Ort: Bolkow (Polen)
Datum: 28.07.2007
Samstag um 8 Uhr hieß es Aufbruch zu unserem ersten Festival im Ausland. Dieses sollte in Polen, in dem kleinen Ort Bolkow (bei Breslau) stattfinden. Die Castle Party lockt bereits seit 1994 einmal im Jahr Fans aus ganz Europa an. Im Norden Deutschlands schien noch die Sonne, was sich Richtung Süden mehr und mehr in einen grauen, verregneten Tag verwandelte. Nach 5 Stunden Fahrt passierten wir die polnische Grenze, um danach auf einer Autobahn weiterzufahren, die den Namen wirklich nicht verdient hatte. Ein „Achtung Strassnschäden“-Schild löste das nächste ab und auch wenn man laut Beschilderung 100 km/h und mehr fahren durfte, wollte man das nicht wirklich. Nachdem wir uns einige Male verfahren hatten, kamen wir dann aber doch noch in dem kleinen Örtchen an und suchten einen möglichst nahen Parkplatz an der imposanten Burg, die man schon von weitem erblicken konnte. Laut unserem Reiseführer sollte man schon in ganz Polen mit Euro bezahlen können. Nicht so in Bolkow! Der Parkplatzwächter verlangte 20 Zloty von uns. Wir taten ihm wohl leid und konnten so auch mit Euro bezahlen. Beherzt fragten wir nach einer Umtauschmöglichkeit, die es an diesem Samstagnachmittag nicht zu geben schien. Ohne einen einzigen Zloty machten wir uns auf, um das Gelände zu erkunden, außerdem hatte uns die bereits spielende Band neugierig gemacht. Also raus aus dem Auto, hinein in den strömenden Regen und in ein Meer aus Capes und Schirmen. Alle überdachten Plätze waren heiß begehrt und erschwerten unseren Rundgang durch das Burggelände. Bei schönem Wetter hätte alles noch ein wenig beeindruckender gewirkt, aber der Ausblick war auch so ziemlich bemerkenswert. Begeistert begingen wir Ecken und Gänge und kletterten auf steile Anhöhen, was in Deutschland aus Sicherheitsgründen wahrscheinlich unmöglich gewesen wäre. Die Bühne war mittelmäßig groß, besaß einen ungewöhnlich breiten Fotograben und bestand innen vollständig aus dunkler, blauer Plane, was ein bisschen an ein Aquarium erinnerte.
Pünktlich um 16.30 Uhr begannen die Hamburger CATASTROPHE BALLET ihr Set, noch immer im strömenden Regen. Die Anwesenden waren aber sehr entspannt und duldeten auch Regenschirme in den ersten Reihen. Frontmann Eric Burton lieferte eine souveräne Show ab. Die Leute nahmen den Auftritt interessiert auf und gerade bei den bekannten, älteren Hits wie „Garden of Decay“ oder „House of Hate“ war die Stimmung gut. Die restliche Band Vox T.homas (Gitarre), Matt E. (Bass) und Al X. (Drums) rockten ordentlich los, während Eric laut „Fuck the Rain“ ins Mikro brüllte, was im Publikum zu lautem Gejohle führte. Besonders stolz schien Eric auf die Songs des aktuellen Albums „…all beauty dies“ zu sein und intonierte voller Energie den Song „Consequently“. Im Anschluss folgte die Ballade „Licht in meinen Träumen“, wobei hier der Text auf Englisch und der Refrain auf Deutsch gesungen wurde. Die Stimmung litt mit Sicherheit etwas unter dem Regen und trotz aller Bemühungen der Band verhielt sich das Publikum eher zurückhaltend. So beendeten die Dark Rocker mit „Nothing“ vom 2003er Album „Test of Time“ den halbstündigen Auftritt.
