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BIRTHQUAKE III

Ort: Duisburg - Soundgarden

Datum: 28.11.2003

Zum dritten mal sollte das Ruhrgebiet in seinen schwarzen Grundfesten erschüttert werden: Die Kollegen vom SONIC SEDUCER luden zum „Birthquake Festival III“ ein und sie hatten ein hochkarätiges, größtenteils elektronisches Billing zusammengestellt. Zu dritt machte sich der Terrorverlag auf nach Duisburg ins Soundgarden, den wir alle bisher nur vom Hörensagen kannten. Zu unser aller Überraschung befand sich der Club direkt neben dem Hauptbahnhof, sonst sind doch derart Läden meist in irgendwelchen Industriegebieten untergebracht. Nach kurzer Suche wurde dann auch ein Parkplatz in einer dunklen Seitenstrasse angesteuert, direkt vor einem Golf-Club(?!). Andere schwarze Gestalten wiesen den Weg durch die zunehmend kälter werdende Nacht. Um 20 15 Uhr betraten wir dann den düsteren und verwinkelten Laden, wo sich zwischen 600 und 700 Leuten aufgehalten haben dürften…

CYBER AXIS hatten sich bereits vorgestellt, konnten aber aufgrund zeitlicher Engpässe nicht in Augenschein genommen werden. Auch MELOTRON befanden sich schon kurz vor dem Ende ihres Sets, genau 2 Songs konnten wir aber noch mitnehmen: „Kein Problem“ von der aktuellen „Sternenstaub“-CD und das abschließende „Folge mir ins Licht“ vom „Weltfrieden“-Release. Dabei muss man konstatieren, dass der optische Eindruck durchaus eigenwillig war. Sänger Andy Krüger bot eine sagen wir mal „interessante“ Performance neben der Marc Almond wie John Wayne anmuten muss. Neben den zappeligen Bewegungen war besonders seine knallenge Streifenhose interessant, die so langsam aber sicher ihren Halt zu verlieren drohte. Andy musste kräftigst gegensteuern. Beim Publikum war die Meinung offensichtlich zweigeteilt: Während vorne die Fans der Band lautstark eine Zugabe forderten, gab es nicht wenige, die der Band und der Performance nicht allzu viel abgewinnen konnten. Die beiden Songs kamen jedenfalls gut rüber und schon bald werde ich Gelegenheit haben, MELOTRON auf ihrer Headliner-Tour in Bielefeld noch mal näher unter die Lupe zu nehmen.

Auf ICON OF COIL aus Norwegen war ich besonders gespannt, hatte ich sie doch als Support von ASSEMBLAGE 23 verpasst. Genau wie MELOTRON betrat man zu dritt die Bühne, links und rechts die Keyboarder sowie Andy La Plegua als Derwisch in der Mitte. Man ist momentan mitten in den Vorbereitungen fürs dritte Album, welches „Machines are us“ betitelt sein wird und man ließ es sich nicht nehmen, schon Stücke davon zu spielen. La Plegua wirkte modisch wie eine Kreuzung aus Manson und Shagrath von DIMMU BORGIR, auf dem Leib trug er ein hautenges Lederoberteil mit dem „Eisernen Kreuz“ darauf. Im Gegensatz zu seinen Mitstreitern wirkte er ungeheuer agil und verstand es, an der Grenze zur Selbstherrlichkeit zu posen. Der Mann ist durchaus selbstbewusst. Allerdings klang seine Stimme fast ein wenig zu sauber und steril für das Rumgehopse, zumindest wurde ordentlicher Hall aufs Mikro gegeben. Die beiden Keyboarder (darunter der umtriebige Sebastian Komor, auch bei der BRUDERSCHAFT aktiv) wirkten dagegen eher etwas lethargisch und sie hatten auch nicht wirklich viel zu tun, außer SCOOTER-mäßig auf den Tasten rumzuklimpern. Die Stimmung wurde von Track zu Track immer besser, Songs wie „Access and Amplify“ oder „Other half of me“ vom letzten Album (“The Soul is in the Software”) waren großflächig bekannt und luden zum Mittanzen ein. Auch das Debüt wurde nicht vernachlässigt, z.B. war „Regret“ in der Setlist. Die gerade erschienende neue Single „Android“ wiederum zeigte den zukünftigen Weg der Skandinavier auf: Härter und bombastischer wird es zur Sache gehen. Vielleicht sogar ein wenig technoider, denn der letzte Song „Pursuit“ mit seinen stampfenden, fast militaristischen Beats tendierte etwas in diese Richtung. Überhaupt sehr mutig, den Set mit einem vollkommen unbekannten Stück zu beenden, aber es war die richtige Entscheidung: „Pursuit“ ist ein gnadenloser Brecher, der in den Clubs noch für viel Furore sorgen wird, da bin ich mir sicher.

Die niederländischen Urgesteine von CLAN OF XYMOX schenkten wir uns dann mal zum Zwecke der Nahrungsaufnahme, dafür lernten wir den versifftesten Burger King der nördlichen Hemisphäre kennen. Es war beinahe schon unmöglich, sein Essen zwischen all dem Abfall zu identifizieren, schließlich gelang es doch. Die letzten Klänge des „Clans“ verließen gerade die Lautsprecher (übrigens viel zu laut, wie bei allen Bands des Abends!) und so harrte man schon gespannt der Dinge, die uns Mozart dieses mal präsentieren würde.

