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BUNDESVISION SONG CONTEST 2009

Ort: Potsdam -Metropolishalle

Datum: 13.02.2009

Stefan Raabs „Bundesvision Song Contest“ ging in die fünfte Runde und trotz abnehmenden Zuschauerinteresses ist die Veranstaltung mittlerweile ein kleiner Lichtblick für die darbende Plattenindustrie. Zumindest die Zielgruppe zwischen 18 und 49 diskutiert immer noch eifrig über Sterne und Sternchen, über Eintagsfliegen und Erfolgsbands. Die 2009er Auflage fand in der taufrischen Metropolishalle zu Babelsberg statt, da die Mittelalter Rocker von SUBWAY TO SALLY („Hallo Freunde“) den Preis im Vorjahr – ein wenig überraschend – einfahren konnten. Nach der launigen Begrüßung durch den Pro 7-Alleskönner durfte zunächst der Landesvater ein wenig Werbung für sich und seinen Musikgeschmack machen. Betont jovial erklärte Matthias Platzeck sich kurzerhand zum Gothic Fan und die SUBWAYs zu seinen Saufbrüdern. Danach wurde es zumindest optisch annehmbarer, denn Stefans Assistentin Johanna Klum übernahm das Beiboot. Eine einigermaßen sattelfeste Quasselstrippe, an diesem Tag hatte sie in der Garderobe aber ordentlich daneben gegriffen. Letztlich sollte es aber natürlich um Musik gehen, die zumindest im Bereich der Vocals live über den Äther gesendet wurde. Die kurzen Videos über die jeweiligen Bundesländer geben natürlich schon lange nichts Neues mehr her, gehören aber zu den eingefleischten Riten des Wettbewerbs. Ebenso wie 16 Künstler, die im folgenden, nur unterbrochen von den obligatorischen Werbepausen, ihre Visitenkarte abgaben. Hier das Ganze im Schnelldurchlauf:

FRÄULEIN WUNDER – Die vier sehr jungen Damen eröffneten den Reigen und polterten mit ihrem Pop Rock ordentlich drauf los. Sängerin Chanty sah aus wie die weibliche Variante von TOKIO HOTELs Bill (so denn das überhaupt möglich ist…) und trällerte das simpel-gefällige Lied ganz ordentlich. Zuletzt ja noch unter Terrorverlag-Beobachtung als Support von THE RASMUS.

P:LOT – Das Saarland konnte in den bisherigen Auflagen des Contests nicht gerade von sich reden machen. Allerdings bietet die geringe Bevölkerungszahl nun auch keinen Nährboden für allzu viele erfolgreiche/ kompetente Künstler. P:LOT punkteten aber bereits rezitechnisch ganz ordentlich bei uns und machten zudem im Trailer einen sympathischen Eindruck. Leider zeigte sich Fronter Alexander Freund vor allem in den Strophen als nicht unbedingt sattelfest. Gerade die Wechsel hin zur Kopfstimme schienen doch manchmal ein wenig zu anspruchsvoll. Ansonsten ist „Mein Name ist“ (von gleichnamigen aktuellen Werk) ganz ordentlicher Alternative Rock.

MARTERIA – Ein ehemaliges Model und dazu Jugend-Fußballnationalspieler mit einer Vorliebe für Holzfällerhemden macht auf Billig-SEEED. Der Mann mag eine kräftige Stimme haben, nur zum Singen/ Rappen etc. sollte er sie nicht weiter verwenden. Abstiegskandidat.

