Ort: Osnabrück - Hyde Park
Datum: 30.04.2004
Nach endlosen 75 Minuten Fahrt – bei einer Strecke von 60 km (!) und hohem Verkehrsaufkommen – stehe ich endlich vor dem Hyde Park. Es ist 19.55 Uhr. In 5 min soll das Konzert beginnen und gähnende Leere auf dem Parkplatz. Drinnen sieht es demzufolge auch nicht besser aus. Man sagte mir aber, das knapp 100 Karten im Vorverkauf gelöst wurden. Die 100 waren aber noch längst nicht hier, also wurde der Gig kurzerhand um eine runde halbe Stunde nach hinten verschoben. Nach und nach fanden sich dann doch noch an die 150 Personen ein. Ich stelle fest, dass das Publikum sehr gemischt und der Altersunterschied recht groß ist. ANNE CLARK erreicht jetzt doch ein weitgefächerteres Publikum als noch vor einem Jahrzehnt.
Jemand im Publikum ruft unaufhörlich peinlich „Anniiii“ und gegen 20.30 Uhr erklingen die ersten Pianotakte vom Instrumentalstück „Silent Forces“ mit Murat Parlak an den Keybords. Das sollte aber der einzige synthetische Klangeerzeuger bleiben. Nach dem Intro kommen Jann (Cello), Niko (Percussion), Jeff (Gitarre) und ANNE CLARK auf die Bühne. Was folgt ist ein akustischer Set aus überwiegend ruhigeren Stücken wie „The Sitting Room“ von ihrem ersten gleichnamigen Album über „To Music“ und „Autumn Day“ vom Longplayer „Just After Sunset“. Zum allgemeinen Erstaunen wird das Techno Stück „The Hardest Heart“, das Anne zusammen mit BLANK & JONES aufgenommen hat, gespielt. Nur reduziert mit den vier unterschiedlichen Instrumenten und Annes prägnantem Sprechgesang gewinnt der Song an Tiefe und wirkt unglaublich warm. Ab diesem Titel geht ein Ruck durch das Publikum und es wird mitgetanzt. Es folgen „Now!“ und der Titel, der ANNE zur Kultfigur machte, „Sleeper in Metropolis“.
Anne, Niko und Jeff verlassen die Bühne. Murat und Jann spielen das Instrumentalstück „Journey by Night“ vom unvergessenen Charlie Morgan. Dieser Titel ist meiner Meinung nach eines der schönsten, zeitlosesten Instrumentals, das je geschrieben wurde. Auch die Umsetzung des Songs nur mit Piano und Cello jagen einem Schauer über den Rücken. Jetzt überlässt Jann die Stage Murat. Mit einer Art Freejazz, Grimassen und übertriebenen Tastenanschlägen auf seinem Piano begeistert er die Leute. Er gibt die Bühne wieder frei für Jeff und Niko, die ein Stück von ihrem Soloprojekt FLOATING STONE zum Besten geben. Mittlerweile wieder vollzählig, eröffnet „This be the Verse“ das Finale, welches mit „Our Darkness“ seinen Höhepunkt erreicht.
Die Zugabe läßt nicht lange auf sich warten und mit „The Panter“ und „Abuse“ verabschiedet man sich ein zweites Mal. Das reicht dem Publikum nicht, also kehren ANNE und ihre Band noch einmal zurück, um die Fans mit „I of the Storm“ in die laue Aprilnacht zu entlassen.
Das war wieder ein Konzert der Extraklasse. Leider war der Hyde Park nur spärlich besucht. Einen Tag vorher spielte man in Bonn immerhin vor 400 Leuten. Es fällt auf, wie gut die Band zusammen spielt und dabei jede Menge Spaß hat, was sich auch schnell auf das Publikum überträgt. Es ist auch ein wenig skurril anzuschauen, wie Murat in die Tasten haut, Niko auf und mit unterschiedlichen Materialien, abgesehen von den Drums, Klänge erzeugt und Jeff mit seiner Gitarre über die Bühne fetzt. Der ruhige Gegenpol dazu ist Jann. Mit geschlossenen Augen zupft und streicht er mit dem Bogen über sein Cello. ANNE hingegen trägt ihre Lyrik in gewohnter Manier mal sitzend mal stehend vor. Auf einem Notenständer vor ihr liegen zur Sicherheit ihre Texte. Nachzuvollziehen bei der Masse an Lyrics nach mehr als 20 Jahren Musiklaufbahn, unzähligen Alben und Projekten. Nach dem Konzert berichtet mir ANNE, das dies die beste Band für sie sei. Auf der Bühne ist sie zwar die Frontfrau, aber sie überlässt den einzelnen Mitgliedern genug Freiraum, um ihre Projekte zu Gehör zu bringen. Murat Parlak hat mit „Metamorphosen“ zum Beispiel ein eigenkomponiertes „modernes“ klassisches Album auf den Markt gebracht. FLOATING STONE kann man als deutsch-amerikanische Zusammenarbeit sehen. Jeff Aug (USA) und Niko Lai (D) haben mit „Segue“ ein Doppelalbum veröffentlicht, das ich unter Jazz einordnen würde. Unüberhörbar sind die Einflüsse, die sie bei der Akustik-Tour mit ANNE CLARK einbringen.
Wer den Augen- und Ohrenschmaus dieses Konzertes verpasst hat, sollte auf das Live Album „From The Heart-Live in Bratislava“ zurückgreifen, welches genau dieses Feeling rüberbringt. Hinweisen möchte ich noch auf das Reunionkonzert von ANNE CLARK und DAVID HARROW beim WGT in Leipzig, welches hoffentlich nicht der einzige Gig bleiben soll. Eine kleine Tour durchs Land wäre toll.
Setlist:
SILENT FORCES
THE SITTING ROOM
TO MUSIC
IF I COULD
ELEGY FOR A LOST SUMMER
AUTUMN DAY
SHELL SONG
ECHOES REMAIN FOREVER
MUNDESLEY BEACH
DREAM MADE REAL
THE HARDEST HEART
NOW!
PRAYER BEFORE BIRTH
SLEEPER IN METROPOLIS
JOURNEY BY NIGHT
MURAT SOLO
FLOATING STONE
SPINNING, TURNING OF THE SUMMER EARTH
THIS BE THE VERSE
THE HEALING
NIGHTSHIP
NIDA
OUR DARKNESS
THE PANTHER
ABUSE
I OF THE STORM
FOTOS BY JÖRG RAMBOW
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