Ort: Lüdinghausen - Fluglatz Borkenberge
Datum: 24.08.2007
Die Macher vom AREA 4 scheinen einen guten Draht zum Wettergott zu haben, denn nach einem unglaublich miesen, kalten und regnerischen August empfing uns an diesem Freitag doch tatsächlich die Sonne! Schon mal die besten Voraussetzungen für drei Tage Open-Air-Vergnügen auf dem Flugplatz Borkenberge im Städtedreieck Haltern-Dülmen-Lüdinghausen. Angesichts der sehr einsamen aber nahezu perfekten Lage des Festivalortes dürften auch Anwohnerbeschwerden ob der Lautstärke keine Probleme gemacht haben, mal abgesehen davon, dass auch organisatorisch alles bestens für einen Besucheransturm vorbereitet war. Der blieb zwar aus, aber rund 10.000 Musikbegeisterte dürften es schon gewesen sein, die bei der zweiten Auflage des AREA 4 seit der Ein-Tag-Festival-Premiere 2005 in Oberhausen dabei waren. Am Freitag übrigens auffällig viel Jungvolk, was auch daran gelegen haben mag, dass die Bands bereits um 14.15 Uhr zu spielen begannen. Zu diesem Zeitpunkt konnten es die Schüler knapp schaffen (vorausgesetzt sie schwänzten die letzten Stunden), die arbeitende Bevölkerung musste sich jedoch überlegen, ob noch ein Urlaubstag drin saß.
Wir waren natürlich pünktlich vor Ort und durften der Festivaleröffnung von LEO CAN DIVE aus Duisburg beiwohnen. Der Vierer bringt im September seine erste Langrille raus und hatte sichtlich Spaß an seiner Aufgabe, dem noch spärlich vertretenen Publikum einzuheizen. Mit „No Happy“ ging es auch gleich gut zur Sache, die Alternative Rocker verstanden es durchaus, die Leute in ihren Bann zu ziehen, wozu auch die eingängige und sehr rhythmische Singleauskopplung „Amazing“ beitrug. Hier und dort wurde bereits getanzt, dank Songs wie das schlagzeugbetonte „Lonely Plan“ oder das krachende „Bored“ auch absolut kein Problem. Zum Schluss gab es mit „You’re Stereo (Good Things Come To An End)“ noch mal knackige Bassläufe, zweifelsohne ein guter Start in ein musikalisches Wochenende.
Aus dem fernen Neuseeland stammte das Quartett namens THE DATSUNS, welches als nächstes die Bühne zum Beben bringen sollte. Bereits seit mehr als zehn Jahren rocken die vier schmächtigen Herren namens Dolf, Phil, Matt und Christian, was das Zeug hält und auch im beschaulichen Borkenberge knallten Songs wie „Such A Pretty Curse“, „Who Are You Stamping For“ (vom aktuellen „Smoke & Mirrors“), „Girl’s Best Friend“, „Cherry Lane“ (2004 auf Outta Sight/ Outta Mind erschienen) oder auch „Motherfucker From Hell“ vom 2002er Debüt wie der Teufel. Zur besten Kaffeezeit gab es hier alles andere als ein Kaffeekränzchen mit Sahnetorte, sondern staubtrockenen Rock ’N’ Roll in bester Seventies-Manier. Nach fetten Gitarrenriffs, Schlagzeuggewittern und wildem Gekreische war auf jeden Fall schon mal die richtige Betriebstemperatur erreicht und es wurde Zeit, erste Flüssigkeitsverluste, die nicht zuletzt auch durch die erstaunlich intensive Sonneneinstrahlung entstanden waren, auszugleichen.
