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DEAD CAN DANCE

Ort: Berlin - Philharmonie

Datum: 29.03.2005

Wenn der „Terrorchef“ schon einmal in der Hauptstadt weilt und auch noch Geburtstag hat, dann ist es nur mehr als passend, dass zur Feier des Tages ein wahres Großereignis in Berlin stattfindet. Dass sich Terrorverlag-taugliche Konzerte an ungewöhnlichen Orten materialisieren, ist nicht selten; dass Tausende alternativ bis gruftig gekleidete Menschen die Berliner Philharmonie am Potsdamer Platz entern, ist ein eher nicht alltäglicher Anblick. Wenn allerdings nach langen Jahren wieder eine Tour der Ethno-Wave-Legende DEAD CAN DANCE auf dem Programm steht und es deutschlandweit mit München, Köln und Berlin auch nur drei Termine gibt, dann sind sowohl Örtlichkeit als auch Zuschauerzahl mehr als gerechtfertigt. Der stolze Preis von rund 50 Euro pro Karte wohl auch, denn innerhalb weniger Tage war das Konzert im Vorverkauf restlos ausverkauft gewesen. Doch nach der de facto Trennung von DCD im Jahre 1998 und diversen Soloprojekten von Lisa Gerrard und Brendan Perry war ein erneuter Zusammenschluss so unwahrscheinlich, dass treue Fans wohl fast jeden Preis bezahlt hätten, um ihre Helden noch einmal vereint auf der Bühne zu erleben.

So betraten also auch wir den senfgelben, verwinkelten 60er-Jahre-Bau, der sich von innen als deutlich ansehnlicher entpuppte, als er es von außen versprach. Das Foyer füllte sich langsam mit Menschen aller Altersklassen und Stilgruppen, es wurde Sekt, Bier und Cola geschlürft und gewartet, dass sich die Türen des großen Konzertsaals öffneten. Kurz nach halb acht strömten dann die Gäste hinein auf die jeweiligen terassenartigen Blöcke, zu ihren Sitzen. Ein wenig Geduld war noch vonnöten, eine knappe Dreiviertelstunde konnten wir noch den Saal- und Bühnenaufbau sowie einige festliche Roben bewundern, bevor das Augenmerk auf das Bühnengeschehen gelenkt wurde. Unter tosendem Applaus und lautem Jubel betraten Lisa Gerrard, Brendan Perry und fünf weitere Musiker den Saal. Diese setzten sich an zwei Keyboards und postierten sich am reichlich vorhandenen Schlagwerk. Lisa, in wallender kanariengelber Robe und mit kunstvoller Flechtfrisur stand zentral an einem Pult und war sofort der absolute Mittelpunkt der Formation, als mit „Nierika“ das Konzert eröffnet wurde. Beim anschließenden „Saffron“ war auch klar, was sich auf dem Pult befand, Lisa spielte das Yang Ch’in, eine Art asiatisches Hackbrett. Das größte Pfund, mit dem sie allerdings wuchern konnte, war aber natürlich ihre großartige Stimme. Über mehrere Oktaven, Gefühlslagen, Lautstärken spielte sie mühelos ihr Können aus und fesselte das Auditorium mit den mystischen Liedern, welche sie in ihrer Phantasiesprache sang. Bei „The Ubiquitous Mr. Lovegrove“ gesellte sie sich zur Percussionfraktion und bespielte das Becken, später auch Zimbeln und wieder ihr Yang Ch’in. Perry blieb dagegen weitestgehend bei den Gitarren, wechselte gelegentlich an die Drehleier aber spielte auch einmal Yang Ch’in oder die Djembe, zeigte sich als Multitalent, auch was die verschiedenen Stilrichtungen und Einflüsse bei der Musik von DCD betraf.

