Ort: Bielefeld - Forum
Datum: 21.02.2007
Mittwoch Abend, es nieselt vor sich hin, da fährt man doch nicht 50 km von Osnabrück nach Bielefeld, um sich zwei einsame Gestalten auf ner Bühne anzuschauen, die auf ihren Gitarren rumklampfen, oder? Unbedingt macht man das, wenn es sich bei den beiden Gestalten um CHRIS & CARLA von den WALKABOUTS handelt! Chris Eckman und Carla Torgerson gehören zu den Gründungsmitgliedern und treibenden Kräften der US-amerikanischen Folk Rockband, betreiben in regelmäßigen Abständen aber auch Nebenprojekte, wie die Zusammenarbeit als Duo CHRIS & CARLA. Ende Januar ist das neueste Produkt dieser Kollaboration in die Läden gekommen, die Rede ist vom Album „Fly High Brave Dreamers“. Anlass genug, sich mal wieder auf Konzertreise durch Deutschland zu begeben.
In Bielefeld wollten rund 150 Leute an diesem Ereignis teilhaben, so dass um 20.45 Uhr bereits die rund 60 Sitzbankplätze direkt vor der Bühne belegt waren und ein Publikum im Alter von 30 + x Jahren gespannt auf die beiden Protagonisten des heutigen Abends wartete. Um 21.20 Uhr schien es so, als sollte das Konzert starten, doch gab es wohl noch ein paar Probleme zu lösen, so dass sich der Beginn auf 21.30 Uhr verschob. CHRIS erklärte, man habe noch auf die restlichen Mitglieder der WALKABOUTS gewartet, müsse sich aber wohl mit den beiden begnügen. Stattdessen wurde mit einem W-Song eröffnet: „Acetylene“ vom gleichnamigen 2005-er Album machte den Anfang, gleich gefolgt von einem weiteren WALKABOUTS-Titel, der von CHRIS voller Inbrunst vorgetragen wurde. „The Stopping-Off Place“ kam mit sparsamer Instrumentalisierung aus, bevor es mit aktuellem Material der „Fly High Brave Dreamers“ weiter ging. Zu diesem Zweck legte CARLA ihre Gitarre aus der Hand und spielte auf einem klitzekleinen, acht Jahre alten Casio-Keyboard zu „Taking Leave of Our Senses“, ebenso wie zu „At The Twilight’s Last Gleaming“, das deutlich lebhafter war als die vorangegangenen Titel. Auf „Velvet Fog“, das schon ein paar Jährchen auf dem Buckel hat und auf eine gemeinsame Geschichte mit der britischen Dandy-Truppe TINDERSTICKS in Amsterdam zurückblicken kann, an die sich CHRIS allerdings nicht mehr erinnern konnte, folgte wieder was neues in Form von „Long Slow River“, das mit einem ausgedehnten Gitarren-Geplänkel begeisterte. Schon war die Zeit für DEN WALKABOUT-Song schlechthin gekommen: „The Light Will Stay On“ von der inzwischen auch schon elf Jahre alten „Devil’s Road“! Angeblich sollte der Text sogar in einem Religionsbuch abgedruckt werden, in jedem Fall handelt es sich um ein grandioses Lied, das ebenso grandios vorgetragen wurde und mit langanhaltendem Applaus belohnt wurde. Hier und da wurde auch leise mitgesungen, ansonsten zeigte sich das Bielefelder Publikum nahezu sprachlos gebannt von den beiden Künstlern auf der Bühne und hing an deren Lippen. Ein weiterer, sehr getragenen WALKABOUTS-Track folgte, für den CARLA wieder zum Keyboard griff und den Gesang übernahm, bevor sie an CHRIS übergab, der sich aktuellem Liedgut zuwandte, das auch wenig flotter daher kam. Mit „Devil In The Details“ (der Soundtrack zur Wolfskin-Kampagne) wollten die WALKABOUTS vor zwei Jahren ein Statement gegen die Bush-Regierung setzen; wie CHRIS gestehen musste, ist das wütende Album leider ohne den gewünschten Effekt geblieben, dafür ging’s im Forum recht beschwingt zur Sache, das ist doch auch schon was. Jetzt weiß ich auch, das die Slowenen zwar singen können, aber keinerlei Rhythmusgefühl haben, weshalb sie besser nicht mitklatschen. CHRIS muss es wissen, schließlich lebt er dort, allerdings führten seine Ausführungen dazu, dass sich die Ostwestfalen beim durchaus geeigneten „Raise Them Hands“ nicht mehr trauten, mitzuklatschen. Mit einem fantastisch arrangierten „Dead Man Rise“ endete das reguläre Set. Das Stück groovte regelrecht und zog das Auditorium mit einer beeindruckenden Gitarrensequenz in seinen Bann. Auch wenn es bereits 22.40 Uhr war, dachte niemand der Anwesenden ans Nachhausegehen und so hob ein fortwährendes Klatschen an, das CHRIS & CARLA auf die Bühne zurückholte. „Das ruhige „Silent Crossing“ eröffnete den Zugabenreigen, der seinen Höhepunkt in „Will You Miss Me When I’m Dead“ fand. Das eindringliche Gitarrenspiel der beiden Meister ihrer Instrumente zauberte eine unglaublich fesselnde Atmosphäre, so dass man schon fast Angst hatte, dass der Song irgendwann endete und man gezwungen wäre, aufzustehen und zu gehen. Gleiches taten die beiden Verursacher dieser Gefühlslage dann tatsächlich, nachdem die letzten Töne verklungen waren, hatten dann aber noch mal ein Einsehen mit ihrem aufmerksamen Bielefelder Publikum und legten noch ein letztes „Fly High Brave Dreamers“ kombiniert mit „Heroes“ drauf. Das war nun wirklich nicht mehr zu toppen und so endete um 23.10 Uhr ein beeindruckender Konzertabend.
Manchmal reichen nämlich wirklich zwei Gitarren, ein kleines Keyboard, etwas Licht und zwei begnadete Musiker, um ein perfektes Konzert auf die Beine zu stellen. Zweifelsohne funktionieren die WALKKABOUT- und CHRIS & CARLA-Stücke auch hervorragend mit kleinstem Orchester, wie die Schöpfer dieser wunderbaren Songs heute eindrucksvoll bewiesen haben. Ein hinreißender Abriss der WALKABOUT und CHRIS & CARLA-Diskographie!
Setlist
Acetylene
The Stopping-Off Place
Taking Leave of Our Senses
At The Twilights Last Gleaming
Velvet Fog
Long Slow River
The Light Will Stay On
Jack Candy
Things We Should Have Known
Devil In The Details
Black Rope Tied
Raise Them Hands
Dead Man Rise
Silent Crossing
Will You Miss Me When I’m Gone?
Fly High Brave Dreamer/ Heroes
Copyright Fotos: Jörg Rambow
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