Ort: Lüdinghausen - Flugplatz Borkenberge
Datum: 20.08.2010
Langsam verabschiedete sich der Sommer, nein, eigentlich war er schon fast über alle Berge verschwunden, doch noch stand ja das AREA 4 aus und da die Festivalmacher traditionell einen guten Draht zum Wettergott haben, kehrten pünktlich zum Beginn des vierten AREA 4 am Standort Borkenberge hochsommerliche Temperaturen ins Münsterland zurück. Es hatte aufgrund gestiegener Besucherzahlen ein paar Veränderungen auf dem Gelände und auch bei der Zufahrt gegeben, die für mehr Platz und eine stressfreie Anreise sorgten, so dass pünktlich im 15.30 Uhr der Startschuss für die diesjährigen Gitarrengewitter im weitläufigen Lüdinghausen fallen konnte.
ALAIN JOHANNES
Wobei der Festival-Opener ALAIN JOHANNES für AREA-4-Verhätnisse erstaunlich handzahm war. Gerade mal mit einer Akustikgitarre bewaffnet, enterte der gebürtige Chilene die Stage und eröffnete das musikalische Wochenende mit eher getragenen Melodien. Beispielsweise mit der Vorabsingle „Endless Eyes“ oder „Speechless“ vom kommenden Album „Spark“, das Ende August erscheinen soll. Bei „Spider“ changierte der Multiinstrumentalist, der von 2005 bis 2007 bei QUEENS OF THE STONE AGE Bass und Sechssaiter bearbeitet hat und mit den Jungs um Josh Homme momentan durch Europa tourt, gelegentlich schon mal Richtung Falsett. Es gab jedoch auch fröhlich-ausgelassene Momente in den 35 Minuten Spielzeit des Musikers, der bereits mit den EAGLES OF DEATH METAL, NO DOUBT und THEM CROOKED VULTURES zusammengearbeitet hat, sodass der Sound das überwiegend doch eher jugendlichen Publikum durchaus in Partylaune zu versetzen wusste (insofern das nicht bereits alkoholische Getränke getan hatten, immerhin waren viele bereits seit dem Vortag auf dem Campingground, der leider in den kommenden Tagen immer mehr zur selbstgemachten Müllkippe verkommen sollte). Der Lohn waren auf jeden Fall eine Menge Zugaberufe und nicht weniger Beifall.
THRICE
Weiter ging’s nach der obligatorischen 30.minütigen Umbaupause mit Post-Hardcore aus dem Hause THRICE. Die Kapelle, die 1998 als High-School-Band von den beiden Kumpels Dustin Kensrue (Gitarre, Gesang) und Teppei Teranishi (Gitarre) gegründet und mit den Brüdern Eddie (Bass) und Riley (Drums) Breckenridge komplettiert wurde, konnte noch mal einen deutlichen Publikumszustrom verzeichnen und legte mit „All The World Is Mad“ gleich sehr tanzbar los. Ein wummerndes Schlagwerk und treibende Langäxte zeichneten „The Weight“ aus, während Dustin seinen rauen Gesang beisteuerte, der bei „Silhouette“ auch schon mal gegrowlte Passagen aufwies. „Of Dust And Nations“ lud mit eingängigen Rhythmen zum Klatschen ein und nach einem ruhigen Start machte auch „The Earth Will Shake“ wieder mächtig Dampf, während „The Messenger“ ein ordentliches Tempo vorlegte. „In Exile“ bot Gelegenheit, kurz einmal durchzuatmen, ehe das BEATLES-Cover „Helter Skelter“ erneut in die Vollen ging. Mit dem Titelsong ihres siebten und im letzten Jahr erschienen Lonplayers „Beggars“ läuteten die Kalifornier ihren Kuschelabschied ein, bei dem es zwar etwas gemächlicher zuging, der Vierer es jedoch nicht an Schmackes fehlen ließ. Wer nach diesem Gig mit dem Gedanken spielt, sich Konservenkost der Amis zuzulegen, darf sich bei Vollzug übrigens rühmen, auch noch eine gute Sache unterstützt zu haben. Damit ist allerdings nicht gemeint, THRICE zu Wohlstand und Reichtum verholfen zu haben. Vielmehr unterstützt die Band mit einem Teil ihrer Platten-Erlöse regelmäßig karitative Einrichtungen wie Jugendzentren, Krebs-Beratungsstellen und Trinkwasser-Projekte, was natürlich bestens zu Viva-Con-Agua passte, die wie bei vielen anderen Festivals auch beim AREA 4 wieder mit von der Partie waren, um Pfandbecher einzusammeln, deren Gegenwert für den Bau neuer Brunnen in Afrika bestimmt waren.