ANGELA’S PARK – Die Berliner kamen mit der Auszeichnung des UDO LINDENBERG-Panikpreises 2008 nach Potsdam und Sängerin Angela präsentierte sich als Kreuzung aus NENA und JENNIFER ROSTOCK. Ebenso aufgedreht und wild chargierend auf der Bühne. Der Text von „Generation Monoton“ besitzt Charme & Intelligenz, doch beim Bundesvision Song Contest dürften nur die wenigsten Lyrik-Fanatiker sein…

RAGE – Der Exot im heutigen Teilnehmerfeld waren die Power Metal Urgesteine RAGE, die bereits 25 Jahre und annähernd 20 Longplayer auf dem Buckel haben. Dafür sehen die Herren um den Gitarrenvirtuosen Victor Smolski noch erstaunlich agil aus. Normalerweise im anglikanischen Textraum dichtend präsentierten sie eine einfach-eindringliche Hymne an den Mut und den Durchhaltewillen, die im Ruhrgebiet sicher ihre Fans finden wird. Ohne Zugeständnisse wurden die Langäxte geschwungen wie auf dem Wacken Open Air. Mag den einen oder anderen Zartbesaiteten vom Fernseher vertrieben haben und selbst ich mit meiner metallischen Sozialisation bin nie ein großer Freund der zweifellos authentischen Combo gewesen.

CHAPEAU CLAQUE – Die Erfurter aus dem NORTHERN LITE-Umfeld (auch schon auf Raabs Bühne gesichtet) bieten normalerweise durchaus charmanten Electro Chanson Pop an. Heute allerdings eine modifizierte Version von „Pandora (Kiss Miss Tragedy)“, die nicht so recht zünden wollte, da konnte Maria Antonia Paula Schmidt beim Refrain noch so oft auf die Knie gehen. Zumindest eine sehr interessante Bühnenerscheinung die Dame, die ein wenig an MIA.s Mietze im Schlankheitswahn erinnert.

SVEN VAN THOM – Der Mann, der die Trophäe in Brandenburg halten sollte. Von vorneherein ein aussichtsloses Unterfangen, aber dafür zeigte der Herr intelligenten Humor und brachte Elton mit seinem Nazi-Scherz im Green Room für ein paar Sekunden aus der Fassung. Sehr schön. Normal eher dem Singer Songwriter Genre zugeordnet wurde heute gerappt und gerockt. Die Aussage des Titels („Ich hab Berlin gekauft“) dürfte den Brandenburgern gut gefallen, auch Herr Platzeck zeigte sich ja diesbezüglich sehr aufgeschlossen. Toller Text, guter Track.

CLAUDIA KORECK – Bayerischer Mundart-Pop? Kann das gut gehen? Die noch recht junge gebürtige Traunsteinerin zeigte sich wunderbar unaffektiert und bot zudem eine stimmlich sehr ansprechende Leistung, ein wenig JULIANE WERDING im Dialektrausch. Der Song bot zwar den ganzen Abend über Anlass für einige mehr oder weniger gelungene Bonmots, war aber selbst für einen norddeutschen Terrorverleger nett anhörbar.

RUBEN COSSANI – Das Hamburger Trio hat sich beim Fußballspielen kennen gelernt und startete an diesem Abend für Schleswig-Holstein. Mit dreistimmigem Gesang und 60ies Retro Pop im Gepäck eine positive Überraschung des Abends, zumal auch der Trailer Intelligenz und Schlagfertigkeit bewies. Der eine oder andere dürfte Michel van Dyke (links) erkannt haben, als Produzent seit Jahren eine anerkannte Größe in Pop-Deutschland. Die Erfolgschancen mit diesem Stil waren dennoch eher als gering anzusehen.

FOTOS – Angekündigt als Brit Rock machten die sympathischen Niedersachsen mit ihrer leicht hektischen Art ihre Sache erwartungsgemäß gut. Allerdings haben die Jungs schon deutlich bessere Titel als „Du fehlst mir“ komponiert. Der Refrain wirkte nicht sonderlich innovativ.

FLOWIN IMMO ET LES FREAQZ – Für Bremen ein alter Hip Hop Veteran (mir dennoch nicht bekannt) plus verrücktem Anhang. Zuerst hatte man den Eindruck, DIE ANGEFAHRENEN SCHULKINDER hätten die Bühne geentert. Allerdings wäre ein Vergleich mit deren Anarcho-Humor schon fast Blasphemie bei dieser Darbietung aus der Klischee Mottenkiste. Mit das Schlechteste des Abends, da konnten auch die permanenten Kiffer-Allüren nicht helfen.