Die nun folgenden DONOTS dürften am heutigen Freitag den kürzesten Anreiseweg gehabt haben. Ibbenbüren oder wie es bei den DONOTS heißt „Ibbtown Rockcity“ liegt ja nur einen Steinwurf entfernt, so dass die Pop-Punker entspannt und ohne Anreisestress, wie ihn z.B. MANDO DIAO am Sonntag erlebten, zum JOHNNY CASH-Intro „Solitary Man“ die Stage betreten konnten, die ein großes DONOTS-Backdrop zierte. Mit „We Got The Noise“ vom gleichnamigen 2004er Album ging’s gleich ordentlich zur Sache, so dass sich auch umgehend ein Cirlce Pit vor der Bühne bildete. Die Jungs spielten sich einmal durch ihre größten Hits, da durften „Today“, „Saccharine Smile“, „Room With A View (Give Me Shelter…)“ (aus dem Soundtrack zum Horrorfilm „Swimming Pool“), „Whatever Happened To The 80s“ (inkl. KIM WILDEs „Kids in America“-Einlage“ von Bassist Jan-Dirk Poggemann) und natürlich „We’re Not Gonna Take It“ nicht fehlen. Sänger Ingo Knollmann ließ sich beim letztgenannten Song vom Publikum tragen und sang quasi über den Zuschauern stehend die DONOTS-Hymne, bevor der energiegeladene Gig der Ibbenbürener nach 40 Minuten schon wieder ein Ende fand. In dieser kurzen Zeit wurde jedoch sowohl auf als auch vor der Bühne ausgelassen gefeiert und sich bewegt. Zudem testete Ingo alberne Kopfbedeckungen seiner Fans und lieh sich eine „Igelmütze“ bestehend aus einer Strickmütze mit unzähligen schwarzen Strohhalmen und eine samtene mehrfarbige Königskappe aus, die ihn natürlich beide hervorragend kleideten. Aber auch einen neues Stück namens „This Is Not A Trip“ hatten die Westfalen mitsamt fettem Gitarrensolo im Gepäck.
Nach so viel Guter-Laune-Mucke sollte uns jetzt die böse Seite des Freitags erwarten. Auf dem Billing standen SOULFLY, deren Fronter Max Cavalera ehemals Mastermind der legendären SEPULTURA war und nach Streitigkeiten diese Combo 1997 verlassen hat, um mit SOULFLY weiterzumachen. Die Brasilienflagge auf der Bühne machte bereits deutlich, welche Nationalität Herr Cavalera hat, außerdem fanden sich diverse Tarnnetze und eine Art grüner Zottel-Schrumpfkopf, der am Mikro befestigt war, auf der Stage, die in wabernden Nebel lag, als Max mit Kapelle zum Intro aus der Konserve und einer tarnfarbenen Gitarre seine Wirkungsstätte betrat und gleich amtlich losbretterte. Inzwischen war es vor der Bühne auch gut gefüllt, die letzten Neuankömmlinge hatten wohl inzwischen Feierabend, so dass zu „Seek’N’Strike“ von der 2002er-Langrille „3“ ordentlich Bewegung in die zahlreichen Anwesenden kam. Neben den SOULFLY-Songs, die neben klassischen Metal-Elementen auch durch Latin,- Brasil- und Tribal-Einflüsse bestimmt werden, gab’s natürlich auch einige SEPULTURA-Knaller auf die Ohren. Genannt seien u.a. „Roots Bloody Roots“, „Chaos A.D.“, „Arise“ (mit einer wahren High-Speed-Einlage!) und „Dead Embryonic Cells“, die allesamt heftig abgefeiert wurden, aber auch „Jump The Fuck Up“ vom „Primitive“-Album aus 2000, zu dem passend das Wort „FUCK“ mithilfe der riesigen Lampen an der Decke erstrahlte, überzeugte mit rasantem Geknüppel und jaulenden Gitarren. Zu „Bleak“ von der letzten VÖ „Dark Ages“ erschien plötzlich ein zweiter Sänger auf der Bildfläche, dessen Identität leider nicht geklärt werden konnte. Nach einem fetten Drumsolo, zu dessen Unterstützung am Bühnenrand drei große Becken aufgebaut wurden, auf die dann auch die Saitenfraktion eindrosch, beendete „Eye For An Eye“ vom SOULFLY-Debüt den ungestümen Thrash-Metal-Ausflug.
