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BUNDESVISION SONG CONTEST 2008

Ort: Hannover - TUI Arena

Datum: 14.02.2008

Valentinstag – Fußball UEFA Pokal – Bundesvision Song Contest: Was für ein Overkill für einen kalten Februar Abend. Da hat Pro 7 offensichtlich mit Top Quoten gerechnet, als man das Bayern-Spiel und Raabs Songwettstreit miteinander kombinierte. So ganz ging die Geschichte allerdings nicht auf, mit 1.58 Mio. Zuschauer holte man zwar einen ganz ordentlichen Marktanteil (insb. in der werbewirksamen Zielgruppe), erreichte aber nicht mal mehr die Hälfte des Debüt-Ergebnisses (3.23 Mio.). Letztlich zählt aber der Unterhaltungsfaktor und da auch dieses Mal ein paar terror-affine Acts am Start waren, lümmelten wir uns gemütlich auf dem Sofa, als der breit grinsende Metzgersgeselle und seine Co Moderatorin (zum 2ten Mal Johanna Klum/ VIVA) die ausverkaufte TUI-Arena betraten. Schließlich hatten OOMPH! plus Marta Jandová durch den Vorjahressieg das Event nach Niedersachsen geholt. Und natürlich durfte da Landesvater Wulff nicht fehlen, der für ein paar Wählerstimmen auch noch die Eröffnung eines Erotik Shops mitfeiern würde. Für mich einer der nervigsten Politiker überhaupt, penetrant geltungssüchtig und aalglatt. Aber hier soll es ja um Musik gehen.

Und die wurde natürlich wieder von 16 Bands für ihr jeweiliges Bundesland präsentiert, quer durch alle Genres, quer durch alle Bekanntheitsgrade, eher am Massen- denn am Indie Geschmack orientiert, worin ich kein Problem sehe. Das Ganze spielte sich ohrenscheinlich überwiegend im Halbplayback ab, somit konnte man zumindest dem Live-Gesang mal ganz ungefiltert frönen, wobei sich manche Abgründe auftraten. Hier ein paar Sätze zu den Künstlern im Einzelnen:

Hamburg: DAS BO „Ohne Bo“
Der eindeutig am schlechtesten frisierte Sänger (Rudi Völler in einer 80er Jahre Zuhälter Variante) mit einem etwas abgewandelten Refrain der MÜNCHENER FREIHEIT. Sozusagen die Nord-Süd-Integration inklusive Generationen-Vertrag. Von vorneherein chancenlos wenngleich nicht ganz unsympathisch.

Mecklenburg-Vorpommern: JENNIFER ROSTOCK „Kopf oder Zahl“
Mischung aus IDEAL, NENA und MIA. vorgetragen von einer Retrokapelle mit einem gepiercten Springball als Fronterin. Aufgedreht, schrill und für einige sicher nervig. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten aber mitreißend und quietschfidel. Electro Rock mit NDW-Einflüssen. Gefällt mir gut und ich werde mir das Debütalbum der Dame (Mischung aus R…OCK und OST) mal zu Gemüte führen.

Hessen: RAPSOUL „König der Welt“
Rap und Soul. Meine beiden Lieblingsgenres. Nicht wirklich. 3 pseudo-integrative Herren auf Stimmenfang mit Kinderchor, der keine Ahnung hat, wie er sich auf der Bühne verhalten soll. Überraschende gesangliche Schwächen. Absolut bedeutungslos.

Saarland: CASINO ZERO – „Gib mir einen Blick“
Oh mein Gott. Gibt es im ganzen Saarland tatsächlich keine besseren Schüler Combos? Grauenhafter „Pop Rock“ mit fürchterlich krächzendem Sänger und einem leuchtenden Tannenbaum als Wanderdünen-Animateuse? Wer hat damals eigentlich für den Anschluss des Bundeslands an Deutschland gestimmt? Aber im Ernst: Wenn ihr so weiter macht, könnt ihr doch einfach den letzten Platz blind vorab buchen und uns nicht mit Peinlichkeiten nerven. Um Klassen schlechter als alle anderen…

Sachsen: THE FAR EAST BAND feat. DEAN DAWSON „Unfassbar“
Featuring „Wen“? Was ist das denn für ein Gehirnamputierter Hampelmann? Die musikalische Seite ist ja ganz in Ordnung, wenn man auf Dancehall steht, ist ja auch die GENTLEMANN Backing Combo. Aber wenn schon dicke Hose, dann lieber Alexx von EISBRECHER. Proleten Musik.

Sachsen-Anhalt: DOWN BELOW „Sand in meiner Hand“
Die Düster Goth-Pop-Truppe mit der undurchsichtigen Vergangenheit unterstützt von SM Ausdruckstänzern. Ob die wohl die ziemlich schlechte stimmliche Darbietung von Schönling Neo-Scope verschleiern sollen? Den habe ich aber von diversen Konzerten besser in Erinnerung. Auf der Bühne immerhin Benny Cellini von der LETZTEn INSTANZ sowie Hennig, der Tastendreher bei UNHEILIG. Das gibt Pluspunkte, man tourt ja demnächst auch zusammen. Song tut keinem weh, Pathos und Melodie und etwas Weltschmerz. Aber der Gesang in den Strophen…

Bremen: PAULSREKORDER „Anna“
Da gab es doch schon mal so einen Liedtitel („Du bist von hinten wie von vorn…“) aber das hier ist 80er Pop Rock mit Keyboard und androgynem Outfit. PLACEBO lassen grüssen. Kann gefallen, dürfte aber aufgrund mangelnder Fanbase chancenlos sein. Nach Frau Rostock die 2te positive Überraschung.

