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BIELEFELD ROCKT 2006 FINALE

Ort: Bielefeld - Forum

Datum: 08.12.2006

Dass Ostwestfalen in Sachen guter Gitarrenmusik anderen Regionen in nichts nachsteht, beweisen seit einigen Jahren die Bielefeld Rockt-Wettbewerbe, welche gemeinsam von der VIBRA Agency und dem Headmusic Management durchgeführt werden. Mit Hilfe solventer Sponsoren versteht sich. Den Ursprung hat diese Competition im Bielefelder Kellerbandfestival, das zwischen 1984 und 1996 für Furore sorgte, insbesondere den Austragungsmodus hat man beibehalten. So wurden anhand von Demobändern 15 Kapellen ausgesucht, die an drei aufeinanderfolgenden Abenden im Bielefelder Kamp aufspielten. Das jeweils beste Duo musste sich nun im Finale mit den Kollegen messen, Gerüchten zufolge durften sich auch 2 Terrorverleger in der Jury austoben, die gleichberechtigt mit dem Publikum entscheidet. Ein fairer Deal also. Das Finale sollte an diesem sehr windigen Abend im Forum stattfinden, vor dem sich bei unserer Ankunft kurz vor 8 eine laaaange Schlange um Einlass bemühte. Natürlich fuhr jede Band Hund, Katze, Maus, Eltern und Groupies auf, um möglichst viele Stimmen einfahren zu können, kein Wunder also, dass bei nur 5 Euro Eintritt der Laden schließlich ausverkauft war!

Wie in den Halbfinals gab es einen strikten Zeitplan, der auch ansatzweise eingehalten wurde. Jeder der 6 Formationen standen 30 Minuten Spielzeit zur Verfügung, um der Vergleichbarkeit Genüge zu tun. Außerdem war für den Zeitraum der Auswertung noch der Vorjahressieger SKUNK’S FLAVOUR angesagt, um die Wartezeit nicht allzu lang werden zu lassen. Als wir schließlich in den eigentlichen Konzertraum gelangten, war dieser vorne noch nicht übermäßig frequentiert, das Schicksal der jeweiligen ersten Truppe eben, die heuer auf den Namen ONE WAY TICKET hörte. Die Reihenfolge der Auftritte wurde übrigens ausgelost, so dass man dem Quartett in dieser Hinsicht einfach nur Pech unterstellen konnte. Spieltechnisch gesehen allerdings eher großes Können, denn die Herren Flo (Gesang und Gitarre), Nico (ebenfalls Gitarre), der sehr jung wirkende Andy (am Bass und in Turbojugend-„Verkleidung“) sowie Heiko an den Drums wirkten gut aufeinander abgestimmt. Ein Fingerzeig für den kompletten Abend. Zudem auch die härteste Combo des Wettbewerbs, den man genretechnisch ein wenig in eine straighte erste und eine komplexere/ softere zweite Hälfte einteilen kann, darum übernimmt hier die Berichterstattung auch meine Kollegin. Zurück zu ONE WAY TICKET: Die Jungs geben auf ihren Pages allerhand Einflüsse an, im wesentlichen würde ich sie aber als Emocore mit einigen härteren Passagen einsortieren. Dementsprechend war Flos Gesang zumeist clean, hin und wieder schrie er sich aber auch die Seele aus dem Leib. Mit ordentlich Bewegung und ein paar souveränen Ansagen hatte man die sich immer weiter füllende Location gut im Griff. Zur Setlist zählten mit „Awake“ und „Rockin’ Unity“ 2 Titel ihres gleichnamigen 4-Track Demos plus ein paar weitere Kompositionen. Ein starker Auftritt, an dem sich die nachfolgenden Damen und Herren messen lassen mussten.

Da alle Bands auf dem selben Drumkit herumlärmten, verging die Umbauzeit jeweils relativ schnell, in der Zeit konnte man sich mit den sehr günstigen Getränkepreisen vertraut machen… oder den aktuellen Modetrends der Oberstufe. Wenn man dann noch gesiezt wird, fühlt man sich gleich wie ein Altersheimer auf Ausgang, but Life must go on. Das denken sicher auch die Herren von SHORTHANDED, die alsbald in großer Besetzung auf die Bühne traten. Neben den üblichen Instrumenten wurden hier auch Blasfetischisten bedient, denn es kamen großflächig Saxophon und Trompete zum Einsatz. Dementsprechend bezeichnet sich das Sextett selbst als Ska-Punk, ich würde auf jeden Fall auch noch DOG EAT DOG und THE MIGHTY MIGHTY BOSSTONES als Inspirationsquellen nennen. Besonders ungewöhnlich war der Basserwechsel mitten im Set. Ab diesem Moment standen gleich 3 Redecker Brüder on stage, von denen der blutjunge Luci einen guten Mädchenschwarm abgab. Die Musik verlangte geradezu nach Party und wechselte zwischen Stop and Go Passagen und schnellen Abgehparts. Insgesamt wohl koordiniert das Ganze, wobei man bei diesem Genre nun wirklich keine 100 Prozent Perfektion erwartet. Die ersten Crowdsurfer wurden nun auch gesichtet und am Ende holte man sich eine ganze Posse nach oben, die lauthals die Refrains mitgrölte. Darunter auch ein Herr von 2ND CHOICE, welche es selbst nicht bis in den Endkampf geschafft hatten. Die präsentierten Stücke stammten überwiegend vom 2006er Release „…warns you“ plus Titeltrack der „Banana Man“ EP. Fette Abgehmucke aber auch gut genug für den Gesamtsieg? Das konnte natürlich zu diesem Zeitpunkt noch niemand antizipieren.