Nicht weniger ungestüm, wenn auch in einer ganz anderen musikalischen Umlaufbahn, bewegten sich THE (INTERNATIONAL) NOISE CONSPIRACY aus Schweden. Nun ja, immerhin hat der Ex-REFUSED-Sänger Dennis Lyxzén, der T(I)NC 1998 ins Leben rief mit „New Noise“ auch eine fette Hardcore-Hymne mit „verbrochen“, so dass ihm härtere Klänge nicht unbekannt sind, sich jetzt jedoch mehr dem Indie-Rock verschrieben hat. Ihm zur Seite standen die Herren Lars Strömberg (Gitarre/ Vocals), Inge Johannson (Bass/ Vocals), Ludwig Dahlberg (Drums) und ein mir unbekannter Herr an der Orgel, der für die ausgestiegene Sara Almgren in die Tasten haute. Angetan in etwas seltsamen schwarzen Anzügen (die Schweden scheinen ein Faible für einen etwas schrägen einheitlichen Band-Look zu haben, siehe THE HIVES) begann eine recht exaltierte Show, bei der vor allem Sänger Dennis im Mittelpunkt stand. Los ging’s mit dem orgeligen „Black Mask“ vom 2004er „Armed Love“, welches gemeinsam mit Rick Rubin (JOHNNY CASH, RED HOT CHILI PEPPERS, SLAYER) eingespielt wurde, bevor es mit „The Assassination of Myself“ brandneue Töne zu hören gab. Überhaupt hatte das Quintett aus dem nordschwedischen Umea ne Menge neuer Sachen auf Lager. Es sollten noch das etwas sperrige, mit Dennis an der Mundharmonika vorgetragene „Hiroshima Mon Amour“ folgen, bei dessen Ende selbiger zusammengesunken auf dem Boden kniete. Auch beim groovigen „Boredom of Safety“ lag er abermals auf den Bühnenbrettern, während er zu „Child of God” wie zuvor versprochen ins Publikum ging, sich auf Händen tragen ließ und sich als Crowd Surfer versuchte. Inzwischen hatten die Herrschaften sich auch aus ihren Jäckchen geschält und sahen in ihren engen schwarzen Hosen und den schwarz-roten Oberteilen ein bisschen wie Mitglieder der Star-Trek-Crew aus. Sie hätten aber auch als Besatzung der Raumpatrouille Orion durchgehen können, der vor allem durch die Orgel betonte Sixties-Sound wie bei „Washington Bulletts“ hätte hier ebenso gut hingepasst. Nicht vergessen wollen wir jedoch das sehr rhythmusbetonte „Smash It Up“ von der 2000er VÖ „Survival Sickness“, welches mit einem langen Instrumentalteil aufwartete, die schnellen Nummer „Let’s Make History“ und „The Way I Feel About You“ (beide von der „Armed Love“) und den Song „Capitalism Stole My Virginity“ (2001 auf „A New Morning, Chancing Weather“ erschienen), bei dem noch mal richtig Partystimmung angesagt war. Dennis ging im Graben noch mal auf Tuchfühlung mit den Zuschauern, welche sich mit langanhaltendem Applaus für die schweißtreibende Show der Schweden bedankten, die mit ihrem kraftvollen Mix aus Rock, Soul und Punk mit Einflüssen der Sechziger und Siebziger nicht nur gute Laune verbreiten wollen, sondern kritische Texte über die negativen Auswirkungen der Globalisierung, den Kapitalismus, Imperialismus, Frauenfeindlichkeit und Rassismus schreiben.
Ähnliches sollte man von den EAGLES OF DEATH METAL nicht erwarten. Deren Sänger Jesse „The Devil“ Hughes durfte sich ohne Übertreibung mit dem Titel „Poser des Tages“ schmücken. Unglaublich, was für eine Show der Typ mit Porno-Sonnenbrille, Schnauzbart und Schmierlapp-Frisur da hingelegt hat! Bereits zum Intro stolzierte er wie ein Hahn auf seinem Hühnerhof über die Stage und suchte sich die Damen aus, die nach dem Gig noch nähere Bekanntschaft mit dem großgewachsenen und durchaus gut gebauten Südstaaten-Mann machen durften (wozu es natürlich nicht kam – alles nur Show, die Jungs mussten direkt im Anschluss weiter, um ihre Fähre nach Great Britain zu bekommen). Wir wollen mal annehmen, dass auch das Gockel-Gehabe ein Teil der EODM-Show war, deren Drummer Josh Homme den meisten als Sänger und Gitarrist der QUEENS OF THE STONEAGE bekannt sein dürfte. Auf jeden Fall passte das Posing perfekt zum fetten Stoner- und Garage-Rock-Sound der kalifornischen Adler, die eine sehr unterhaltsame Show ablieferten und Songs ihrer beiden Alben „Death by Sexy“ (2006) und „Peace Love Death Metal“ (2004) zum Besten gaben. Außerdem bewies Mr. Hughes beim „Brown Sugar“-Cover, dass er es mit Mick Jagger in Sachen Hüftschwung und Gesang locker aufnehmen kann. Gute Musiker sind der vier Typen allemal, auch wenn die Saitenkünstler ebenfalls eine etwas denkwürdige Optik boten (Graf Dracula??? VILLAGE PEOPLE?). War einfach eine nett gemachte Rock’N’Roll-Persiflage mit verdammt guter Musik und einem Anblick zum Schmunzeln. Die Jungs hätten gern noch ein wenig länger spielen können (was sie auch immerhin fünf Minuten taten), schließlich fiel der Programmpunkt SILVERCHAIR, der sich anschließen sollte, ersatzlos ins Wasser.