Eine ganz andere Stilrichtung bot die Warschauer Horrorpunk/ Deathrock-Band MIGUEL AND THE LIVING DEAD, die hier ein Heimspiel hatte. Zur Freude aller ließ auch der Regen nach und die Sonne zeigte sich hin und wieder. Schon während der Umbaupause stand der im Anzug gekleidete Fronter Slavik im regen Kontakt (wir verstanden kein Wort) mit seinen Fans und leerte dabei zügig eine Flasche Vodka, die er immer wieder auch den Anwesenden anbot. Der Bekanntheitsgrad schien enorm zu sein, denn plötzlich drängelten sich die Menschenmassen nach vorne an die Absperrung. Die Gesichter aller Bandmitglieder waren gruselig bemalt und die Horrorshow begann. Mit Skeletten an der Gitarre und irren Gesichtsausdrücken schmetterten die Polen Songs wie „Batcave“ und „Postcard 2“ über den Burgplatz und ernteten Begeisterung, Applaus und grandiose Stimmung. Es landeten Slips auf der Bühne, die sich die Bandmitglieder munter über die Köpfe zogen und einem, der ebenfalls gelandeten Plüschtiere wurde der Kopf abgebissen. Den Anwesenden schien auch dies zu gefallen, während sie laut alle Texte mitbrüllten. Die irre aber durch Power und Energie glänzende Show, die das Publikum so begeistern konnte, beeindruckte uns, auch wenn die Musik nicht ganz unserem Geschmack entsprach. Im Anschluss wurde lauthals nach Zugabe geschrieen, welche aus Zeitgründen nicht möglich war.
Nun sollte unser zweiter Grund für diese Reise nach Polen auftreten: DIORAMA. Erfreulich war, dass die Sonne nun mit uns um die Wette strahlte und die durchnässten Klamotten wieder trocknete. Schon als Felix Marc (Keyboard) für den Soundcheck das Mikro testete und die ersten Töne von „HLA“ ansang, bekam ich eine Gänsehaut und das Publikum belohnte ihn mit überraschendem Beifall. Die Vorfreude stieg. Nach Felix betraten auch Drummer Marquess und Gitarrist Sash Fiddler die Bühne. Das Intro erklang, wurde lauter und pünktlich zur ersten Textzeile von „HLA“ betrat auch Sänger Torben Wendt die Bühne. Ein tosender Beifall empfing die Vier und unter der leuchtenden Sonne machte es allen gleich doppelt soviel Spaß. Das Publikum wurde schnell in Torbens Bann gezogen, der es immer besser versteht, die Menschen zu begeistern und mitzureißen. Hilfreich ist da immer wieder die perfekte Songauswahl, bei der schnellere, druckvolle Songs gewählt werden und natürlich die sympathische Ausstrahlung und Art, mit der er seine Zuhörer berühren kann. Energetisch forderten DIORAMA das Publikum mit „Synthesize me“ zum Tanzen auf. In die Hände klatschend kam dieses der Aufforderung gerne nach und reflektierte Torbens Freude. Immer wieder gesellte dieser sich zu seinen Bandkollegen und bekräftigte den Eindruck der Harmonie untereinander. Melancholisch, balladesk folgte das ruhige „Belle?“ vom Debüt-Album „Pale“, welches live ein besonderes Highlight darstellte. Wieder schneller und auch aggressiver kam „Erase me“ rüber, bei dem Torben wie ein Wirbelwind über die Bühne tanzte und all seine Ausdruckskraft in Stimme und Bewegung legte. Wieder klatschten wir im Takt und konnten in ehrlich erfreute Gesichter sehen. Bei einem Gitarrensolo rockten Torben und Sash (im Schottenrock) sich gegenüberstehend im Takt. Natürlich durfte auch hier der beliebte Clubhit „Advance“ nicht fehlen, bei dem Torben kurzzeitig die Bühne verließ, um im Fotograben die ihm gereichten Hände abklatschte. Der Dank für diese tolle Atmosphäre lag auf beiden Seiten und das Schwenken der polnischen Nationalflagge beim letzten Song „Why“ war nur noch das I-Tüpfelchen, um die Massen völlig ausrasten zu lassen. Die Band bedankte und verneigte sich noch mal ganz tief, um unter tosendem Applaus die Bühne zu verlassen. Wieder Zugabe-Rufe und plötzlich betrat Torben nochmals die Bühne. Allerdings mit entschuldigenden Worte, weil aufgrund des Zeitplans keine Zugabe möglich sei, aber dass DIORAMA gerne wiederkommen und dann auch länger spielen. Nochmals Begeisterungsstürme und wieder ein Zeichen für die unendliche Sympathie des Frontmanns!
