Ort: Leipzig WGT agra-Halle
Datum: 29.05.2004
Tatort Agra-Halle, später Samstag Nachmittag, die beiden Terrorverlag-Mitarbeiter haben alles dafür getan, rechtzeitig zum größten Auftrittsort des Schwarzwurzeltreffens zu gelangen, um die Redaktionslieblinge [:SITD:] zu genießen. Und da wir überpünktlich waren, konnten wir sogar noch einige Minuten von Andy LaPleguas Nebenprojekt COMBICHRIST mitnehmen, der ja hauptamtlicher Sänger bei ICON OF COIL ist. Die Agra ist zu diesem Zeitpunkt schon ganz ordentlich gefüllt und geht zum großen Teil auch gut mit, bei den harten, teilweise auch monotonen Elektroklängen. Im großen und ganzen handelt es sich um eine Ein-Mann-Show des adretten Norwegers, der nur von einem Kollegen an den Keyboards unterstützt wird. Live zumindest deutlich besser als auf der Debütscheibe „The Joy of Gunz“.
Standesgemäß sollte unser diesjähriges WGT-Abenteuer regulär eigentlich erst mit dem Auftritt von [:SITD:] beginnen, die, das zeigte sich schnell, doch etwas zu früh am Tage aufspielten. Denn nachdem zuvor COMBICHRIST eine eher überschaubare Anzahl an eingeschworenen Die-Hard-Fans und Andy LaPlegua-Groupies beglücken durften, zog gegen 17:40 Uhr dann doch schon erheblich mehr Schwarzvolk in die zu diesem Zeitpunkt noch nicht ebenbürtig abgedunkelte Agra-Halle ein.
Als „die Helden des Ruhrgebiets“ angekündigt (Konzert-Ansager scheinen wieder in Mode zu kommen, wie auch der weitere Verlauf des Wochenendes zeigen sollte) begannen [:SITD:] ihr knapp 50 Minuten langes Set mit einem kurzen Intro, welches unmittelbar die Überleitung zu „Lebensborn“ bildete. Der nächste Burner „Laughingstock“ ließ dann Teile der Fanbasis bereits einen ersten kleinen Pogo inszenieren. Im Anschluss spielte man sich insbesondere durch sämtliche (weitere) Highlights des aktuellen Albums „Stronghold“, allen voran „Snuff machinery“ (siehe Setlist), wobei es jedoch noch erfreulicher gewesen wäre, wenn die Flächen respektive Sequenzer-Melodien unter der Wucht der hämmernden Beats etwas besser zur Geltung gekommen wären. Tom, der quasi im Partnerlook mit Zweitkeyboarder Francesco auftrat, ließ es sich zudem nicht nehmen, insgesamt drei Stücke anstelle des hauptamtlichen Vokalisten Carsten zu intonieren, darunter auch zwei Cover-Versionen: das obligatorische „Wake up“ von PZYCHO BITCH (hier haben [:SITD:] seinerzeit ja auch schon mal einen Remix abgeliefert) sowie als umjubelt geforderte Zugabe zur großen Überraschung der Anwesenden „Never let me down again“ von DEPECHE MODE. Bei letzterem wurden Tom zwar seine gesanglichen Grenzen aufgezeigt, aber hier stand eindeutig der Spaß im Vordergrund. Der konnte jedenfalls vermittelt werden und man hinterließ nach einem ordentlichen Auftritt allseits zufriedene Gesichter, deren zugehörige Leiber sich größtenteils aber erst mal wieder nach draußen bewegten, so dass sich die Frage stellte, warum [:SITD:] denn nun überhaupt vor den folgenden NORTHERN LITE auf die Bühne mussten.
Nach den beiden doch recht harschen Acts nun der totale Gegensatz: NORTHERN LITE aus Erfurt betreten als Trio die Bühne, in der Besetzung Sebastian Bohn, Andreas Kubat und einem Gitarristen (Larry Lowe?). Die aktuelle Scheibe „Reach the Sun“ bietet entspannten Elektro Rock mit Chillout-Attitüde und 80er Anklängen und genauso hört sich das auch live an. Leider etwas unpassend an diesem Nachmittag und das sahen wohl viele so, weil sich die Halle schlagartig gelehrt hatte. So verblieben nur die DieHard-Fans und ein paar Neugierige, die vor allem von Kubats stechenden Augen und seinem einfühlsamen Gesang begeistert waren. Wie gesagt: Nicht schlecht, aber deplaziert und zu hoch im Billing.