PASCAL FINKENAUER – Der Herr mit der geringen Kopfbehaarung war schon erfolgreich mit den FETTEn BROTen verbandelt, macht aber auch solo recht gute Alternative angehauchte Mucke. „Unter Grund“, auch Titel des neuen Albums, präsentierte sich als gut getextete und treibende Pop Rock Perle, die ein klein wenig am etwas einfallslosen Refrain krankte. Die von rollierenden Kameras eingefangene Performance machte Laune, vielleicht fehlt dem Sänger für so eine Veranstaltung aber etwas der Sex-Appeal.

POLARKREIS 18 – Die Überflieger aus Sachsen sind durch ihren „Krabat“-Hit „Allein Allein“ mittlerweile Deutschlandweit bekannt. Von daher gehörte man zweifellos zu den Mitfavoriten. Trotz ihrer Bühnenerfahrung gaben sich die Herren vorab sehr nervös, mag vielleicht am intensiven Milchkonsum gelegen haben. Auf der Bühne ließ man sich dann nichts anmerken: Eine sehr exaltierte Performance, bei der Glassärge eine Rolle spielten, sowie der Falsett-Sänger Felix Räuber zwischen „Barbarella“ und „Schneewittchen“ ließen ihren Pathos Indie Pop mit COLDPLAY-Anklängen zu einem Highlight der Veranstaltung werden.

CASSANDRA STEEN – Ursprünglich dem 3P-Umfeld entsprungen und als Sängerin von GLASHAUS sehr erfolgreich galt Cassandra vorab auch als Anwärterin auf die vorderen Plätze. Zumal in ihrem Song-Segment (souliger Pop) keine Konkurrenz am Start war. Die Performance ging dann auch voll in Ordnung, die asiatischen Trommeln im Background sorgten für interessante Farbtupfer und der Refrain von „Darum leben wir“ hat was, kann man nicht anders sagen.

OLLI SCHULZ – Angetreten mit der GHVC-Posse HOME OF THE LAME im Hintergrund und einigen Amateurtänzern, die sich im Internet beworben hatten, machte der überaus unterhaltsame Kulturschaffende den „Bibo“. Ein Ballermann-Song von Jemandem, der einen Schulabschluss hat. Ein Novum. Und das, obwohl der smarte Herr noch vor nicht allzu langer Zeit lieber seinen Urin trinken wollte, als bei Raabs Event aufzutreten. Ein schöner Refrain, eine interessante Tanzchoreographie und eine herrliche Anmoderation über die Verhältnisse in Hamburgs S-Bahnen. Dazu konnte er Elton nachher ungestraft als „mediengeiles Schwein“ titulieren und bewies eine erstaunliche Körperhaltung beim After Performance Spagat.

PETER FOX – Der absolute Favorit des Abends, natürlich an letzter Startposition und mit einem speziellen Werbeblock vorher. Muss das sein? Nichtsdestotrotz ist mir der SEEED-Musiker in den letzten Wochen ans Herz gewachsen, seine Lieder kann man sehr gut zum Indoor Cycling einsetzen – kleiner Sportexkurs Ende. Zusammen mit der „fülligen“ Cold Steel Drumline, Streichern und einer riesigen Horde von „Planet der Affen“-Komparsen an den Blasinstrumenten entfachte die dritte Single aus dem sensationell erfolgreichen „Stadtaffen“-Debüt insbesondere im Refrain einen tanzbaren Sog. Die melancholisch-kritische Lyrik beweist eine durchaus kontroverse Auseinandersetzung mit „seiner“ Hauptstadt Berlin. Dementsprechend frenetisch war der Applaus und schon jetzt war dem guten Peter der Sieg eigentlich nicht mehr zu nehmen.

