Ort: Bielefeld - Rudolf Oetker Halle
Datum: 19.01.2008
Seit ihrem dahin gesäuselten „Spiel“ ist ANNETT LOUISAN aus der deutschen Poplandschaft nicht mehr wegzudenken und entgegen aller Unkenrufe beweist sie nun bereits seit 3 Alben musikalische Tiefe und Beständigkeit. Grund genug, der Dame bei ihrem ersten Bielefeld-Auftritt einmal über ihre zarten Schultern zu schauen, wenngleich ihr Chanson Pop zugegebenermaßen am äußersten Rand des Terrorspektrums anzusiedeln ist. Das Gros des Publikums war dann auch eher älter, wohl angezogen und distinguiert, eben ganz dem feierlichen Rahmen des Austragungsorts verpflichtet. Die Rudolf-Oetker-Halle wurde am 31.10.1930 eingeweiht und man kommt nicht umhin, dem Bauwerk einen gewissen Hang zu Pathos und Opulenz zuzugestehen, passend zum Stilbewusstsein der damaligen Zeit. Die vorhandenen 1561 Sitzplätze im Großen Saal waren mit Mann und Maus ausverkauft und so fieberte dann die Zuhörerschaft dem Konzertbeginn um 20 Uhr entgegen.
Zwar war für die Tour ein Special Guest verpflichtet worden, doch im Gegensatz zu sonstigen Konzerten gab es nicht das übliche „Support – Pause – Hauptact“-Spiel. Pünktlich um 8 nahmen 6 Musiker ihre Plätze hinter den Instrumenten ein, die da waren: 2 mal Gitarre (elektrisch/ akustisch), Kontrabass, Schlagzeug, Orgel/ Flügel sowie Friedrich Paravicini am Wurlitzer Piano, der aber später noch anderweitig in Erscheinung treten sollte. Mit dem namensgebenden Titel von der Tour Edition des aktuellen Werks „Das optimale Leben“ trat dann die bekanntermaßen nicht besonders groß gewachsene Dame vor das Auditorium, ganz unprätentiös in schwarz gewandet, ein schöner Kontrast zu ihren langen blonden Haaren. Zwar war ihr eine gewisse Nervosität nicht abzusprechen, doch sobald sie mit ihrer Darbietung begann, lauschte man nur noch ihrer sinnlich-sensiblen Stimme. Beim folgenden „Kleine Zwischenfälle“ wurde erstmals ein Cello direkt am Bühnenrand verwendet, die Stimmung in den Reihen verblieb zunächst einmal etwas abwartend-andächtig. Das sollte sich im Verlauf der Darbietung aber noch gehörig ändern, der gemeine Ostwestfale braucht halt etwas Anlaufzeit. Mit „Chancenlos“ und einer Erinnerung an die eigene (unbeschwerte?) Jugend kam zum ersten Mal ein Song von der Vorgängerscheibe „Unausgesprochen“ zum Zuge, hierzu begab sich Annett unter die Zuschauer, lustwandelte einmal bis zum Ende der Halle und knackte damit sicher so manches Herz. Immer wieder ließen die Kompositionen Luft für kleine Solos der beteiligten Musiker, die offensichtlich zu den Guten ihrer Branche zählen. Frau Louisan überließ ihren Kollegen in diesen Momenten auch ganz die große Bühne, himmelte sie fast an, als wäre sie ihr eigener Fan. Nach einigen eher beschwingten Stücken wurde es dann für einen Moment sehr intim und gefühlvoll, als (lediglich von Cello und Piano begleitet) das Ende vom Dezember beschworen wurde, welches den Verlust eines geliebten Menschen thematisiert. Dazu projizierte man auf die ovale Leinwand im Hintergrund Bilder von Schneelandschaften, womit das Gefühl der Beklemmung noch gesteigert wurde. Doch so melancholisch konnte der erste Teil nicht abgeschlossen werden, von daher beendete nach „Die sein“ (quasi „Eve“ Teil 2) die flotte „Zirkusnummer“ „Die ehrliche Haut“ die vielumjubelte erste Stunde. Besonderes Highlight hierbei die Verwendung eines Theremins, also einer Art Schwingungs-Instrument, für das wiederum Herr Paravicini verantwortlich zeichnete.
