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CINEMA STRANGE

Ort: Berlin - K17

Datum: 26.10.2004

Strange, stranger, CINEMA STRANGE! Wenn die verrückten Amerikaner im Lande sind, um die Bretter zu besteigen, welche für manche die Welt bedeuten… dann denkt man automatisch an aufgetürmte Iros, zerfetzte Strumpfhosen in schrillen Farben und überhaupt an exzentrische Gestalten, sowohl auf als auch vor der Bühne. So sollte es denn auch kommen: die Räumlichkeit war noch nicht ausreichend gefüllt, da machte es sich der harte Kern der Fans schon direkt vor der Bühne gemütlich, um sich die besten Plätze zu sichern. Wie sich erkennen ließ, zog das Quartett an diesem Dienstag nicht nur Berliner ins K17. Auch Sachsen und Sachsen-Anhaltiner hatten den Weg auf sich genommen, um das Spektakel miterleben zu können. Es wurde später, voller und in den ersten Reihen auch deutlich beengter, auch wenn auf der Bühne neben den Instrumenten bisher nur ein merkwürdiges, halb entfaltetes Plakat zu sehen war, welches offensichtlich fragte, ob man einen Film sehen wolle. Sehr seltsam, doch wer will schon behaupten, CINEMA STRANGE seien normal?

Derjenige hätte nach nur wenigen Minuten seine Meinung geändert, denn kurz nach 22 Uhr traten die Ribiat-Brüder, Sänger Lucas und Drummer Danny Walker vor die lauthals jubelnden Fans und begannen mit ihrer abgefahrenen Show. Wenn auch ohne Iros und zerrupfte Kleidung. In Kostümen, die an 30er-Jahre-Mafiaanzüge erinnerten, mit gestutztem Haar und sorgfältig ausrasierten Oberlippenbärtchen hätten sie fast seriös aussehen können. Wären da nicht die Papierhüte, gebastelt aus Tourplakaten, und Lucas’ überdimensionale Sonnenbrille gewesen, die alle Eleganz gekonnt zu einer komödiantischen Farce verkommen ließen. Klamauk meets Cabaret meets Batcave. Nach dem ersten Stück, welches Lucas aka „Zampano“ mit gewohnt überschlagender Stimme a capella vortrug, legten die Vier dann richtig los und ließen die buntschwarzen Sprayfrisuren im Publikum wippen. Überhaupt war Bewegung angesagt, nach kurzer Zeit bildete sich eine Pogoecke, deren vorderste Grenze leider ausgerechnet mein Rücken darstellte. So spaßig und ausgelassen das Spielchen auch sein mochte, ich zog mich nach etwa einer halben Stunde weiter nach hinten zurück und beobachtete das irrsinnige Treiben aus sicherer Distanz. CINEMA STRANGE boten auch von dort aus noch genug fürs Auge. Zampano wirbelte pathetisch auf der Bühne herum – was seinen oft ins Falsett umbrechenden Gesang wunderbar unterstrich – zuckte, drehte Pirouetten, warf sich zu Boden und gönnte sich keine großartige Ruhe. Dagegen wirkten die Ribiats „Yello“ und „Lafitte“ an Bass und Gitarre schon fast wie Felsen in der Brandung. Allerdings nicht musikalisch, da rockten sie ordentlich los, so dass man manche wohlbekannten Songs kaum wiedererkennen mochte. Das konnte aber auch daran liegen, dass man die Synthies live völlig wegließ und sich eher auf den Groove der Stücke konzentrierte. Ansonsten gaben sich die Kalifornier vorerst etwas zugeknöpfter, bedankten sich manches Mal kurz aber ließen eher die Musik für sich sprechen.

Nach einer knappen Stunde aber befanden CINEMA STRANGE, es sei an der Zeit, das theatralische Element etwas mehr zu betonen. Das äußerte sich dann in abstrusen einstudierten Mini-Dialogen, die inhaltlich immer wieder darin resultierten: „Dann sollten wir vielleicht noch ein Lied spielen!“ Zudem meinte Zampano: „It’s time for some musical theatre.“ und läutete damit ein Stück ein, welches mit Gesang und Bassspiel begann, wozu Michael „Lafitte“ Ribiat pantomimisch agierte und wo erst nach mehreren Minuten Drums und Gitarre hinzukamen. Damit war endgültig der Schritt vom Klamauk zur Kunst getan und auch der sturste Skeptiker hätte anerkennen müssen, dass CINEMA STRANGE kein Kasperletheater boten, sondern sich hinter den Verrücktheiten, die teilweise denen einer carroll’schen Teeparty gleichkamen, ein wohldurchdachtes Konzept verbarg. Vielleicht nicht jedermanns Sache, aber auf ihre Art – auch nach 10 Jahren Bandgeschichte – noch herrlich abgedreht und erfrischend. So spielte man Lied auf Lied, bekanntes aber auch neues Material von dem in nächster Zeit erscheinenden Album, begeisterte die Fans und setzte erst nach über 90 Minuten dem Wahnsinn ein Ende.
Fazit: Die spinnen, die Amis! Eine Tour (de Force), deren Besuch jedem aufgeschlossenen Querulantengeist zu empfehlen ist und ein Konzert im speziellen, welches Laune auf neues Material der abgefahrenen Band macht.

Copyright Fotos: Antje Wagler

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