Ort: Bielefeld - Forum
Datum: 09.08.2009
Warum ähneln sich gerade deutsche Rockbands in Sachen Arrangement und Instrumentierung immer so sehr? Eine völlig ernstgemeinte Frage! Das kann doch nicht nur an der Sprache liegen, oder? Die Intonation und Klangfarbe, sowie die Aussprache ähneln sich einfach so oft, dass ich immer sofort etwas vorsichtig werde. BLINDTEXT sind wieder so ein Fall, die Songs sind durch die Bank solide und das Auftreten der sechs Bielefelder ist grundsympathisch, die letzten Zweifel werden allerdings dann doch nicht ausgeräumt. Jedenfalls bekommen wir es textlich und musikalisch mit einer Symbiose aus GISBERT ZU KNYPHAUSEN und KETTCAR zu tun. Stimmlich eher Gisbert, erinnert die Melodieführung an Markus Wiebusch nebst Anhang. Damit lässt sich leben, wenn die Texte stimmen und die sind manchmal etwas kryptisch, manchmal eben aber auch gar nicht und es scheint wieder ein wenig GISBERT ZU KNYPHAUSEN durch. Nun gut, es ist durchaus positiv, wenn deutsche Bands sich gegenseitig befruchten und die Hamburger Schule ganz offensichtlich etliche Anhänger gefunden hat, als Abgrenzung gegenüber den immer gleichen englischen und amerikanischen Einflüssen in Sachen Popmusik. Allerdings fehlt den meisten Bands dann halt der Wiedererkennungswert, was sich eben auch bei BLINDTEXT bemerkbar macht.
Jetzt wo ich mir in Ruhe „The Reckoning“ von ASAF AVIDAN anhöre – gewinnt der Auftritt im Forum noch an Großartigkeit. Nicht das „The Reckoning“ auch nur ansatzweise Schwächen offenbaren würde, ist es nur so, dass die Intimität des Live-Erlebnisses hier natürlich fehlt und so lässt sich das unglaubliche Potential und die Ausstrahlung dieser Ausnahmemusiker nur erahnen. Die Hingabe, mit der ASAF AVIDAN seine Zeilen singt, ist beispielhaft, seine Stimme dabei einzigartig und unglaublich wandelbar, die Klangfarbe sicherlich nicht jedermanns Sache, aber singen kann er, da lässt sich nicht drüber streiten. Dass er auch Songs schreiben kann, beweist direkt an erster Stelle „Maybe You Are“, das den Auftritt eröffnet und den Auftakt eines kleinen aber feinen Akustik-Sets des Israelis darstellt. Die besten Songs klingen ja eh meist wie aus dem Ärmel geschüttelt und in Anbetracht dessen, dass Avidan noch so einiges Liedgut erklingen lässt, als ob er sämtliche Hooklines dieser Welt für sich gepachtet hätte, bleibt „Maybe You Are“ sein unscheinbares Meisterwerk. Wie es sich im Hirn festsetzt und ein Verlangen auslöst, es immer wieder hören zu wollen, ist erstaunlich und mir schon lange nicht mehr passiert. Es folgen noch ein paar akustische Schmankerl zwischen DAMIEN RICE – mit sehr viel weniger Pathos – und JOSÉ GONZÁLEZ, begleitet von Hadas Kleinmann am Cello, die sich mächtig ins Zeug legt und wahre Hingabe ausstrahlt. Nicht minder ASAF AVIDAN, dem noch zusätzlich sein Spielspaß und eine gewisse sanguinische Ader anzumerken sind. Nach einem fast zehnminütigen Bibeldiskurs, während dem er seinen Zuhörern die Geschichte Davids näherbringt, geht es in den elektrisch verstärkten Teil des Abends über und Ran Nir am Bass, Yoni Sheleg an den Drums, sowie Roi Palad an der Lead Guitar entern die Bühne. Was nun in gut einer Stunde folgen soll, ist hoch energetisch und lässt mich an meine vielgeliebten MOTHER TONGUE denken, der einzigen Band, der ich je hinterher gereist bin. Erdiger Blues-Rock, zu dem erwachsene Männer stark schwitzend und grinsend wie kleine Kinder umher hüpfen und das Publikum von der ersten Sekunde an in ihren Bann ziehen. Passend dazu erinnert Avidans Stimme in den höheren Kreisch-Passagen immer wieder gerne an JANIS JOPLIN, was natürlich ganz hervorragend zur Musik passt. „Hangwoman“ hätte in dieser Form wirklich auch von Janis und ihrer Holding Company sein können. Kleinman’s Cello-Einsatz geben dem Treiben allerdings eine eigenständige Note und so geht um ca. 23.30 Uhr ein fantastischer Konzert-Abend seinem Ende entgegen.
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