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BLACKMAIL – XRFARFLIGHT

Ort: Hamburg – Molotow

Datum: 20.05.2011

Ich war bei einem der letzten BLACKMAIL-Konzerte mit Sänger Aydo Abay Ende 2008 dabei, da war es natürlich Ehrensache, dass ich auch bei einem der ersten Gigs mit dem neuen Mann am Mikro und den Saiten, Mathias Reetz (Ex-JUNIAS, THE HEART OF HORROR), mit von der Partie sein würde. So ging es für mich am späten Freitagnachmittag 250 km Richtung Norden, um mich nach Bezug meines Hotelzimmers, das kaum zentraler auf der sündigen Meile gelegen sein konnte, auf zum Molotow am Spielbudenplatz zu machen, wo ich feststellen musste, dass sich das Thema „Rotlicht-Viertel“ heuer auch in den Konzert-Venues fortsetzen sollte, weshalb ich die Qualität der Fotos zu entschuldigen bitte.

Offensichtlich hatte man an diesem Abend außerdem noch eine Menge vor, denn als ich kurz vor 20.00 Uhr die Kellerräume des von Abriss bedrohten Clubs betrat, waren die beiden Lokalmatadoren von XRFARFLIGHT bereits in vollem Gange. So blieb mir nur die zweite Hälfte ihrer Support-Show, wobei ich gerade rechtzeitig zum Instrumentenwechsel am Bühnenrand in Position ging. Der Musiker, der zunächst an der Langaxt agiert hatte, wechselte alsbald an die Schießbude und überließ dem Kollegen den so frei gewordenen Sechssaiter. Auf der ohnehin schon ziemlich vollen Bühne hatte das Duo außerdem noch eine elektrische Orgel aufgebaut und zum Drumkit gehörte noch ein kleines Keyboard. In Summe machte das angenehm verqueren Indie mit einem Hang zu psychedelischen Sixties-Sounds, was zumindest während meiner Anwesenheit mit abwechsungsreichen Laut-Leise-Variationen gefiel, angenehm zu schrammeln wusste und auf der Zielgeraden auch durchaus in die Vollen ging. Als Beispiel sei hier der vorletzte Song „Slow Motion Hospitalism“ vom Debüt-Longplayer „Eary Bird Catches“ genannt, der alles andere als in Zeitlupe verharrte und es ordentlich krachen ließ. Als Lohn gab’s vom zahlreich erschienenen Hamburger Indie-Publikum, das sich auch gleich noch mit dem im März veröffentlichen XRFARFLIGHT-Silberling „Under The Spell of The Cyclops“ eindecken konnte, dann auch freundlichen Applaus.

Zunächst hieß es jedoch die Bühne räumen, um Platz für den Hauptact des Abends zu schaffen. Eine knappe halbe Stunde später war das BLACKMAIL-Equipment startklar und zu den Intro-Klängen von „Santa Rosalia“ vom brandaktuellen siebten Studio-Album „Anima Now“ bahnten sich Kurt (Gitarre) und Carlos (Bass) Ebelhäuser, sowie Mario Matthias (Schlagzeug) und besagter Mathias Reetz (Gesang & Gitarre) einen Weg durchs Auditorium, um an ihren Arbeitsplatz zu gelangen, wo an den Keys bereits ein fünfter (namenloser) Mann Aufstellung genommen hatte. Was folgte, waren 75 hochenergetische Minuten, die wie im Fluge vergingen und in deren Verlauf sich das proppenvolle Kellergewölbe in einen wahren Hexenkessel verwandelte. Offensichtlich hatten sich die Zuschauer bereits im Vorfeld mit der erst drei Wochen alten Scheibe vertraut gemacht, denn die ersten flotten Hörproben wurden bereits vereinzelt mitgesungen und mit viel Beifall bedacht. Band-Neuzugang Mathias machte seine Sache an Mikro und Gitarre bestens, wobei sich live doch deutliche stimmliche Unterschiede zu seinem Vorgänger raushören lassen. Dass auch das Auftreten auf der Stage ein ganz anderes ist, war ebenfalls absolut okay, BLACKMAIL brauchten ja schließlich keine Aydo-Abay-Kopie, sondern einen Fronter, der mit Herzblut und handwerklichem Können bei der Sache ist und den haben sie zweifelsohne gefunden. Spätestens mit „Away With The Fairies“ vom 2006er „Aerial View“ gab’s im Molotow kein Halten mehr und auch der verzerrte Gesang und die krachenden Gitarren von „Evon“ (2003 auf „Friend Or Foe?“ erschienen) wurden standesgemäß abgefeiert. „Airdrop“ von der gleichen Langrille ließ es zunächst etwas ruhiger angehen, um dann auf das Feinste zu schrammeln, ehe schließlich mit „Resonant Wave“ und „Telescope“ erneut zwei neue Tracks ins Rennen gingen, die es druckvoll krachen ließen. Das bassbetonte „It’s Always A Fuse To Live At Full Blast” mit seinen orientalisch angehauchten Keyboard-Zwischentönen zählt ebenso wie „(Feel It) Day By Day“ zu den BLACKMAIL-Klassikern, auch wenn beide Stücke erst vor drei Jahren auf „Tempo, Tempo“ das Licht der Plattenläden erblickt haben. Leider markierten diese beiden Highlights nach 50 Minuten auch schon das Ende der regulären Spielzeit, der aber natürlich noch ein Nachschlag folgte.

So verließ die Mannschaft auch nur für einen kurzen Moment die Bühne, um schnell zu erkennen, dass sie eh nicht in den Backstage-Bereich käme und kehrte umgehend wieder in das schummrige Rampenlicht zurück. Hier ging’s mit dem vergleichsweise getragenen „Night School“ weiter, nachdem sich Kurt bei einem Fan seine Kippe in Brand gesetzt und zur Belohnung ein Bier spendiert hatte. Die Spieltechnik des Musikers und Produzenten fasziniert mich ja immer wieder. Häufig greift er den Gitarrenhals nicht von unten, sondern spielt sein Instrument, indem er die sechs Saiten von oben kommend bearbeitet. Bei „Bugs“ war schließlich der Gesang aller drei Saitenkünstler gefragt, ehe es mit „Moonpigs“ ins grandiose Finale ging. Hier wurde in der gebotenen Ausführlichkeit und Intensität gerockt, dass es nur so eine Freude war. Kurt startete mit einem ausgiebigen Solo, das wahrlich Großes ankündigte und von den begeisterten Fans auch umgehend in Bewegung umgesetzt wurde. Gleiches galt auch für das abschließende „Friend“, welches ganz ohne Text auskam und erfreulicherweise fast kein Ende finden wollte. Wenn es nach mir gegangen wäre (und damit stehe ich sicher nicht allein da), hätten die Koblenzer, die seit 1994 insbesondere live zur ersten Indie-Garde zählen, gern noch ein paar weitere Lieder zum Besten geben können. Material wäre schließlich ausreichend vorhanden und dass Mathias Reetz auch die alten BLACKMAIL-Sachen hervorragend umsetzt, hat er ja ohne Fehl und Tadel unter Beweis gestellt.

Setlist BLACKMAIL
Santa-Rosalia-Intro
Monographic Doll
The Whys of The Ways
Deborah
Away With The Fairies
Evon
Airdrop
Resonant Wave
Telescope
It’s Always A Fuse To Live At Full Blast
(Feel It) Day By Day

Night School
Bugs
Moonpigs
Friend

Copyright Fotos: Ulrike Meyer-Potthoff

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