UMBRA ET IMAGO begannen ihre erotische Messe kurz nach 23 Uhr, auf der Bühne war neben einer Art Käfig auch eine Leinwand drapiert worden, sowie brennende Kerzen, das aufgeschlagene Buch mit den Geschlechtersymbolen in Handschellen etc. Mozart wurde begleitet von den Weggefährten Lutz Demmler (Bass) und Freddy an der Gitarre. Beide sehen – man nehme es mir nicht übel – wie direkt aus einer 80er Glam Rock Band entsprungen aus. Mozart schien doch ein wenig Angst zu haben, dass er als einziger „Rocker“ des Abends nicht besonders willkommen sein könnte, dem war aber nicht so. Ob es nun die Musik oder die zu erwartenden Lustbarkeiten waren (oder beides, so ist ja das eigene Selbstverständnis), die Fans gingen zumindest in der vorderen Hälfte gut mit. Da mittlerweile auch die Clubs geöffnet waren, konnten sich die weniger Interessierten ja auch zu einem Totentanz in die Katakomben zurück ziehen. Auch „U und I“ arbeiten an einem neuen Release, welches den Titel „Memento Mori“ tragen wird. Aber zu hören gab es durchweg nur alte Klassiker in einer gesunden Mischung: „Dunkle Energie“, das energische „Mea Culpa“, „Kleine Schwester“ oder auch „Alles schwarz“. Bei einigen Songs veredelten dann 2 nicht ganz so hochgeschlossen gekleidete Damen die musikalische Darbietung, eine in blond und eine in schwarz (auf dem Kopf wohlgemerkt…). So übergossen sie ihre lustvollen Leiber beim Stück „Milch“ mit derselbigen und fielen dann über Mozart her, dessen Unterwäsche am Ende das Licht der Welt (und der Scheinwerfer) erblickte. Das sei nicht geplant gewesen, so oder so auf jeden Fall unterhaltsam. Dann hängte sich ein Mädchen kopfüber in den Käfig und wurde daraufhin von der anderen auf nette Art und Weise verwöhnt, das gehört ja schon fast zum Standard-Repertoire. Lesbische, neckische Spiele werden immer wieder gern genommen. Das bereits zu einer Art Bandhymne avancierte „Teutonenlied“ wurde natürlich wieder mit einer zynischen Darbietung kontrastiert. Hitler auf der Leinwand, die Mädels mit Fackeln und Mozart in militärischer Aufmachung und Stechschritt. Danach zeigte er dem Publikum, was er von Nazis hält und man kam in den Genuss (?) seines nackten Hinterteils, aus ästhetischen Gründen verzichten wir hier mal auf einen Fotobeweis… Nach einem kleinen Stage Diving-Ausflug wurde das Set dann mit dem FALCO-Cover „Rock me Amadeus“ beendet, welches lauthals mitgesungen wurde. Fazit: Mozart wird zwar nie ein begnadeter Sänger und die Instrumentalfraktion ist nicht DREAM THEATER, aber die Mischung stimmt einfach und der Frontmann besitzt das nötige Charisma.

Doch nun sollte es soweit sein, der Höhepunkt des Abends (für die meisten zumindest): COVENANT aus Schweden wollten einen Beweis ihrer erhabenen elektronischen Klangkunst liefern. Es war schon weit nach Mitternacht, als Clas, Joakim und Sänger Eskil ihre Darbietung mit „Monochrome“ – gleichfalls Opener der aktuellen CD – begannen. Die Halle verwandelte sich immer mehr in einen brodelnden Mikrokosmos, besonders die Damen fühlten sich vom lässigen Charme des grazilen David Bowie-Lookalikes Eskil angesprochen. David Bowie in jungen Jahren natürlich, bevor ich gekreuzigt werde… Man hatte sich wie üblich in schwarze Anzüge gesteckt, was die eleganten Songs auch optisch passend unterstrich. Der Set ähnelte dem der letzten Tour, ich hatte COVENANT schon in Bielefeld zusammen mit DUPONT gesehen. Von der „Northern Lights“ wurden natürlich die Singles „Bullet“ und „Call the Ships to Port“ dargeboten, aber auch die älteren Klassiker kamen nicht zu kurz. Es gab das frenetisch abgefeierte „Dead Stars“ zu hören, ebenso wie den „Leiermann“ (natürlich aufgrund der Location in deutsch) oder auch das bislang eher selten gespielte „Wasteland“ von der „Dreams of a Cryotank“-CD. Clas und Joakim blieben nicht wie viele andere Keyboarder stumpf hinter ihren Maschinen, nein, sie unterstützen ihren Barden durch Gesang und optische Präsenz am vorderen Bühnenrand. Die Stimmung kochte und vorne kam es gar zu unkontrollierten Bewegungen im Auditorium. Noch 2 Zugaben mit jeweils 2 Songs rundeten den nahezu perfekten Auftritt ab, der Sänger schien sichtlich gerührt zu sein von der Verehrung, die ihm zuteil wurde. „We want Revolution“, der Klassiker „Figurehead“ sowie das alles beendende „One world, one sky“ holten noch mal letzte Reserven aus den schwarzen Gestalten, immerhin war es mittlerweile schon deutlich nach 2 Uhr morgens. Bei „One world…“ improvisierte Eskil sogar mit ein paar textlichen Einschüben von R.E.M. („It’s the end of the world as we know it…“). Ein würdiger Headliner mit Stil und Eleganz!

Während wir die Heimreise antraten, war das Event aber beileibe nicht zu Ende. Es standen noch DJ-Sets einiger namhafter Szenegrößen wie eben Mozart oder auch Johan Van Roy (SUICIDE COMMANDO) auf dem Programm. Das sollte aber den Einheimischen vorbehalten sein…

Copyright Fotos: Jörg Rambow

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