Zu meiner Überraschung fand sich kein einziger darkwaviger Song vom ersten Album in der Setlist, stattdessen legte man einen deutlichen Schwerpunkt auf die orientalisch angehauchten Ethnostücke und sakralen Balladen. Beim traditionellen „Saltarello“ brandete während der ersten Takte schon frenetischer Jubel von den Sitzreihen, manch einen hielt es gar nicht mehr in seinem Stuhl und ich assoziierte spontan die mittelalterliche Tanzwut. Danach wurde es puristisch, wie es puristischer nicht mehr ging, allein Lisas Stimme schwebte durch den Saal und sang ergreifend vom „Wind That Shakes The Barley“. Bei aller Emotionalität, die in ihrem Gesang lag, von einer rechten Nähe zum Publikum konnte man nicht sprechen, in den ersten zwei Dritteln ihrer Spielzeit wandten sich DEAD CAN DANCE überhaupt nicht an ihre Zuhörer, Brendan taute erst später auf und bedankte sich für Applaus. „Dreams Made Flesh“ zeigte die beiden Hauptakteure so räumlich nah wie sonst nie bei dem Konzert, denn für dieses Stück begab sich Perry ans Yang Ch’in, während Lisa direkt neben ihm stand und ihre Vokalkraft ausspielte. Die rhythmuslastigeren Stücke, bei denen Brendan die gesanglichen Akzente setzte, sorgten immer öfter dafür, dass Zuschauer in Gangnähe einfach aufstanden und geradezu entrückt zu tanzen begannen. „I Can See Now“ blendete nahtlos über in „American Dreaming“, wurde so zu einem klanggewaltigen Stück Musik. „Rakim“ startete mit einem technischen Fauxpas, welcher das Publikum leise erheiterte, zu einer kleinen Zwangspause führte, in der Perry sich mit einem der Keyboarder besprach, wodurch aber auch endgültig das Eis brach und eine gewisse Kommunikation zwischen Band und Auditorium hergestellt wurde. Da war das reguläre Set aber auch schon vorbei, Frau Gerrard nahm Blumen von Fans entgegen und erst nach Minuten wirklich lautstarker Zuneigungsbekundungen trat man wieder vor die Gäste.

Mit „Black Sun“ läutete ein wahrlich populäres Stück den ersten Zugabenblock ein, bei dem mir die Bläserparts besonders markant im Gedächtnis blieben. „Salem’s Lot“ war eigentlich ein Solostück von Lisa, welches sie für die gleichnamige Fernsehserie geschrieben hatte; eine weitere ruhige, stimmlastige Arie, was sich perfekt mit dem hypnotischen „Yulunga“ verband. Für „Severance“ trat Brendan noch einmal an das Mikrophon und die Drehleier, bevor die Band zu Standing Ovations wieder aus dem Blickfeld des Publikums verschwand. Doch der krönende Abschluss war dann die nahezu jazzige Pianoballade „Hymn For The Fallen“, die zeitweilig fast an ein Schlaflied gemahnte und den perfekten Abschluss eines perfekten Konzertes darstellte. Zum wahrhaft ohrenbetäubenden Schlussapplaus (der Chef benutzte seine Ohrstöpsel in den Pausen und nicht während der Musik!) fiel auch endlich von Lisa Gerrard die Anspannung ab, sie lächelte huldvoll und bedankte sich bei der – O-Ton – „amazing audience“ für ein wunderbares Konzert. Was die Gegenseite wohl genauso empfand, als sie den überteuerten Merchandisestand belagerte und dann langsam aus der Philharmonie auf den erleuchteten Potsdamer Platz strömte. Ein einmaliges Ereignis, im wahrsten Sinne des Wortes, da die Zukunft von DEAD CAN DANCE trotz der Welttournee 2005 noch in den Sternen steht…

Setlist DEAD CAN DANCE
Nierika
Saffron
Yamyinar
The Ubiquitous Mr. Lovegrove
The Love That Cannot Be
Lotus Eaters
Crescent
Minus Sanctus
Saltarello
The Wind That Shakes The Barley
How Fortunate The Man With None
Dreams Made Flesh
I Can See Now – American Dreaming
Sanvean
Rakim

Black Sun
Salem’s Lot–Aria
Yulunga
Severance

Hymn For The Fallen

Copyright Fotos: Karsten Thurau

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