Schleswig-Holstein: PANIK „Was würdest du tun?“
Die mittlerweile mit großem Tamtam umbenannten NEVADA TAN und ihr Crossover Rock. Gesungener Refrain, gerappte Strophen, einige Riffs, viel Feuer auf der Bühne. Sehr auf dicke Hose gemacht, aber gar nicht so schlecht dargeboten, wenn man denn diesem Sound noch was abgewinnen kann. Immerhin nicht peinlich…

Brandenburg: SUBWAY TO SALLY „Auf Kiel“
Unsere Lieblings Folk Metaller mit der immensen Live Erfahrung. Die Herrschaften von Nuclear Blast sitzen freudig erregt in Erwartung neuer Käuferschichten vor den Schirmen. Eric grüsst mit seinem bekannten „Hallo Freunde“ und er hat definitiv einige. Gute und saubere Leistung am Mikro (wie zu erwarten) und auch der Rest rockt ansehnlich. Ein typischer SUBWAY Song und sicherlich ein Geheimtipp.

Nordrhein-Westfalen: SISTERS „Unite“
Ein leidlich mit ein paar deutschen Worten aufgepeppter Soul, Dancehall, Rap irgendwas Song von einer weiblichen Kommune aus meinem Heimatland. Die SISTERS OF MERCY wären mir lieber gewesen. Für jeden Damengeschmack was dabei von der kleinen Kampflesbe über die tätowierte Keyboarderin bis zu der Frau mit den fast heraus purzelnden dicken Möpsen. Ja ich bin sexistisch, stehe ich zu und die Musik interessiert mich auch Null, wenngleich in dem Genre sicher ok. Wahrscheinlich auch total integrative, tolerante Frauen, die wir so brauchen in dieser brutalen Zeit, aber das nächste Mal dann doch bitte wieder POHLMANN oder besser noch UNHEILIG au Aachen…

Rheinland-Pfalz: PEILOMAT „Jenny“
Drei Jungs, die schon mit TOKIO HOTEL unterwegs waren. Gibt es schlimmeres. Der Bassist geht offensichtlich in seiner Transenrolle auf, sieht auch SEHR weiblich aus. Song klingt wie 1000 mal gehörter Pop Rock aber doch ganz sympathisch vorgetragen zwischen all den Show Stoffels. Unteres Mittelfeld würde ich mal sagen.

Thüringen: CLUESO „Keinen Zentimeter“
Der Herr vertritt sein Bundesland schon zum 2ten Mal, Song läuft auch „hierzulande“ bereits im Radio. Die Bühne ist voll von Streichern und Bläsern und der Mann singt sauber und unprätentiös. Zwar etwas spröde aber doch angenehm, kann man nicht anders sagen, wenn man an den sonstigen Krawall denkt.

Bayern: SPORTFREUNDE STILLER „Antinazibund“
Ich bin wahrlich kein großer Fan der Herren, die menschlich durchaus einen netten Eindruck machen. Aber DIESER Titel ist wirklich unter aller Kanone: Lieblos, langweilig, plakativ mit seinem Text. Dazu passt auch die Performance auf nem alten Kleinlaster. Wenn das eine Newcomertruppe wäre, würde man zu sofortiger Auflösung raten…

Berlin: CULCHA CANDELA „Chica“
Die “2te Klasse SEEEDs“ mit ihrem momentan angesagtem Dance Hall. Text ist sauprollig, dazu sitzt ziemlich sinnlos eine Dame mit dekorativer Schlange auf dem Sofa. Die kurzhaarige Tänzerin ist lecker, aber viel zu selten im Bild. Präsentation passabel, wird wohl der avisierten Zielgruppe gefallen und der Favoritenrolle eher gerecht als die Sportis. Natürlich lässt man die bekanntesten Namen wieder ganz am Ende auftreten, haben die Plattenfirmen wohl so gefordert.

Baden-Württemberg: LAITH AL-DEEN „Du“
Habe den Mann bei seinem Bielefeld-Auftritt durchaus schätzen gelernt. Gute Ausstrahlung und Stimme. Aber musste es unbedingt eine Reggae-angehauchte Nummer sein? Etwas lahmarschig, dürfte damit wohl seine eigentlich guten Chancen verspielt haben.

Niedersachsen: MADSEN „Nachtbaden“
Das Gastgeberland mit recht krachiger Nummer, die man auch schon aus den Medien kennt. Etwas dissonant gesungen, sehr gewöhnungsbedürftiger Refrain, tolle Strophe, gute lyrische Aussage. Sicher qualitativ weit vorne bei diesem Contest aber evt. zu anstrengend. Wird in der Halle natürlich heftigst abgefeiert.