Setlist THRICE
All The World Is Mad
The Weight
Silhouette
Of Dust And Nations
The Earth Will Shake
The Messenger
In Exile
Helter Skelter (BEATLES-Cover)
Beggars
BIFFY CLYRO
Mit zehnminütiger Verspätung nahmen um 18.00 Uhr BIFFY CLRYO die Bühne in Beschlag. Die Schotten sind bereits seit 15 Jahren in der bestehenden Dreierformation aus den Zwillingen James (Bass & Gesang) und Ben (Drums & Gesang) Johnston sowie dem Sänger und Gitarristen Simon Neil aktiv, bei uns konnte das Trio allerdings erst mit dem vierten Album „Puzzle“, das vor drei Jahren veröffentlicht wurde, größere Aufmerksamkeit erringen. Im vergangenen Jahr erschien dann „Only Revolutions“ und BIFFY CLYRO avancierten verdientermaßen zu Lieblingen der Indie-, Post-Hardcore-, Experimentalrock-Szene. Diesem Silberling waren dann auch die meisten Songs entnommen, die nach einem verträumten Intro mit weiblichem Gesang zu Gehör gebracht wurden. Für den einen oder anderen weiblichen Fan war es eventuell ein kleiner Schock, Mister Neil ansichtig zu werden, denn der Herr, der sich neben BIFFY CLYRO noch mit dem schrägen Projekt MARMADUKE DUKE befasst, ist neuerdings komplett erblondet (inklusive Vollbart!). Die Gitarre saß derweil wie immer knapp unter den Achseln, dazu gab’s einen reich bebilderten nackten Oberkörper und enge, kobaltblaue Hosen zu roten Chucks, doch das sind alles nur Äußerlichkeiten, entscheidend war schließlich der musikalische Vortrag, der erneut als hervorragend einzustufen ist. Das wusste auch Simon, der seinem Auditorium auf Deutsch ein „Wir sind sehr gut!“ entgegen schleuderte, ehe er mit „God & Satan“ den Beweis seiner Aussage antrat. Hier ging’s zunächst ruhig los, um schließlich wieder Fahrt aufzunehmen. Mit viel Schlagzeug schloss sich „Mountains“ an, das umgehend mitgeklatscht wurde, ehe es mit dem rhythmusbetonten „Born On A Horse“ den ersten Circle Pit des Wochenendes gab. Doch es galt die Kräfte gut einzuteilen, immerhin knallte die Sonne immer noch ganz schön. Nichtsdestotrotz machten die Glasgower mit viel Wumms weiter und verabschiedeten sich mit „The Captain“ vom besagten letzten Longplayer äußerst energiegeladen.
Setlist BIFFY CLYRO
That Golden Rule
Living Is A Problem Because Everything Dies
Bubbles
Who’s Got A Match?
