Ort: Bielefeld - Ringlokschuppen
Datum: 21.10.2007
Da wir beim Terrorverlag weltoffene Menschen sind, blieb uns natürlich auch DER Spätsommerhit 2007 nicht verborgen. „Hamma“ von CULCHA CANDELA mauserte sich zum Ohrwurm, der mit Leichtigkeit die Spitze der Charts erkletterte. Wohl auch zur Überraschung der Berliner selbst, die zwar bereits seit dem Jahre 2002 miteinander musizieren, bis dato aber eher Szenekennern bekannt waren. Mit einem Charterfolg im Rücken tourt es sich bekanntlich leichter und so beehrte man nach vorangegangenen Auftritten im Kamp nunmehr den ungleich größeren Ringlokschuppen. Und den konnte man gar ausverkaufen, war somit zum bislang zuschauerintensivsten Gig der Dancehall-Truppe führte. Folgerichtig waren auch wir vor Ort, um uns ein Bild von den Livequalitäten der Hauptstädter zu machen. Mit uns knapp 3000 Menschen, überwiegend weiblich und überwiegend jung. Das führte a) zu heftigem Gekreische und b) zu einigen Schwächeanfällen kreislaufschwacher Damen, die es mit der Nahrungs- und Getränkeaufnahme wohl nicht so ernst nahmen.
Bevor allerdings CC das Haus rocken konnten, gab es noch ein 2-stufiges Warm Up Programm auf die Ohren. Pünktlich gegen 20 Uhr betrat ein Niederländer mit dem schönen Namen POSTMAN die Bühne, mit ihm 2 Backgroundsängerinnen und ein Tastenmensch im Hintergrund. Ob der Herr, der eine Mischung aus Hip Hop und Soul fabriziert, Kevin Costner Fan ist, kann hier nicht bestätigt werden, ein gewisses Sendungsbewusstsein dürfte dem Herren aber zu eigen sein, der in seiner Heimat schon einige Erfolge einfahren konnte. Der Herr mit der Mütze präsentierte ein paar Stücke seines neuen Werkes „Green“, wie etwa „Dutch“ oder „You make me feel“, dabei verblieb er in relativer Dunkelheit, das Licht sollte heute den ganzen Abend über eher durch Abwesenheit glänzen. Gerade mal 21 Minuten dauerte seine Performance, die ordentliche Reaktionen hervorrief (was aber bei dem enthusiastischen Publikum auch nicht sonderlich schwierig fiel).
Danach enterte relativ schnell ein weiterer Herr die Stage. Dabei handelte es sich um einen gewissen CROSS, der mit einer Beatbox hantierte und eine Art Animateur gab. Ein paar bekannte Beats wurden angestimmt, der Moonwalk mehr schlecht als recht interpretiert und schließlich kam auch eine Mundharmonika zum Einsatz. Das Beste war noch der Spruch „Wir sind doch hier nicht bei TOKIO HOTEL“ bzgl. der immensen Lautstärke, aber ansonsten hätte man auf diesen Herren durchaus verzichten können.
Doch das alles ward schnell vergessen, als sich der Hauptact des Abends in Septettstärke auf die Bühne schwang und dort zunächst einige Augenblicke still verharrte. 6 Herren in hellen Kapuzenrollis vorne und der Koreaner Chino hinten an der DJ-Tafel. Richtige Instrumente waren Mangelware, lediglich ein paar Schlagwerkzeuge warteten auf späteren kurzen Einsatz. Dafür bewegt sich natürlich die Multi-Kulti-Truppe (Kolumbien, Polen, Uganda, Deutschland) in wilden Choreographien zu ihrem Mix aus Reggae, Dancehall und Hip Hop, den es mittlerweile schon auf 3 Alben zu bestaunen gibt. Material für eine ausgiebige Show war also vorhanden und die meisten Fans kannten durchaus mehr als eben nur den einen großen „Werkzeug“-Hit. Der Schwerpunkt wurde auf das neue, selbstbetitelte Album gelegt, von dem beispielsweise „Chica“ oder „African Children“ präsentiert wurden. Aber auch die älteren Scheiben wurden beispielsweise mit „Partybus“ oder „Solarenergie“ bedacht. Die Herren singen und rhymen mehrsprachig, auch ein gewisses soziales Engagement in den Texten und Ansagen ist ihnen lobenswerterweise nicht abzusprechen. Der Ringlokschuppen tanzte und bebte, es wurde gesprungen, mitgesungen, gefeiert bis zum Abwinken, während einige Eltern bereits im hinteren Teil auf ihre Sprösslinge warteten. Mitmachspielchen wie „Spazierengehen“ oder „Auf- und Abbewegen“ heizten die Stimmung weiter an, hier machte wirklich fast jeder mit (sieht man mal vom Schreiber dieser Zeilen ab…). Eine kurzes Tanz-Intermezzo mit einer Puppe brachte auch ein wenig weiblichen Charme in die Darbietung ein.
Natürlich hob man sich die bekanntesten Tracks für den ausgiebigen Schlussteil auf. Da gab es die etwas ältere Single „Next Generation“ zu hören und eine spezielle Non-Album-Version der bald erscheinenden „Ey DJ“-Auskopplung. Aber das absolute Highlight wurde natürlich als Finale Furioso präsentiert: Der „Hamma“ kreiste und Ostwestfalen ging noch einmal richtig steil. Da störten auch die verbalen Entgleisungen eines harten Metalcorers mit BORN FROM PAIN Shirt direkt am Eingang nicht mehr. Wenngleich ich SEEED subjektiv mehr Unterhaltungswert zugestehen möchte, kann man CULCHA CANDELA doch attestieren, eine unterhaltsame, energetische Show abgeliefert zu haben, die jeden echten Fan zufrieden gestellt haben dürfte. Ob man dann in ein paar Jahren wieder in kleinere Hallen zurückkehren muss, bleibt abzuwarten…
Copyright Fotos: Karsten Thurau
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