So das waren also die Kandidaten, die uns nun noch in Schnelldurchgängen für das anstehende Wahlverfahren schmackhaft gemacht werden. Musikalisch überzeugend für mich MADSEN, PAULSREKORDER, JENNIFER ROSTOCK und CLUESO. Mit Abstrichen noch SUBWAY TO SALLY und PANIK. Raab und seine etwas affektierte Co erklären gefühlte 100 Mal das SMS-Wahlprozedere. Dann natürlich Werbung und zur Krönung dürfen die Vorjahressieger noch einmal ran: OOMPH! geben immer noch die bösen Männer und Marta hat heute wieder etwas Strenges an sich. Demnächst dann als Headliner auf dem Amphi vor dem richtigen Zielpublikum. Pummelbär Elton versucht sich an Backstage Berichterstattung, wird vom BO fast erwürgt (nach einem Frisuren Scherz), legt sich die Schlange der CULCHAs an und bekommt einen dicken Schmatzer von der PEILOMAT-Transe. Aber der Mann kann ja einiges (aber auch NUR ab). Dann endlich die zelebrierte Punktevergabe mit einigen nicht gerade witzigen Radiomoderatoren, die beweisen, warum sie hier im falschen Medium sind. Eine gepiercte/ tätowierte Bitch gehört meist zum Duo.

Und dann die Überraschung: Berlin und vor allem Bayern bekommen kein Bein auf den Boden. Geil! Dafür zeichnet sich früh ein Duell zwischen Thüringen und Brandenburg ab. Ok, die SUBWAYs haben treue Fans, aber auf CLUESO hätte ich nicht gesetzt. Sitzen wohl doch neutrale Besucher mit Geschmack vor der Glotze. Dahinter noch gut im Rennen: JENNIFER ROSTOCK, MADSEN und (ebenfalls überraschend) DOWN BELOW. Das Saarland und Sachsen bekommen nur aus ihrem Bundesland Punkte. Sogar alle 12, das muss wohl eine große Überwindung gewesen sein. Nur NRW kriegt den Heimvorteil nicht richtig hin, denn die SISTERS landen mit 10 hinter unseren Mittelalter Metallern. Hier bestätigt sich noch mal die sehr starke Gothic/ Metalszene zwischen Rhein und Ruhr. Der Zweikampf spitzt sich gegen Ende immer mehr zu, lediglich ein Punkt trennt die Kontrahenten. Niedersachsen als letzte Landesjury verhilft schließlich STS mit nur einem Punkt den Sieg. Ganz vorne überwiegend die Ostländer, auch in diesem Bereich hat der Stefan sein großes Vorbild, den echten Grand Prix also eingeholt. Demnächst also auch hier Regeländerungen, um das gegenseitige Punktzuschanzen zu verhindern? Wohl eher nicht, ist ja alles nur ein Spiel.

Fazit: Ein qualitativ eher durchwachsenes Feld, relativ spannende Punktevergabe und eine ganz klare Erkenntnis: Eine bekannte Genre Formation, insbesondere aus dem schwarz-angehauchten Lager wird immer deutlich mehr Fans organisieren als eine eigentlich viel größere Pop Combo. Die ziehen zwar ordentlich Zuschauer, aber wer von denen wird mit Leib und Seele sein sauer verdientes Geld via SMS der Telekom in den Rachen werfen? Eigentlich eine beruhigende Erkenntnis… Und wenn man vom Bundesvision Song Contest lediglich ein unterhaltsames Spektakel ohne Anspruch erwartet, ist man bei diesem Raab-Vehikel bestens aufgehoben. Hoffentlich auch in den Folgejahren trotz sinkendem Zuschauerzuspruchs…

Endergebnis:
01 Brandenburg: SUBWAY TO SALLY – “Auf kiel” (147 Punkte)
02 Thüringen: CLUESO – “Keinen Zentimeter” (146)
03 Sachsen-Anhalt: DOWN BELOW – “Sand in meiner Hand” (96)
04 Niedersachsen: MADSEN – “Nachtbaden” (94)
05 Mecklenberg-Vorp.: JENNIFER ROSTOCK – “Kopf oder Zahl” (79)
06 Schleswig Holstein: PANIK – “Was würdest du tun?” (75)
07 Berlin: CULCHA CANDELA – “Chica” (66)
08 Hessen: RAPSOUL – “König der Welt” (51)
09 Baden-Württemberg: LAITH AL-DEEN – “Du” (46)
10 Bayern: SPORTFREUNDE STILLER – “Antinazibund” (32)
11 Bremen: PAULSREKORDER – “Anna” (20)
12 Hamburg: DAS BO – “Ohne Bo” (19)
13 Rheinland-Pfalz: PEILOMAT – “Jenny” (17)
14 Nordrhein-Westfalen: SISTERS – “Unite” (16)
15 Saarland: CASINO ZERO – “Gib mir einen blick” (12)
15 Sachsen: THE FAR EAST BAND FEAT. DEAN DAWSON – “Unfassbar” (12)

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