Ort: Köln - Gebäude 9
Datum: 15.11.2004
Das Musikmagazin „Intro“ veranstaltet regelmäßig Konzerte, auf welchen es für wenig Geld viel Musik aus der Sparte „alternative“ (ist ein sehr dehnbarer Begriff und heißt auf Deutsch wohl „alles außer Britney Spears“) zu sehen und zu hören gibt. Das Prinzip: was die mehr oder minder kompetenten Introschreiber gerade für hip halten, und was anscheinend bereit ist für lau aufzutreten, wird vor den Augen der mehr oder minder begeisterten Introleserschaft auf die Bühne geholt und darf im Gegenzug das aktuelle Album kräftigst promoten. Eine wirklich schöne Sache, wie auch am 15. November, wo es für läppische 7 Euro im VVK die Bands CLIENT, DAS POP und IAMX im Kölschen Gebäude 9 live zu bestaunen gab. Das Line up von dem Mini-Festival hörte sich so gut an, dass eine kleine Gruppe Musikbegeisterter aus Bielefeld spontan eine Fahrgemeinschaft bildete, um an den Musikfestivitäten in Köln teilzunehmen. In dichtem Berufsverkehr dauerte die Anreise geschlagene drei Stunden. Die Reisenden in entgegengesetzter Richtung hatten derweil mit mehreren Staus zwischen 10 und 15 Kilometer zu kämpfen, da waren wir eigentlich noch ganz gut dran. Gebäude 9 befindet sich in der Nähe des Kölnmesse Geländes und war früher, wie es aussieht, ein Teil einer Fabrik. Der Laden ist klein und schäbig, die Klos komplett mit Graffiti übersprüht , rundum ein perfekter Platz für eine Alternativveranstaltung. Allerdings, kurz vor dem angekündigten Einlass wirkte der Hof vor dem Eingang wie ausgestorben. Da mein persönlicher Favorit, die Band CLIENT, als Opener fungieren sollte, war ich doch etwas beunruhigt. Ein Konzert vor leeren Rängen ist immer eine höchst unangenehme Sache und definitiv das letzte, was ich den sympathischen Mädels wünschen würde. Doch dann, binnen nicht mal einer halben Stunde, füllte sich der Laden fast bis zu seinen Kapazitätsgrenzen. Mit etwa 20 min Verspätung, hervorgerufen durch die technischen Probleme mit den Verstärkern, ging es endlich los.
Sichtlich gutgelaunt, gekleidet in hellblauen pseudo- Stewardessenuniformen und schwarzen Lackpumps, betraten CLIENT A (Kate Holmes Holmes – Keyboards) und CLIENT B (Sarah Blackwood – Gesang) die Bühne. Eine kleine Enttäuschung für die DEPECHE MODE Fans: CLIENT F (Andy Fletcher – Live DJ) war leider diesmal nicht dabei. An seiner Stelle trat Joe Wilson von den SNEAKER PIMPS, der das neue CLIENT Album „City“ koproduziert hat. Doch, welch ein Überraschung; Der Labelchef von Toast Hawaii und Entdecker von CLIENT, Mr. FLETCHER persönlich war trotzdem vor Ort, um nach dem Rechten zu schauen. Er platzierte sich direkt hinter unserem, leicht verdutzten, Fotografen und unterstützte die Mädels mit kräftigem Applaus. So nah kommt man wohl an DEPECHE MODE nie wieder ran ;-).
Derweilen haben CLIENT die prominente Unterstützung gar nicht gebraucht. Das hippe Kölner Publikum hat die Damen längst in ihre Herzen geschlossen und schaukelte im Takt und klatschte kräftig in die Hände nach jedem Stück. Die entspannte Atmosphäre ließ die normalerweise schüchterne und eher zurückhaltende Sarah (CLIENT B) strahlen und animierte sie zu kleinen künstlerischen Darbietungen, wie ein kleines Spielchen mit dem Mikrokabel, das sie in ihren mit Lackkhanschuhen bekleideten Händen kurzerhand zu einer SM Peitsche umfunktioniert hat.