Nach dem WGT-Auftritt diesen Jahres hatte mich die Musik von PRIDE AND FALL richtig vereinnahmt und so freute ich mich umso mehr auf das norwegische Trio. Dieses Mal wirkten die Jungs nur nicht so energiegeladen und aufgedreht und spulten im ersten Teil des Sets ihre Songs ab. Trotz der tanzbaren Elektrohits wie „Retrospect“, „Sacrament“ oder „The Violence in me“ sprang der Funke zum Publikum nicht über. Dieses war zwar freundlich und applaudierte brav, jedoch kannte ich das noch bedeutend besser. Irgendwann besann Sänger Sigve (in sehr schicken schwarzen Anzug) sich und forderte die Anwesenden zum Mitmachen auf, er selbst traute sich mal bis zum Bühnenrand und schon bekam er ein entsprechendes Feedback. Langsam tauten alle auf und bei „Border“ konnte man richtig Bewegung auf und vor der Bühne sehen. Das schien den drei Jungs auch besser zu gefallen, was man den Gesichtern entnehmen konnte. Viel entspannter und befreiter wurde auch ein neuer Song namens „Little“ des bald erscheinenden Albums „In my Time of Dying“ vorgestellt. Sigve beeindruckte mit seiner dunklen, tiefen und mystischen Stimme und der Song selbst wirkte traurig und geheimnisvoll. Das machte auf jeden Fall Lust auf mehr. Leider wurde trotz der gewünschten und gewährten Zugabe nicht „December“ gespielt, was den Stimmungspegel sicherlich noch ein wenig nach oben gebracht hätte. Gerne demnächst mal wieder in heimischen Clubgefilden!
Es folgte eine sehr lange Umbaupause, bei der krampfhaft versucht wurde, den Videoprojektor an die Decke der Bühne zu bringen. Beinahe wurden wir Zuschauer Zeugen eines dramatischen Leitersturzes, doch glücklicherweise konnte nach einer guten halben Stunde Verspätung doch noch mit dem Auftritt von SUICIDE COMMANDO begonnen werden. Die einbrechende Dunkelheit begünstigten die Videos und Lichtshow auf der Bühne. Hämmernde Beats ließen das Publikum immer unruhiger werden und die ersten bekannten Takte verwandelten den Burghof in eine tosende Menge, die jedes einzelne Wort mitsang. Die Keys bediente Infacted Recordings Labelchef Torben Schmidt, einen Live-Drummer hatte Mastermind Johan Van Roy ebenfalls im Gepäck. Die Show startete aggressiv und laut. Clubhits wie „Hellraiser“ und „Blind, Torture, Kill“ brachten etwas Wärme in die mittlerweile ziemlich kalte Luft. Johan hatte die Menge schnell im Griff, konnte sie spielend schreien und klatschen lassen. Nachdem er vor lauter Rage fast eine Box auf der Bühne umstieß, wurde ein polnischer Security-Mitarbeiter vor dieser postiert, der sich im folgenden Verlauf immer wieder anschreien lassen musste. Die typischen Grimassen schneidend wirbelte Johan immer wieder über die Bühne und erschwerte den Job aller Fotografen. „Dein Herz, meine Gier“ und „One Nation under God“ ließen die Stimmung nochmals steigern und in den vorderen Reihen herrschte ein heftiges Gerangel. Sogar die Angestellten mit „Staff“-Shirt ließen sich nicht von ihrem Chef aufhalten und tanzten ausgelassen im Fotograben herum. Euphorie und Begeisterung ließen Johan nur noch aggressiver werden, was in Form einer Bierdusche auf die Fotografen niederging. Auch der Drummer rastete schlussendlich richtig aus, stieß sein Instrument über die Bühne, trampelte darauf herum und sprang über die Bühne. Die Festival-Besucher tanzten sich regelrecht in Trance und schrieen einheitlich den Refrain zu „F*** you Bitch“. Ganz fannah sprang Johan runter in den Graben, um den Massen mit verzerrter Stimme noch mehr einzuheizen. Die konnten auch nach einer Zugabe nicht genug kriegen und boten SUICIDE COMMANDO mit Applaus und Schreien einen würdigen Rückzug.