Als nächstes folgten die Schnelldurchläufe, weitere Werbepausen und natürlich die Erläuterungen über den Abstimmungsmodus. Die Telekom und Co. wird es auf jeden Fall mal wieder gefreut haben. Dazu durften die Vorjahressieger („Hallo Freunde“) ihren Siegertitel „Auf Kiel“ präsentieren. Besonders bemerkenswert der neue Kurzhaarschnitt von „Frau Schmitt“, der zu gefallen wusste. Dann aber endlich das eigentliche Salz in der Suppe, die Schaltungen zu den jeweiligen Radiopartnern in den einzelnen Bundesländern. Zumeist wurde schnell deutlich, warum die Damen und Herren normalerweise nicht optisch in Erscheinung treten… Kalauer aus Hamburg gingen Hand in Hand mit düsterer Metal Elegie (natürlich in NRW) und diversen kreischenden Teenies. Sehr amüsant lediglich das Duo aus Baden-Württemberg: Da griff der „Morgen-Hans“ mal eben beherzt an die 2 Punkte (TITTEN!) der hübschen Tschechin neben ihm, die ihm ordentlich eine scheuerte. Fake oder nicht? Sah mir doch relativ spontan aus und auch im nachhinein kriegten die Beiden kaum die Kurve. Raab quittierte das Ganze einem verdutzten Lächeln. Punkte wurden auch noch vergeben, doch es wurde schnell eine Art Einheits-Voting klar. PETER FOX bekam entweder 12 oder 10 Points, abhängig davon, wie patriotisch das entsprechende Bundesland war. POLARKREIS 18 dann überwiegend 8 und RAGE 7, was vielleicht die einzige kleine Überraschung war. Auch hier wieder klar ersichtlich, wie stark die Metal und Gothic Szene ist, selbst bei einer aktuell nicht so angesagten Truppe. CASSANDRA STEEN und OLLI SCHULZ tummelten sich auf den folgenden Positionen, ebenfalls no suprise. Ein wenig enttäuschend in meinen Augen das Abschneiden von FOTOS und PASCAL FINKENAUER, die doch wesentlich mehr Anerkennung verdient gehabt hätten, was den Künstlern jedoch nicht großartig schaden wird. So durften gegen Mitternacht der strahlende Sieger und seine Stadtaffen zusammen mit der restlichen Bande noch einmal ein wildes Tänzchen aufführen. Berlin wird dann 2010 der nächste Austragungsort sein und dann darf es gern wieder etwas spannender und dafür weniger schablonenhaft zugehen. Dennoch war es insgesamt ein recht amüsanter Abend mit ein paar musikalischen Highlights.

Endergebnis:
1 Berlin PETER FOX Schwarz zu blau 174
2 Sachsen POLARKREIS 18 The Colour Of Snow 131
3 Nordrhein-Westfalen RAGE Gib Dich nie auf 112
4 Baden-Württemberg CASSANDRA STEEN Darum leben wir 103
5 Hamburg OLLI SCHULZ Mach den Bibo 73
6 Hessen FRÄULEIN WUNDER Sternradio 53
6 Thüringen CHAPEAU CLAQUE Pandora (Kiss Miss Tragedy) 53
8 Schleswig-Holstein RUBEN COSSANI Bis auf letzte Nacht 44
9 Brandenburg SVEN VAN THOM Jaqueline (ich hab Berlin gekauft) 37
10 Bayern CLAUDIA KORECK I wui dass du woasst 34
11 Bremen FLOWIN IMMO ET LES FREAQZ Urlaub am Attersee 25
12 Mecklenburg-Vorpommern MARTERIA Zum König geboren 23
12 Rheinland-Pfalz PASCAL FINKENAUER Unter Grund 23
14 Saarland P:LOT Mein Name ist 21
15 Niedersachsen FOTOS Du fehlst mir 12
16 Sachsen-Anhalt ANGELA’S PARK Generation Monoton 10

Copyright Foto: spiegel.de

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