Danach bekam der Abend auch auf der Bühne endlich einen weiblichen Touch, der auf den schönen Namen Jot hörte und recht eigenwillig rüber kam. So eine gepiercte nu-metallische Heidi-Variante mit Zöpfen. Dazu agierten noch Nik an der Langaxt, der bullige Kris am Bass und der Jack Black-Lookalike Paul am Kit. AFTER ONE SUMMER nannte sich das Ganze, was passend erschien, denn diese Formation tanzte erst einen Sommer, umso erstaunlicher nehmen sich schon die bisherigen Erfolge aus: Support von DOG EAT DOG und der Taste of Chaos Tour sowie ein Beitrag auf dem Bielefeld Sampler „Soundz of the City 2006“ („My God“ war dann auch der Schlusspunkt ihrer heutigen Darbietung). Und das große Plus dieser Combo wurde binnen weniger Sekunden ersichtlich bzw. erhörbar. Die gute Jot besitzt ein fantastisches Organ im MELISSA ETHERIDGE Stil mit leichten EVANESCENCE Beigaben. Sehr sehr stark und in Verbindung mit den dynamischen Power Rock Kompositionen wirkte das Ganze ausnehmend professionell. Da machte auch das etwas ruhigere Stage Acting nichts aus, zu dem hauptsächlich nur die Fronterin beitrug. Bis zu dem Zeitpunkt, wo sie selbst zur Gitarre griff, versteht sich. Die Reaktionen waren enthusiastisch, was die Dame augenscheinlich rührte. Wer sich den Kompositionen des Quartetts widmen möchte, dem sei die Myspace Seite von AOS ans Herz gelegt, wo man in 4 Songs hineinhören kann. Für mich ein Mitfavorit auf den Titel.

Zur Halbzeit sollten wir die „härteren“ Kapellen gehört haben, denn nun ging es mit 15 MINUTES OF FAME beschaulicher zu Werke. Gleich 7 Leute nahmen die kleine Bühne des Forums in Beschlag: Neben Fronter Robert (auch Gitarre), Reiner am Bass und Jonas am Schlagzeug wurde die klassische Rockformation durch eine weitere Gitarre mit Ruben, Verena an der Geige und Henning an den Keys und ein weiteres Mitglied am Saxophon ergänzt. Es ging auch gleich folkig angehaucht los und Sänger Robert verpasste mit seinem weichen CHRIS REA-Tembre den Stücken einen Touch Sentimentalität, mit „A new adventure“ präsentierte man anschließend brandneues Futter. „She’s not my girl“, diese Erkenntnis wurde leicht beschwingt unters Volk gebracht – auch zu finden auf ihrer 2005er Demo-CD. Bei jedem Stück rückte ein anderes Instrument in den Vordergrund, ehe bei „Lay down my pretty one“ nochmals alle Musiker zum Zuge kommen. Dafür, dass die Kombo in dieser Besetzung noch nicht viele Gigs auf dem Buckel hat, waren alle Musiker doch besten aufeinander abgestimmt und konnten mit schönen Melodien zwischen Folk, Rock und Singer/ Songwriter-Einflüssen auch das Publikum begeistern, das wohlwollenden Applaus spendete.

Doch nun drängten sich die jüngsten Forumsbesucher Richtung Bühne, THE GRAINS standen auf dem Programm. Klamotten-Style-technisch noch in der Findungsphase hatten die 5 Jungspunde aber ihre Mod-Matten artig gefönt und fixiert und nach einem Intro konnte es mit juvenilem Gehabe und flockigem Garagenrock à la MANDO DIAO und Konsorten losgehen. Nach einigen gefälligen Stücken im Midtempo steigerte sich das Set, um mit „Down the streets“ und „My enclosure“ – zwei ordentlichen Abgehnummern – seinen Höhepunkt zu erreichen. Während wir Altvorderen uns eher für die Talente der Saitenfraktion erwärmen konnten, hat Sänger Lajos offensichtlich einen guten Schlag bei der weiblichen Oberstufenjugend, was dem Quintett frenetischen Beifall bescherte. Mit einem frischen und ungestümen Auftritt – auch das Halbstarken-Posing hat man schon perfekt drauf – hatte man auf und vor der Bühne gleichermaßen Spaß – die Jungs treffen da gekonnt den Nerv der Zeit.

