Ort: Stockholm/ Turku
Datum: 15.02.2007 - 16.02.2007
Ab und an muss man – auch als Metalhead – neues Terrain erschließen und sich auf neue Abenteuer einlassen. Da bot sich das Jubiläumsfestival des schwedischen Close-Up Magazins, welches auf einem Kreuzfahrtschiff stattfinden sollte, geradezu an. DARK TRANQUILLITY, NECROPHOBIC, PAIN, TIAMAT, DIMENSION ZERO & die HARDCORE SUPERSTARs, da schlug das Musikerherz bereits im Vorfeld Kapriolen.
Mit dem aktuellen Feindbild der Klimaschützer, in Form eines Billigfliegers, ging es von Lübeck gen Stockholm, um dem frohen Schaffen beizuwohnen. Trotz relativ hoher Temperaturen konnte man in Schweden noch den Winter genießen, da Schnee und Eis die weitläufigen Landstriche verschönerten und schon mal besinnlich einstimmten. Nach einem Tag Stadtbesichtigung und Backpackers-Aufenthalt ging es zum Hafen, wo sich nach und nach eine schätzungsweise knappe Tausendschaft an HeadbangerInnen ansammelte, um nach dem Check-In an Bord zu gehen. Erst mal angekommen entpuppte sich der Dampfer als ein luxuriöses Schiff samt neun Decks, unzähligen Spielautomaten, diversen Kneipen und, was noch wichtig werden sollte, einem Tax-Free Shop! Des Weiteren gab es zum Amüsement ein Metal-Karaoke, Guitar Hero Contest an der PlayStation, eine Metal-Disko etc. – Dinge, welche die Fahrt von Stockholm nach Turku und zurück kurzweilig werden lassen sollten. Die Kabinen, in denen man nächtigen durfte, waren samt eigenem WC, Dusche und Servicetelefon auch äußerst edel ausgestattet. Bevor es den Konzertsaal zu erkundigen galt, stand ein Buffet an, welches den Gaumen Jubelsprünge machen ließ und eine gute Grundlage für den restlichen Abend bot.
Das Bühnengeschehen fand in einem überraschend kleinen Raum statt, der mit einer ebenso kleinen, nahezu ebenerdigen Bühne aufwarten konnte. Trotz der Tatsache, dass der Raum noch eine obere Etage bot, wo man die Bands vom Balkon aus betrachten konnte, hätten normalerweise kaum die Hälfte aller Gäste drin Platz finden können. Doch wie später ersichtlich wurde, waren die Bands für viele Fans eher ein Partybeiprogramm neben den ausgelassenen Saufgelagen und dem Balzverhalten, was die Schwed(en)Innen mit viel Ehrgeiz betrieben. Wer glaubte, dass die Partys aus den 80ern, die ich persönlich nur aus Videoclips kannte, vorbei seien, dem wurde hier das Gegenteil bewiesen. Wo man hinschaute Miniröcke, Strapse, Schminke, aufgefönte Haare und die offensichtliche Präsentation der primären Geschlechtsmerkmale. Alle, die bei den DSF Sportclips angewidert Pornographie schreien und die Kommunenbewegung samt Uschi Obermaier als menschlichen Frevel ansehen, hätten hier wohl auch moralische Bedenken bekommen. Aber gut: andere Länder, andere Sitten. Und wer konnte es den Skandinaviern schon verdenken, bei Preisen von 0,50 Euro für eine Dose Bier im Tax Free Shop (zum Vergleich: im Konzertsaal kostete ein 0,4l Bier 4,50 Euro!)…
So da war doch noch was, ach ja, es sollten auch noch sechs Bands ihr Liedgut zum Besten geben. Am ersten Tag machten DIMENSION ZERO den Anfang. Mit Jesper Strömblad (IN FLAMES) an der Gitarre und ner Menge gewaltiger Riffs in der Hinterhand, bot man eine dreiviertel Stunde feinsten schwedischen Death-Metal, der irgendwo in der Schnittmenge von AT THE GATES und alten IN FLAMES lag. Bei einem klasse Sound, der bei allen Bands glänzen konnte, musste einem klar werden, dass die Band normalerweise einen weitaus größeren Stand in der Szene haben müsste, wenn sie sich nicht so rar machen würde. Doch es wird bald das nächste Album erscheinen, von dem es heute auch schon einen Vorgeschmack gab, der gar lecker mundete.
