeisterung sorgen. Und das durch alle Schichten: Gothics waren anwesend, Metaller auch, aber ebenso eine Menge „normaler“ Leute im Pulli. Sogar eine über 60jährige hatte sich direkt am Bühnenrand postiert, die Cavanagh-Brüder vereinen somit Generationen mit ihrer Musik! Anlass für die Tour war die superbe „A natural disaster“-CD, auf der man es wieder etwas härter zugehen lässt, härter im Bandkontext natürlich. Zudem hat man Jamie, den dritten Bruder wieder mit an Bord, der den Bass bedient und ANATHEMA praktisch rettete, als man kurz vor der Auflösung stand.
Nach einem langen hypnotischen Intro folgten dann gleich die beiden ersten Stücke der neuen Scheibe „Harmonium“ und „Balance“, die von der Meute gut abgefeiert wurden. Es sollten weitere Songs dieser Veröffentlichung folgen, vor allem das von mir geliebte „Pulled under at…“, der mit Abstand härteste neue Track. Ansonsten spielte sich das Quintett durch eine Art Best of der letzten 4 Alben, das von mir erhoffte „Sleepless“ gehörte leider nicht zum Set. Aber egal, was die drei Brüder plus John Douglas am Schlagzeug und Les Smith an den Keys (die beide deutlich im Hintergrund agieren) wieder an intensivem Zusammenspiel boten, wird nur von wenigen anderen Acts der Szene erreicht. Mit dem lausbübischen Charme von Musikstudenten erwecken sie unglaubliche Emotionen zum Leben, sie werden praktisch eins mit ihren Instrumenten, egal ob elektrisch oder auch mal akustisch. „Release“, „Forgotten Hopes“ inklusive dem wunderbaren Übergang zu „Destiny is dead“ oder „One last goodbye“ waren weitere Höhepunkte und der Fan erkennt sofort, dass ein Schwerpunkt auf der „Judgement“-Scheibe lag. Nach einer Weile bekam man dann noch Verstärkung durch die reizende Sängerin Lee Douglas (die Schwester vom Drummer), welche mit einer putzigen Zahnlücke und erstklassigem Gesang bestach. „Parisienne Moonlight“ war einer ihrer drei Songs, und der wunderbare Titelsong der aktuellen CD ein zweiter, der kam aber erst als Zugabe. Vorher alberte man noch ein wenig herum, versuchte sich an der deutschen Sprache („Arschloch“, „Jawoll“) und parodierte METALLICA. Wichtiger ist die Information, dass man in Polen eine Live DVD mitschneiden wird, die nach den Festivals im Sommer erscheinen wird. Vincent wurde nicht müde, die deutschen Fans zu loben, von denen etwa 600/ 700 anwesend waren, womit die Briten offensichtlich nicht gerechnet hatten. Und so gab es dann schließlich 2 Zugaben, einmal das bereits erwähnte „A natural disaster“ und dann das frenetisch mitgesungene „Fragile Dreams“. Doch das Publikum forderte die Briten unnachgiebig noch einmal auf die Bühne, wo dann ein wenig improvisiert wurde und der Abend mit einem spontanen Jam abgerundet wurde. Spielzeit insgesamt 105 Minuten, da kann man wirklich nicht meckern.
Mit einer emotional aufgewühlten Kollegin begab ich mich an die Bar, wo 2 unfassbar schlanke (und halbnackte) Bardamen leckere Cocktails mixten, dazu Michael Jackson im Hintergrund, na ja, das war halt der Abend der Pop-Größen… Und da die Rückfahrt auch weitestgehend regen- und schneefrei blieb, war es insgesamt ein perfekter Abend, von der Vorgruppe mal abgesehen. ANATHEMA zelebrieren Musik, wie es eine ganze Horde geldgeiler Möchtegern-Superstars im ganzen Leben nie schaffen wird, leider wissen dies immer noch zuwenig Menschen…
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