God & Satan
Mountains
Born On A Horse
Shock Shock
Many Of Horror
The Captain
BELA B Y LOS HELMSTEDT
Inzwischen war es recht voll geworden vor der Stage, auf der ein riesiges graues Backdrop mit Blitzen den nächsten Künstler ankündigte. Im vergangenen Jahr war der Kollege Urlaub allein beim AREA 4, 2008 war die komplette ÄRZTEschaft angerückt und 2010 machte BELA B den Westfalen im Alleingang seine Aufwartung (wobei wir die LOS HEMSTEDTs selbstverständlich nicht unter den Tisch fallen lassen wollen). Es scheint den Herrschaften auf jeden Fall am Borkenberge zu gefallen, wie auch die Spielfreude vermuten ließ, die Herr Felsenheimer an den Tag legte. Zunächst einmal schickte er zu den Klängen eines Intros jedoch die LOS HELMSTEDTs auf die Bühne, deren schwarzen Hemden gleich in großen Lettern verkündeten, welche Aufgabe welcher Musiker zu erfüllen hatte. Bei Ina Paule Klink (auch als „Alex“ aus dem den Münsteraner „Wilsberg“-Krimis bekannt) prangte auf dem Oberteil, das sie zum kurzen Rock trug, nur ein „Babe“, was natürlich ihrer Aufgabe nicht gerecht wurde, war sie doch auch am Keyboard aktiv, sang zudem und diente BELA als Tanzpartnerin. Zunächst einmal musste der Mann, der für ein Soloprojekt von der Schießbude an den Sechssaiter konvertiert ist, allerdings einmal loslegen, was mit dem groovigen „Gitarre runter“ jedoch alsbald geschah. Der Sound war zwar zu diesem Zeitpunkt noch etwas verbesserungswürdig, die Fans sahen über diese Lässlichkeit aber großzügig hinweg und skandierten ausdauernd den Namen ihres Idols, das zur Eile mahnte, da er mit schmalen 45 Minuten Spielzeit auskommen musste. Wobei der Herr so lange ja schon zum Zähneputzen braucht und mit einer Dreiviertel Stunde beim Vorspiel gar nicht hinkommt… Also redete der „Headliner der Herzen“ nicht lange rum, sondern legte nicht nur das weiße Sakko und den roten Schlips ab, sondern auch amtlich los. Während die Zuschauer („die Butter in der Pfanne seines Herzens“) schon längst in den Tanzmodus gewechselt waren, brauchte es bei BELA und Ina bis zu „1.2.3.“ (im dazugehörenden Video übernimmt diesen Part übrigens Charlotte Roche). Zu „Traumfrau“ unternahm BELA B einen Ausflug in den Grabenvorsprung, vielleicht war er ja noch auf der Suche nach seiner Traumfrau und hoffte sie zu den Klängen eines Kontrabasses, der die ruhigen Momente der flotten Nummer begleitete, in den vorderen Reihen zu finden. Oder er wollte aus größerer Nähe schauen, ob auch alle den Circle Pit zu „Altes Arschloch Liebe“ gut überstanden hatten. Wer sich indes fragte, was es mit den phallischen Südfrüchten auf sich hatte, die an den Mikrofonständern hingen, wurde bei „In diesem Leben nicht“ aufgeklärt. Es galt nämlich, die Banane während des Songs aufzuessen (während natürlich alle weiter singen und spielen mussten). Sollte dies nicht gelingen, war die Konsequenz Sex mit BELA B. In den Reihen der weiblichen Zuschauerschaft waren bestimmt einige, die das Obst hartnäckig verweigert hätten, auf der Bühne hatte Gitarrist Gary ganz vergessen, seine Krummfrucht zu sich zu nehmen, womit dann klar war, welchen Verlauf der Abend für ihn noch nehmen würde. Für die AREA-4-Besucher blieb indes nur noch der „Tag mit Schutzumschlag“, bei dem der charismatische Fronter einen weiteren Ausflug in den Graben unternahm.
Setlist BELA B Y LOS HELMSTEDT
Gitarre runter
Versuchs doch mal mit mir
Geburtstagsleid
Schwarz/Weiß
Ninjababypowpow
1.2.3.