Als nächstes kamen die altehrwürdigen TIAMAT auf die Bühne, die seit nahezu einem Jahrzehnt nicht mehr in Stockholm gespielt hatten. Und mit „Vote for love“ rockten die Mannen um Johan Edlund gleich gut los und schafften es bis zur Mitte des Sets, die Stimmung immer weiter zu steigern. Aber kein Wunder, wenn man neben den rockigen Songs der neueren Alben („Brighter than the sun“) Klassiker wie „Whatever that hurts“ oder „In a dream“ einsät. Danach ging man leider stark vom Gaspedal und das Set von 80 Minuten entwickelte einige Längen, doch zum Schluss brachte „The sleeping beauty“ die Menge noch mal zum Jubeln. Bei jenem Song wurde auch Peter Tägtgren als Gastsänger auf die Bühne geholt, aber dessen Zustand war, gelinde gesagt, kaum beautiful. Nachdem es erst nahezu eine Minute dauerte, bis der Herr auf die Bühnenbretter fand, fiel er direkt aufgrund exzentrischen Alkoholkonsums oder anderen Mittelchen um. Als er wieder auf die Beine fand, screamte er ein „I love Sex“ ins Mikro und der Song konnte starten, wobei unser Augenringe-Peter da doch ein ums andere Mal die Zeilen vertauschte und auf arg wackeligen Beinen stand…
Nach Death- und Düster-Metal, sollten die Glamrocker HARDCORE SUPERSTAR den ersten Abend beenden. Wobei man erst etwas zweifeln durfte, ob den musikalischen Außenseitern die Herzen der Fans zufliegen würden, so war dies mit dem Einsetzen von „Kick on the upperclass“ Geschichte. Die Glamrock Senkrechtstarter von 2006 wurden nach allen Regeln der Kunst abgefeiert und dies absolut zurecht. Stimmlich, musikalisch als auch showtechnisch wurde hier eine fette Party auf der Bühne gefeiert und die nach meinem Geschmack exzellente Setlist bot ihr Übriges. Nahezu das ganze 2006er Album wurde runtergerotzt, wobei „We don’t celebrate sundays anymore“ und „Wild Boys“ die Stimmbänder der Meute an ihre Grenzen brachten. Als erste Zugabe gab es dann den einzigen älteren Song „Thank you“ zu hören, bevor das balladeske „Standing on the verge“ die Fans in die Nacht entließ. Natürlich war der Abend partytechnisch noch nicht vorbei und so wurde weiter munter getrunken…
Als ich am nächsten Vormittag aufwachte, fühlte ich mich, als hätte ich die Sprirituosenabteilung alleine geleert, zumindest gaukelte mir mein Kopfgefühl dies vor. Aber wie sich kurz darauf herausstellte, hatte mein werter Mitfahrer mir seine Grippe vermacht, so dass der 2. Tag unter keinem guten Stern stand. Na ja, Metaller kennen keinen Schmerz oder wie war das? Nachdem die Medikamentenabteilung unserer Kabine vertilgt wurde, ging es daran, die heutigen Wachmacher von NECROPHOBIC zu belauschen. War mein Kopf ebend noch schwer, wurde er jetzt beinahe weggeblasen von der Soundwand, die NECROPHOBIC aufbauten. Ob aktuelle Stücke wie „I strike with wrath“ oder alte Gassenhauer wie „Nailing the holy one“, heute funktionierte jeder Song und ein weiteres musikalisches Highlight lag hinter uns.
PAIN gaben sich dann die Ehre und ich war sehr gespannt wie Peter, mit neuer Mannschaft, die Besucher zum Tanzen brächte. Zunächst fiel auf, dass die neuen Mitmusiker, im Gegensatz zu seinen weiblichen Kolleginnen der letzten Tour, nun ausschließlich aus männlichen Wesen bestehen. Als nächstes stach das Gesicht von Herrn Tägtgren ins Auge, in welchem sämtliche Adern blutrot hervorgetreten waren, was sicherlich an den Nachwehen des ersten Tages gelegen haben dürfte und man das Gefühl hatte, dass er jeden Moment ins Koma fallen könnte. Doch dem war nicht so, sondern es wurden Gassenhauer à la „Shut your mouth“, „End of the line“, „Hate me“ oder das brandneue „Zombie slam“ in die Menge gefeuert. Mit unglaublich fetten Gitarren und meistens gutem Gesang, machte der Gig sehr viel Spaß und Vorfreude auf den Gig in meiner Osnabrücker Heimat im März!
Den Abschluss des Törns machten dann DARK TRANQUILLITY, die von den ersten Reihen frenetisch gefeiert wurden und mit Mikael Stanne einen charismatischen Frontmann par excellence in ihren Reihen hatten. Das Set unterschied sich wenig von den Auftritten der letzten Tour, sprich Klassiker wie „Punish my heaven“, „The wonders at your feet“ oder „Hedon“ gaben sich die Klinke in die Hand. Garniert wurde nur mit ein paar Vorstellungen des neuen Silberlings, der noch im Frühjahr in die Läden kommt, wobei auch hier die Stimmung kaum sank, was für die Qualität der frischen Songs sprechen sollte.
Dann hieß es Abschied nehmen und nachdem sich unsere skandinavischen Freunde noch einige Paletten Bier für daheim, teils auf Sackkarren, rauskarrten, ging es von Bord. Manch einer kroch sogar von Bord, was aber sicherlich an seinem schweren Rucksack lag… Ein amüsanter, aufregender und am 2. Tag leider auch etwas anstrengender Ausflug war vorbei und wer Lust auf mehr bekommen hat, dem sei gesagt, dass ähnliche Veranstaltungen regelmäßig stattfinden, wobei das Billing nicht immer ganz so stark ausfällt wie bei diesem Jubiläumsausflug, aber liegt ja auch eh immer im Ohr des Hörers!
Copyright Fotos: www.delicous-bowels.com
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