Umso schwieriger hatte es die letzte Wettbewerbsformation an diesem Abend: THE NOES HAVE IT. Pheps (Vocals, Guitars, Keys), Lin (Bass), Stiop (Drums, Recording) und Pe (Guitars, Keys, Sounds) präsentieren recht eigenwillige, oftmals sperrige Indie-Mucke, die durch Pheps Gesang gerne mit MUSE verglichen wird. Das ist mal frickelig – expressiv (wie beim Opener „Yes I no“), mal sphärisch-verträumt (wie bei „Sigur Island“) und verlangt doch erhöhte Aufmerksamkeit und Konzentration beim Zuhörer. Doch zu diesem Zeitpunkt und nach den gehörten Formationen fiel es dem Quartett schwer mit ihrer Mischung das Publikum in ihren Bann zu ziehen, zumal sich auch keiner der Vier zu größeren Interaktionen aufschwang. Zwar hatten auch THE NOES HAVE IT ihre Anhängerschaft mitgebracht, diese vermochte sich jedoch nicht genug gegen das geschwätzige Jungvolk durchzusetzen und so verwässerten viele der eigentlich schönen, oftmals epischen Soundkaskaden. Da haben die Vier auch bei mir in anderem Kontext schon besser punkten können.

Nachdem also nun mit der komplexen Auszählungsprozedur begonnen werden konnte, durfte der Vorjahressieger SKUNK’S FLAVOUR ganz Grand Prix-like die Pause überbrücken und für das nun wieder etwas zahlreichere Publikum aufspielen. Mittlerweile war es auch schon deutlich nach Mitternacht, was aber der Stimmung keinen Abbruch tat, ganz im Gegenteil. Die 5 „Stinktiere“ waren mir bislang showtechnisch noch nicht über den Weg gelaufen, so war ich am Anfang etwas überrascht, wie sperrig Material der Sorte „Misleading“ oder „Bittersweet“ rüberkam. Des „Rätsels“ Lösung: Man präsentierte heute semiakustische Versionen, um der ganzen Sache eine besondere Note zu verleihen. Dazu gehörte auch, dass Hans-Jo, eigentlich Keyboarder, hin und wieder zur Klarinette griff, bei seiner klassischen Ausbildung kein Problem. Zudem feierte er noch Geburtstag, großer Applaus war im also sicher. Frontkasper „Uli“ im Gestreiften überzeugte mit den unterschiedlichsten Gesangsstilen, die mich immer mal wieder an SYSTEM OF A DOWN denken ließen. Ähnlich variabel verhielt sich auch das Material, eine eigene Note ist SKUNK’S FLAVOUR jederzeit anzumerken. Gegen Ende schlug bei uns ein wenig die Müdigkeit zu, während die Band fragenden Blickes ob ihrer erlaubten Spielzeit verharrte. Da kein Widerspruch kam, wurde zu guter Letzt auch noch der Rausschmeißer „Home“ präsentiert. Diese Truppe wird sicher ihren Weg gehen, dem charismatischen Sänger und den Instrumentalfähigkeiten sei Dank.

Nun aber waren wohl alle dankbar, dass gleich das Ergebnis mitgeteilt werden sollte. Vorher aber wurden noch T-Shirts verschenkt und Eintrittskarten-Gewinner vorgelesen. Dann war es endlich soweit: Die siegreichen Drei wurden (natürlich in umgedrehter Reihenfolge) zum Besten gegeben. Ein Tusch für
Platz 3: ONE WAY TICKET
Platz 2: AFTER ONE SUMMER
And the Winner is…
THE GRAINS!
Die damit einen Studioaufenthalt in den Paderborner Westwood Produktionsstätten einheimsen konnten. Für mich eine kleine Überraschung, da mir der Gesang ein wenig unausgereift schien. Andererseits waren die Gitarrenparts durchaus stark und man hatte den mit Abstand lebendigsten Anhang am Start. In diesem Sinne also „Herzlichen Glückwunsch und werdet Stars!“. Insgesamt haben aber alle 6 Finalteilnehmer mit ihrem ureigenen Stil bewiesen, welch qualitativ hochwertiger Nachwuchs in Ostwestfalen seine Wurzeln hat. Bielefeld rockt und das sicher auch wieder 2007!

Setlist ONE WAY TICKET
Awake
Rockin’ Unity
Embrace our End
Broken Will
Perfect Crime
Sick of Waiting

Setlist SHORTHANDED
A.S.S. Song
Nothing left to say
Queen of Chic Rep.
A Lover’s Heartbeat
Muted
Closing at Chapter
Banana Man
No Horns

Setlist AFTER ONE SUMMER
Beggin’ for your Life
You break me
Alive
Cold Ice
Overload
Mesmerizing. Day
My God

Setlist 15 MINUTES OF FAME
Club of dying souls
A new adventure
She’s not my girl
The trouble was leavin’ town
Borderline
Lay down my pretty one
Constant fare-well

Setlist THE GRAINS
Intro
What they don’t know
Sunsets
Can’t deny
Down the streets
My enclosure
At least not boring
Don’t care

Setlist THE NOES HAVE IT
Yes I no
Fukk Resocialized
Sundays
Paradized
Sigur Island

Setlist SKUNK’S FLAVOUR
Misleading
Bittersweat
Starsplitter
Snapped
This Joint is all I…
It’s been to long
Home

Copyright Fotos: Karsten Thurau

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