Altes Arschloch Liebe
Traumfrau
Money
In diesem Leben nicht
Tag mit Schutzumschlag
EDITORS
Die EDITORS ließen zunächst ein wenig auf sich warten, aber schon mit den ersten Klängen vom Titeltrack des aktuellen dritten Werkes „In This Light And On This Evening“ zeigte sich, weshalb die Umbaupause 15 Minuten länger als geplant ausgefallen war. Bei langsam einsetzender Dämmerung züngelten Feuerfontänen in den Himmel und markierten so den dramatischen Beginn der Show der vier studierten Musiker aus Staffordshire/Great Britain. Auch die Lightshow und die mehrfarbigen LEDs im Bühnenhintergrund zeigten zunehmend Wirkung. In der Hauptsache wusste jedoch der abwechslungsreiche Indie-Rock mitsamt der prägnanten Stimme von Sänger, Gitarrist und Pianist Tom Smith zu begeistern. Bisweilen zeigte der Sound deutliche Eighies-Anleihen, etwa bei „Eat Raw Meat = Blood Drool“, das ebenfalls auf der 2009 erschienen Langrille zu hören ist. Das wunderbar schrammelige „All Sparks“ hatte seine Premiere hingegen bereits 2005 auf dem Erstling „The Black Room“ – ebenso wie „Blood“ und „Munich“, die sich flott anschlossen und verdient abgefeiert wurden. Mit „The Racing Rats“ ging es druckvoll mit einem Track des zweiten Longplayers „An End Has A Start“ und Tom am Piano weiter, während „Smokers Outside The Hospital Doors“ Mister Smith zwischen dem Sechssaiter und dem Tasteninstrument wechseln ließ. Zudem hatte der Herr noch ein kleines Keyboard in petto, welches für „Bricks And Mortar“ am mittigen Bühnenrand positioniert wurde, damit die Elektronik auch optimal zur Geltung kommen konnte. Mit diesem fiependen Wunderwerk der Technik sollte es nahtlos mit „Papillon“ ins große Finale gehen, das erneut mit mehreren Pyro-Effekten aufwartete, die ich zweifellos von den EDITORS so gar nicht erwartet hätte.
Setlist EDITORS
In This Light And On This Evening
An End Has A Start
Bones
Bullets
Eat Raw Meat = Blood Drool
All Sparks
Blood
Munich
The Racing Rats
Smokers Outside The Hospital Doors
Bricks And Mortar
Papillon
QUEENS OF THE STONE AGE
Von den QUEENS OF THE STONE AGE erwartete ich in erster Linie ordentlich was auf die Mütze und Josh Homme & Co. haben mich wahrlich nicht enttäuscht! Zunächst einmal wurde ein wenig an der Lautstärke gedreht (wie gut, dass das Festival so einsam im westfälischen Outback liegt) und die wilde Fahrt konnte mit einem langen Instrumental zu „Misfit Love“ beginnen. Die Stakkato-Gewitter von „Sick, Sick, Sick“ sind vor drei Jahren auf dem letzten Studio-Longplayer „Era Vulgaris“ verewigt worden und leiteten perfekt zum zehn Jahre alten, jedoch absolut zeitlosen „Feel Good Hit of The Summer“ vom zweiten Silberling „Rated R“ über. Für den endgültigen Kick sorgte im Anschluss der Burner „The Lost Art of Keeping A Secret“, der ebenfalls seit einem Jahrzehnt zu meinen absoluten Favoriten zählt. Insbesondere live ist es immer wieder eine Freude, zu erleben, in welche Höhen der Hüne Homme seine Stimme schrauben kann – mal ganz abgesehen von den packenden Alternative- und Stoner-Klängen, die er gemeinsam mit seinen ständig wechselnden Bandmitgliedern produziert. So begleiteten jaulende Langäxte den Stomper „I Think I Lost