Nach einer kurzen Pause, in der wir uns mit Kaltgetränken und Käsenudeln stärkten, standen dann die beiden Headliner des Abends an, sieht man mal von der Mitternachtsvorstellung der wiedererstarkten THE KLINIK ab. Zunächst die Hamelner FUNKER VOGT, die ich vorher noch nie livehaftig genossen hatte. Das Fazit gleich vorab: Ich war sehr positiv überrascht! Die gesamte Bühne war in die Farbkombination Orange-Schwarz gehüllt, die beiden Keyboards passten sich dementsprechend an. Aber das war optisch noch lange nicht alles: Der Keyboarder rechts – Björn Böttcher – hatte sich mit giftgrüner Zombie Bemalung „verschönert“, die ihn wie den „Toxic Avenger“ aussehen ließ. Der linke Tastenmann (Gerrit Thomas) hingegen stand komplett vermummt hinter seinem Gerät, mit „GSG9-Sturmhaube“ auf dem Kopf. Dazu kam dann noch ein Live-Gitarrist mit „Jason Vorhees-Eishockey-Gedächtnis-Maske“ und natürlich Shouter Jens Kästel, der relativ normal daher kam. Dafür wirkte er sehr agil und verstand es, weite Teile des Publikums zu Tanzschritten zu animieren. Obwohl ich mit der Discographie der Deutschen nicht unbedingt vertraut bin – was sich möglicherweise bald ändern wird – kam fast jeder Track hart, aggressiv und treibend aus den Lautsprechern. Ein wenig ähnlich vielleicht in den Melodielinien, aber das ist nun mal ihr Stil. Vom aktuellen Album „Survivor“ spielte man z.B. „History“ und „MaschinenZeit“, bevor man nach einer knappen Stunde das Feld räumte. Leider gab es keine Zugabe, obschon frenetisch gefordert.
COVENANT hatte ich noch vom Birthquake-Festival in Duisburg in guter Erinnerung, leider konnten sie dieses hohe Niveau heuer nicht ganz wiederholen. Das Publikum freute sich offensichtlich auf Eskil, Joakim und Clas, die wieder in feines Zwirn gehüllt waren. Der Sänger schon nach kurzer Zeit im weißem Hemd (auch privat seine Lieblingsfarbe, wie wir feststellten) und die 2 Tastenmänner in schwarzen Anzügen, mit Weste darunter. Im Hintergrund der Bühne war eine riesige Leinwand aufgebaut, welche passend zum jeweiligen Stück sehr interessante Animationen von z.B. abgestorbenen Bäumen oder Maschinenmenschen darstellte. Zu Beginn wurden einige ältere Stücke gespielt, welche die ganz große Stimmung nicht aufkommen ließen, obwohl Eskils Gesangsleistung natürlich keinen Anlass für Kritik bot. Auch Joakim und Clas begaben sich immer wieder nach vorne, um die Fans anzufeuern. „Call the Ships to Port“ war dann das erste große Highlight, wenngleich die präsentierte sehr „stampfige“ Version ein wenig Faszination missen ließ. So hangelte man sich durch ein unaufgeregtes Set, in dem die neuen Stücke „Bullet“, „We want Revolution“ oder „Invisible & Silent“ am besten ankamen. Immer noch wartete ich gespannt auf die „alten“ Tanzbuden-Klassiker und bei der Zugabe wurde meine Geduld belohnt: Erst kam der auf Schuberts „Winterreise“ basierende „Leiermann“ dran, der mit der englischen Version „Like Tears in Rain“ kombiniert wurde und dann auch noch „Figurehead“, welches allerdings ohne Flächen in einer Endlosschleife etwas verhunzt wurde. Und wo bitteschön waren die „Dead Stars“ abgeblieben? Gut, man kann nicht alles haben, aber diesen Knaller nicht zu spielen, kommt doch fast einem Verbrechen gleich. So beendeten die Schweden ihren Auftritt unter ordentlichem aber größtenteils nicht begeistertem Applaus. Es fehlte ein wenig das Feuer, so bleibt ein routinierter, technisch starker Gig in Erinnerung. Und für uns war der Konzertabend des Samstags damit beendet, die Nacht nahm uns auf…
SETLIST [:SITD:]
Lebensborn
Laughingstock
Hurt
Venom
Wake up
Rose-coloured skies
Snuff machinery
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Never let me down again
Copyright Fotos: Karsten Thurau
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