Nachdem die kurze Unterbrechung insbesondere von der Damenwelt für einige Lungenzüge (natürlich draußen!) genutzt worden war, ging es dann kurze Zeit später mit dem „Rosenkrieg“ weiter, dies wurde von einem Podium im hinteren Bereich der Konzertstätte intoniert. Natürlich wurde die überaus niedliche Frontdame dann auch mit einem besonders schönen Strauß dieser Blumenart beglückt, wonach es auf der Hauptbühne weiter ging. Und kurze Zeit später trat dann auch der bereits angekündigte Support in Erscheinung, von A.L. mit besonders lobenden Worten angesagt. MARTIN GALLOP war derjenige welcher, der im folgenden 3 eigene Kompositionen zum besten geben durfte. Der 1962 geborene Herr stammt ursprünglich aus Kanada, lebt aber bereits seit vielen Jahren in Deutschland und scheint vor allem mit der hiesigen Damenwelt einige interessante Begegnungen gehabt zu haben. So thematisieren die englischsprachigen Stücke überwiegend Deutsche Liebschaften, wie eben „Dear Doreen“ (einer Lady aus Ostdeutschland gewidmet, kein Wunder bei dem Namen) oder „All the Pop Songs in the World“, wo gegen Ende das Haupt Mikro seinen Geist aufgab. Diese Songs entstammen im Übrigen Martins 2tem Album „Strange Place called Home“, 2007 bei der EMI erschienen. Als besondere Überraschung wurde das dritte Stück „More than you should know“ dann als Duett mit Annett präsentiert, beide mussten aufgrund des fehlenden Mikros eng aneinander rücken, woraufhin die ungefähr halb so groß wirkende Widderfrau ihrem charmanten Partner Vorsatz unterstellte. Der unterhielt wirklich gefällig, mit Stimme und Ansagen, die locker-flockig und charmant rüberkamen. Alsdann räumte er wieder das Feld und die blonde „Pop-Elfe“ (über diese Bezeichnung machte sie sich selbst lustig) verlängerte den 2ten Hauptteil noch einmal um 5 Lieder. Dabei gab „Das alles wär nie passiert“ die Gelegenheit, ihre Instrumental-Mannschaft ausführlich im einzelnen vorzustellen. „Das Liebeslied“ vom vielbeachteten Debüt „Bohème“ sorgte dann für einen gewaltigen Schlussapplaus und jedem war klar, dass dies hier noch nicht das Ende der Fahnenstange gewesen sein konnte.
Es fehlte ja auch noch DER große Hit, den ANNETT LOUISAN dann als erste Zugabe anstimmte, immer noch sehr gerne, wie sie betonte („Das Spiel“). Die ebenfalls sehr bekannte „Eve“ animierte dann sogar einige mittlerweile an den Seiten stehende Besucher zu ersten Tanzschritten. Für die nächste Verlängerung nach langanhaltenden Ovationen standen „Die Dinge“ auf der Setlist und die Menschen kamen der Aufforderung, doch einfach stehen zu bleiben und sich zu bewegen, gerne nach. Überraschenderweise war danach immer noch nicht das Finale erreicht, man wollte die 30-Jährige einfach nicht entlassen, die versprach, definitiv nach Bielefeld zurückzukehren. Die launige Abrechnung mit dem Ex namens „Torsten Schmidt“ beendete dann unser Engagement in der Rudolf-Oetker-Halle mit der Gewissheit, hier einer Vollblutmusikerin gelauscht zu haben, die ohne Probleme mit ihrer Präsenz und natürlich den geeigneten Mitstreitern, einen ganzen Abend perfekt unterhalten konnte. Oder wie es meine Kollegin ausdrückte: Man würde das Mädel am liebsten einfach mit nach Hause nehmen und den ganzen Abend anschauen, so knuffig und liebreizend ist ihre Ausstrahlung…
Setlist ANNETT LOUISAN
Das optimale Leben
Kleine Zwischenfälle
Die Wahrheit
Was haben wir gesucht
Chancenlos
Er
Die Katze
Daddy
Ende Dezember
Unbekümmert
Die sein
Die ehrliche Haut
Rosenkrieg
Ich …be dich
Die Lüge
Fettnäpfchenwetthüpfen
MARTIN GALLOP: Dear Doreen
MARTIN GALLOP: All the Pop Songs in the World
MARTIN GALLOP/ ANNETT LOUISAN: More than you should know
Der Blender
Wenn man sich nicht mehr liebt
Dings
Das alles wär nie passiert
Das Liebeslied
Das Spiel
Eve
Die Dinge
Torsten Schmidt
Copyright Fotos: Karsten Thurau
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