My Headache”, ehe das Publikum Gitarrist Tommy ein kurzes Geburtstagsständchen brachte. Weiter ging’s mit dem sehr druckvollen „Burn The Witch“ (2005 auf „Lullabies For Paralyze“ veröffentlicht) und dem abgedrehten „Battery Acid“, um schließlich mit „Make It Wit Chu“ einen knackigen Lovesong rauszuhauen. Auch „Little Sister“ ließ es zunächst relativ ruhig angehen, um es schließlich wieder amtlich krachen zu lassen, bevor „Monsters In Parasol“ in High Speed durchrauschte und bei „3’s & 7’s“ der Bass den Magen kitzelte. Mit dem blitzschnellen „Go With The Flow“ vom 2002er „Songs For The Deaf“ ging es ein paar Jahre weiter zurück. Genau aus dieser Zeit stammte er nächste Hit „No One Knows“, den es natürlich mit allem Zipp und Zapp abzufeiern galt, bevor mit „A Song For The Dead“ fast ohne Text noch einmal alle Register gezogen wurden. Das Ende von KYUSS vor 14 Jahren war zweifelsohne ein Schock für die Stoner-Gemeinde. Was Josh Homme seit 1997 mit den QUEENS OF THE STONE AGE auf die Beine stellt, ist jedoch definitiv auch nicht von schlechten Eltern. Außerdem ist der Kalifornier ein großer Freund von Nebenprojekten (DESERT SESSIONS, EAGLES OF DEATH METAL, MATTERS OF REALITY). Das jüngste Beispiel hört auf den Namen THEM CROOKED VULTURES und vereinigt neben Homme Dave Grohl (FOO FIGHTERS) und John Paul Jones (LED ZEPPELIN). Hier ist live zudem noch Alain Johannes zugegen, der offensichtlich seinem ehemaligen „Chef“ immer noch sehr verbunden ist.
Setlist QUEENS OF THE STONE AGE
Misfit Love
Sick, Sick, Sick
Feel Good Hit of The Summer
The Lost Art of Keeping A Secret
I Think I Lost My Headache
Burn The Witch
Battery Acid
Make It Wit Chu
Little Sister
Monsters In Parasol
3’s & 7’s
Go With The Flow
No One Knows
A Song For The Dead
PLACEBO
Langsam rückte die Uhr Richtung Mitternacht, das Timetable hing immer noch um 15 Minuten, dabei wurden die Herren Molko und Olsdal, die PLACEBO 1994 gegründet haben, doch schon sehnlichst erwartet! Zumindest schien inzwischen so ziemlich jeder den Weg vor die Bühne gefunden zu haben und schließlich konnte es um 23.45 Uhr auch mit einem Intro, zu dem die Stage in blaues und rotes Licht getaucht wurde, losgehen. Neben der dreiköpfigen Live-Band war natürlich noch Drummer Steven Forrest am Start, der nicht nur beim ersten Song „Nancy Boy“ für den richtigen Rhythmus sorgte. Einen besseren Einstieg, als den Song vom selbstbetitelten 1996er Debüt hätte man sich gar nicht wünschen können. Die Nummer ging direkt ins Bein und leitete zum gefühlvollen Dancer „Ashtray Heart“ über, der vom aktuellen sechsten Album „Battle For The Sun“ stammte, das im vergangenen Jahr das Licht der Plattenläden erblickt hat. Den Titelsong gab’s ebenfalls zu hören – inklusive E-Geige, für die neben den Keys, den Percussions und dem Background-Gesang seit 2009 live Fiona Brice zuständig ist. Zum kraftvollen „Soulmates“ hatte sich der Schwede Olsdal bereits seines glänzenden gestreiften Sakkos entledigt, während im Hintergrund Videosequenzen über die riesige Leinwand flimmerten. Das temporeiche „Bionic“ entführte erneut in die PLACEBO-Anfangstage, ehe es mit „Every You Every Me“ einen absoluten Klassiker der