Als Support Act kriegt man natürlich wenig Bühnenzeit, so dass die Setlist sinnigerweise eine Art Best of CLIENT bot. Sarah und Kate gaben an dem Abend die neueren Songs, wie „Radio“, oder „Underground“ und natürlich die altbekannten, wie „Rock’n Roll Machine“ und eben „Client“ zum Besten. In der ersten Reihe war der Sound wirklich fett, nach dem Konzert habe ich allerdings gehört, dass es sich hinten streckenweise ganz schräbbelig angehört haben sollte. Schade drum, aber die Technik spielte den ganzen Abend lang verrückt.
Als sich die Mädels zum ersten Mal verabschiedet haben, war es der CLIENT F, der am lautesten auf Deutsch „Zugabe“ gebrüllt hat. Natürlich ließen sie sich nicht lange bitten und das Publikum rockte verzückt zu „Here and Now“ und „One Day at a Time“ ab. Das allerletzte Stück, die nächste Singleauskoppelung „Pornography“ wurde von CLIENT B mit den Wörtern „It’s not quite the same without Carl“ anmoderiert. Die Rede war natürlich vom Carl Barat von THE LIBERTINES, der auf dem Original Albumtrack ziemlich sexy Backing Vocals ins Mikro haucht. Knapp eine Dreiviertelstunde dauerte das Vergnügen mit CLIENT.
Von mir aus könnte es eigentlich danach direkt nach Hause gehen, wäre da nicht unsere kleine Fahrgemeinschaft, die sich auch DAS POP und IAMX gerne anschauen wollte. „Na gut“, dachte ich mir, „man sollte sich nicht grundsätzlich gegenüber anderen Musikrichtungen verschließen“ und so wartete ich, zugegeben – nur mäßig gespannt, auf die belgische Band mit dem deutschen Namen.
Obwohl CLIENT als erste Band gespielt haben, schien sich der relativ kleine Saal leicht zu lichten. Dafür kamen wiederum ein paar neue Leute rein, einige sogar aus Belgien extra für den Abend angereist. Die nächste Band – DAS POP hat gerade einige Tage zuvor ihr zweites Studiowerk namens „The Human Thing“ herausgebracht. Die Spannung steigt, die Technik streikt. Endlich geht es los. Mit den ersten Takten kam für mich die traurige Gewissheit; ich und die kackfröhliche Musik von DAS POP werden nie Freunde sein. Trotzdem gab ich den sympathischen Belgiern eine zweite Chance. Dann fing leider die Lichtshow an, was die Assoziationen mit einer 90 er Jahre Dorfdisco hervorrief. Die Stroboskopen waren leider wirklich auf Dauer nicht auszuhalten und mehrere Leute verließen fluchtartig den Saal. Unbeeindruckt dessen spielte die Band weiter. Und weiter, und weiter, und weiter.. Laut Zeugenaussagen haben die spielwütigen Belgier sämtliche Titel beider Alben live vorgetragen. Für die Fans wahrhaftig vieles für wenig Geld. Der Rest allerdings fing an sich leicht zu langweilen. Als letztes Stück nahm ich von Draußen eine wirklich perfekte 1:1 Coverversion von „Abracadabra“ der STEVE MILLER BAND wahr. Großes musikalisches Können, oder schiere Einfallslosigkeit? Die Frage sollten an dieser Stelle die Fans der Band beantworten.