Setlist EAGLES OF DEATH METAL (ohne Anspruch auf Vollständigkeit!)
Don’t Speak (I Came To Make A Bang!)
Kiss The Devil
Bad Mama Dream
I Like To Move In The Night
English Girl
Stuck In The Middle With You (STEALERS WHEEL-Cover)
Chase The Devil
Flames Go Higher
Cherry Cola
I Want You So Hard (Boy’s Bad News)
Brown Sugar (ROLLING STONES-Cover)
I Only Want You
Speaking In Tongues
SILVERCHAIR, die zzt. ihr neues Album „Young Modern“ vorstellen, war leider ihr französisches(?) Essen nicht bekommen und mussten mit einer Lebensmittelvergiftung ins Krankenhaus (bereits der Gig in Paris konnte nicht stattfinden). Somit fiel das Konzert der Australier genau so flach wie sie liegen mussten. Leider konnte in der Kürze der Zeit auch kein Ersatz mehr gefunden werden, aber immerhin waren NOFX flexibel genug, ihren Auftritt um 90 Minuten vorzuziehen, so dass keine zu lange Pause entstand.
Das zahlreiche Publikum wusste dies zu schätzen und skandierte lautstarke NOFX-Gesänge, um ihre Helden auf die Bühne zu locken, welche die Punkrocker dann auch bis Mitternacht fest in ihrer Hand hatten. Sänger „Fat“ Mike Burkett (auch bei ME FIRST AND THE GIMME GIMMES am Bass aktiv) ließ es sich nicht nehmen, einige Spitzen Richtung SILVERCHAIR zu verteilen, von denen es zu diesem Zeitpunkt gerüchteweise noch hieß, sie seien spurlos verschwunden. Im weiteren Verlauf des Konzertes bekam jedoch Mr. George W. Bush ein ums andere Mal sein Fett weg. Neben Rassismus ist dessen Politik ein häufiges Thema in den NOFX-Liedern, von denen es an diesem Freitag Abend gleich Dutzende zu hören gab. Den Anfang machte „Dinosaurs Will Die“, ähnlich sieht das amerikanische Quartett es wohl auch mit seiner Regierung, dessen Abdankung man schon sehnsüchtig erwartet (der Termin wird schon rückwärts gezählt), so viel zu „A Perfect Government“. Für die AREA 4-Fans wird an diesem Abend jedoch der Spaß an der Musik im Vordergrund gestanden haben und sie sind wahrlich nicht enttäuscht worden! Es gab noch mal eine riesige Party, bei der natürlich DER NOFX-Song überhaupt „Kill All The White Men“ nicht fehlen durfte.
Setlist NOFX (nicht vollständig!)
Intro
Dinosaurs Will Die
Franco Un-American
A Perfect Government
Leaving Jesusland
What’s the Matter With Parents Today
Eat The Meek
Liza & Louise
Can’t Get The Stink Out
I Gotta Pee
Fuck Da Kids
Juice Head
I’m Telling Tim
Radio
Leave It Alone
Seeing Double At the Triple Rock
The Brews
Straight Edge
Bob
Reeko
She’s Nubs
Linolium
Bottles To The Ground
Whoops I Od’d
Kill All The White Men
Idiot Son Of An Asshole
Wer jetzt noch nicht genug hatte, konnte sich wahlweise noch bei der Aftershow-Disco vergnügen, auf dem Zeltplatz den Grill ein weiteres Mal anschmeißen oder die mitbebrachten Getränkevorräte testen. Mich zog es jedoch ins Bett, standen doch noch zwei Tage randvoll mit Musik an, weshalb ich mit meinen Energiereserven haushalten musste.
Copyright Fotos: Karsten Thurau
Hinterlassen Sie einen Kommentar.
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.