Band auf die Ohren gab. Mit diesem Song vom zweiten Album „Without You I’m Nothing“ kam hierzulande 1998/1999 der Durchbruch für den charismatischen Amerikaner Brian Molko, der schottische Wurzeln und mit Stefan in Luxemburg dasselbe Internat besucht hat. Wie nicht anders zu erwarten, verwandelte sich das Festivalgelände mit dem Track in eine riesige Tanzfläche; nicht ganz klar war mir allerdings, ob die Nebelexplosionen im Publikum gewollt waren oder ob es sich um eigenmächtige Aktionen irgendwelcher Besucher handelte. „Special Needs“ vom vierten Silberling „Sleeping With Ghosts (VÖ 2003) bot einen Moment des Verschnaufens, wurde in erster Linie jedoch zum Mitklatschen genutzt, bevor sich „Breathe Underwater“ rhythmusbetont anschloss. Nicht weniger tanzbar und dabei sehr rockig zeigte sich „The Never-Ending Why“, bevor „Bright Lights“ zum Entspannen einlud. Mit „Meds“ vom gleichnamigen 2006er-Longplayer ging es eindringlich weiter, nachdem Mister Molko auch ein paar deutsche Brocken für seine Fans parat hatte, um schließlich mit „Teenage Angst“ erneut in die Vollen zu gehen. Das NIRVANA-Cover „All Apologies“ gefiel mit knackiger PLACEBO-Gitarrenarbeit und konnte mit Brians prägnanter Stimme jedem Vergleich mit dem Grunge-Original standhalten. Der wunderbare „Song To Say Goodbye“ (für meine Angehörigen: den könnt ihr auf meiner Beerdigung spielen) kam mit minimaler Instrumentierung aus, bevor es mit „Bitter End“ Schlag auf Schlag Richtung Finale ging. Nach einer Stunde verabschiedeten sich PLACEBO an dieser Stelle also von ihren Fans, aber es war selbstredend nur ein kurzer Abschied, denn der inzwischen komplett nass geschwitzte Molko (mit der obligaten schwarzen Strickmütze, reichlich – offensichtlich wasserfestem – schwarzem Augen-Make-up, weißen Hemd und ebensolcher Hose sowie schwarzen Schuhen angetan) und seine Mannschaft lieferten noch ein Viertelstündchen Nachschlag. Den Anfang machte „Post Blue“, das die unmissverständliche Aufforderung zum Tanz implizierte, ehe es mit „Infra-Red“ emotional wurde und „Taste In Men“ vom 2000er „Black Market Music“ schließlich den krönenden Abschluss lieferte. Zumindest, wenn man darüber hinweg sieht, dass PLACEBO problemlos noch mal grandiose Songs für weitere 75 Minuten im Programm hätten.
Setlist PLACEBO
Nancy Boy
Ashtray Heart
Battle For The Sun
Soulmates
Bionic
Every You Every Me
Special Needs
Breathe Underwater
The Never-Ending Why
Bright Lights
Meds
Teenage Angst
All Apologies (NIRVANA-Cover)
Song To Say Goodbye
The Bitter End
Post Blue
Infra-red
Taste In Men
So war’s aber auch ein rundum gelungener Gig, der die Festivalbesucher wahlweise ins Discozelt oder in die Zeltbehausungen entließ. Ich entschied mich für einen geordneten Rückzug, schließlich standen für den zweiten Tag zehn weitere Bands auf meinem Zettel. In Anbetracht der prognostizierten hochsommerlichen Temperaturen wäre da ein dicker Kopf hervorgerufen durch zu viel Alkohol und/ oder zu wenig Schlaf kontraproduktiv gewesen, weshalb die Vernunft einen klaren Sieg verbuchen konnte.
Copyright Fotos: Uli Klenk außer ALAIN JOHANNES (Dani Vorndran)
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