Seltsamerweise lichtete sich der Saal immer weiter, obwohl die Hauptattraktion noch vorstand. IAMX, das Nebenprojekt von Chris Corner von den bereits genannten SNEAKER PIMPS. Das Album „Kiss + Swallow“ wurde von den Kritikern als „düstere Elektronik, die an die 80er Jahre erinnert“ bezeichnet. „Düster klingt gut“, dachte ich mir und blickte voller Hoffnung in die Zukunft. Die Technik streikte leider schon wieder und die Stars des Abends wollten ohne die aparten Videoprojektionen partout nicht auftreten. Endlich, um 0:20, betraten IAMX die Bühne. Chris Corner hat zwei Freunde um Unterstützung bei den Liveauftritten gebeten. Neben ihm hüpfte unermüdlich ein mir unbekannter Gitarrist mit einem sehr spacigen Instrument. Als Gegenpol fungierte eine unglaublich schlanke junge Dame mit überdimensionaler Sonnenbrille, die sich vor ihrem Keyboard Gestell kaum rührte. Sie bediente das Instrument kaum, bewegte sich nicht, sang auch gar nicht, dafür trank sie Bier wie ein Schluckspecht. Das Publikum schloß die ersten Wetten ab, wann die Schönheit umkippt, was optisch lustig, und technisch gesehen problemlos wäre, da ihre Funktion in der Band wohl auf das „einen guten Eindruck machen“ reduziert wurde. Und so was kann man glänzend auch im Liegen bewältigen. Ach, richtig, die Musik…. Nun ja. „Düster“ ist auch ein dehnbarer Begriff. Die ersten Stücke klangen eigentlich gar nicht schlecht und, durch die programmierbaren Drums, sehr rhythmisch. Die Frau trank Bier, die Männer den Rotwein, vor der Bühne rockten die (meist weiblichen ) Fans ab. Alles schien in Ordnung zu sein. Doch dann, nach drei, oder vier Liedern, fing der ziemlich penetrante und viel zu laute Drumcomputer an, etwas zu nerven. Nach einer Weile nervte er bereits tierisch, so dass ich mich entschlossen habe, auf meine Mitfahrgelegenheit in dem nächsten Raum, welcher auch die Bar beherbergte, zu warten. Als ich mich von der Bühne umgedreht habe, sah ich nicht mal zehn Reihen Publikum, die aber tatsächlich ihren Spaß zu haben schienen. Etwa 80% davon Frauen. Deren männliche Begleitung saß derweilen voll genervt an der Bartheke und betete lautlos, dass der grausame Krach augenblicklich aufhören möge. Auch ich war mir nicht ganz schlüssig, was ich mir als erstes wünschen sollte; den totalen Stromausfall, oder die Kopfschmerztablette. Na gut, wahrscheinlich ist auch ein Teil des Publikums schlicht und ergreifend wegen vorgerückter Stunde nach Hause gegangen, da die Leute am nächsten Tag arbeiten, oder zur Schule müssten. Ich auf jedem Fall war heilfroh, meine Fahrgemeinschaft an der Bar anzutreffen, so dass wir sofort Richtung Bielefeld aufbrechen konnten. Die Ruckreise, musikalisch begleitet von entspannten Klängen von PATRICK WOOLF und PORTISHEAD gab mir die Gelegenheit für ein Resumee. Ja, es hat sich für mich trotzdem gelohnt nach Köln zu fahren. Der Auftritt von CLIENT war es zweifellos wert. Den Rest betrachte ich als eine neue Erfahrung und werde trotzdem versuchen an das Debütalbum von IAMX ranzukommen. Vielleicht ist das Ding besser abgemischt und der Drumcomputer nervt nicht so.
Abschließend ein paar Allgemeinbemerkungen am Rande:
Erstens: die hippen Kölner Mädchen scheinen biologisch etwas anderes zu funktionieren. Anders kann ich mir das Phänomen des komplett leeren Frauenklos bei vollem Laden nicht erklären.
Zweitens: noch ein absolutes Phänomen. Zum ersten Mal habe ich auf einem Konzert in Köln den EinsLive Moderator Klaus Fiehe an der Bar nicht gesehen. Drinnen im Konzertsaal ist er fast nie, aber an der Bar immer. Wirklich immer. War er nur verhindert, gar krank? Falls ja, hoffe ich, dass es ihm bald besser geht.
Copyright Fotos: Jörg Rambow
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