Schon kurze Zeit später zeigte sich Johan dann wieder seinen Fans zum Autogramme schreiben, während nun weiter um die begehrten Plätze in den ersten Reihen gekämpft wurde, um dem Co-Headliner DIARY OF DREAMS so nah wie möglich sein zu können. Die Nacht war sehr klar, mit Sternen am Himmel und der leuchtend helle Vollmond hoch über der Bühne ergab ein stimmungsvolles Bild. Genau die richtige Kulisse für das gut gelaunte Quartett. DNS überraschte im neuen Look, ohne Iro mit ziemlich langen, dunklen Haaren, während Gaun:A, Torben und Adrian Hates im gewohnten Outfit die Bühne betraten. Nach dem Intro ertönten die Klänge von „Rumours about Angels“, was live selten gespielt wird und für mich schon zu Beginn ein absolutes Highlight darstellte. Abwechselnd leise Piano-Klänge wurden von Gitarrenklängen unterbrochen und Adrians Stimme wirkte noch viel tiefer und markanter als sonst. Gänsehaut beim ersten Song (bei mir) und freudige Gesichter um mich herum, ließen schon jetzt einen grandiosen Auftritt erahnen. Tosender Beifall belohnte die Auswahl des Songs und Adrians gute Laune wurde immer wieder deutlich, während er sich bedankte und viel mit dem Publikum kommunizierte. Hits wie „Chemicals“, „Butterfly:Dance“ und „The Curse“ folgten auch neuere Stücke vom aktuellen Album „Nigredo“, die allesamt vom Publikum euphorisch aufgenommen wurden. Immer wieder konnte man laute Schreie und Songwünsche aus dem Publikum vernehmen, die ein Grinsen auf die Gesichter der Bandmitglieder zauberten. Adrian und Gaun:A lieferten sich gegenseitig eine tolle Show und schienen perfekt aufeinander abgestimmt. Insgesamt reihten sich alle Vier in harmonisches Bild aus Licht, Musik und Bewegung. Auch „She“ vom Album „Amok“ hatte es in die Songauswahl geschafft, bei dem Adrian voller Gefühl und immer wieder enormer Ausdruckskraft den Text intonierte. Mit dem Ausspruch „You kick Ass“ bekam das überwiegend polnische Publikum noch mal ein schönes Lob. Die Ballade „Traumtänzer“ durfte natürlich auch nicht fehlen und selbst mit dem deutschen Text klappte das Mitsingen wunderbar. Ein kleiner Akustikteil nur von Torben am Piano begleitet ging richtig unter die Haut und in diesem Moment war ich mir wieder sicher, dass sich alle weiten Reisen für diese wunderbare Musik lohnen! Mit schnelleren Songs, wie „Soul Stripper“ und „Menschfeind“ wurde das Publikum aus der träumerischen Stimmung gerissen und konnte zeigen, dass es noch nicht zu müde zum Tanzen war. Viel zu schnell verging die Zeit des Auftritts und nach der Zugabe in Form von „Panic“, bedankten sich DIARY OF DREAMS gerührt bei seinem Publikum, mit dem Versprechen bald wiederzukommen.
Die Kälte kehrte zurück und wir entschieden uns, ein paar Sachen aus dem Auto zu holen, um dann zum IAMX Auftritt zurückzukehren. Diesen sahen wir dann allerdings nur noch aus einiger Entfernung, da wir kurzfristig beschlossen, doch noch in derselben Nacht aufzubrechen. Die Stimmung schien aber weiterhin sehr gut, das Publikum feierte und genoss die abgefahrene Show und wir fuhren mit vielen schönen Eindrücken und Erinnerungen zurück in die Heimat.
Setlist DIARY OF DREAMS
Intro
Rumours about Angels
Chemicals
Psycho-Logic
Butterfly:Dance
O´Brother Sleep
She
Giftraum
The Curse
Soul Stripper
Traumtänzer
Menschfeind
Kindrom
Reign of Chaos
Panic
Copyright Fotos: Cath Niemann
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