Ort: Bielefeld - Kamp
Datum: 12.02.2006
Einem Poster über dem Bett von Protagonist Seth Cohen sei Dank ist die Indie-Rockpop-Kapelle DEATH CAB FOR CUTIE seit Ausstrahlung der US-Kultserie „O.C.California“ auch in unseren Breitengraden mittlerweile vielen ein Begriff. Da ich selten fernsehe und eigentlich nie Serien, darf ich für mich in Anspruch nehmen, rein aus musikalischem Interesse an diesem Abend im Bielefelder Kamp aufgeschlagen zu sein. Und ich war nicht alleine neugierig auf die vier Jungs aus Seattle. Gegen 20.30 Uhr herrschte schon enorm reges Treiben, überregionales Publikum aus dem Ruhrgebiet und Sauerland suchte noch den Weg zum Kulturkombinat, das „ausverkauft“ vermelden konnte. Der Altersdurchschnitt heute enorm niedrig, also Oberstufe und studentisches Jungvolk. Da habe ich es als älteres Semester vorgezogen, den Abend von der Empore aus zu genießen.
Eröffnet wurde um 21 Uhr von JOHN VANDERSLICE, Singer-/Songwriter aus San Fransisco, von dem ich bis dato noch nichts gehört hatte. Er kann jedoch schon auf 5 Soloalben verweisen, ein Querschnitt über sein Schaffen ist jetzt auch in Deutschland auf einer CD unter dem Namen „Five Years: Selected Songs 2000 – 2005“ erhältlich. Ihm zur Seite an diesem Abend: Dick Douglas, Drummer und Keyboarder in Personalunion – „this man is a genius“ (O-Ton Vanderslice), mit der linken Hand bediente der Mann die Schießbude und mit der rechten griff er in die Tasten eines Minikeyboards. Das hatte ich bislang so auch noch nicht gesehen. John präsentierte mit schwarzer Countrygitarre ein 9 Stücke umfassendes Set, das von Titel zu Titel an Dynamik zunahm. Während er am Anfang noch in rotes Licht getaucht „Angela“ sang, wurde die Gitarre ab „Pale horse“ zunehmend krachender und sein Kompagnon konzentrierte sich nun alleine auf die Drums. So bekam das Publikum eine gute halbe Stunde Lieder zwischen Humor und Melancholie mit schönen Melodien und interessantem Songwriting geboten und bedachte die Darbietung mit regem Applaus.
Punkt 22 Uhr enterten dann die vier „Cuties“ mit „Marching bands of Manhattan“ dem Opener ihrer aktuellen CD „Plans“ die Bühne. Diese erschien erstmals auf einem Major-Label, „Indie“ ist man also „nur noch“ im Herzen, präsentiert sich aber weiterhin bodenständig und fan-nah. So ging es mit erstklassiger Gitarrenarbeit und dem etwas älteren „We laugh indoors“ weiter. Bassist Nick und Gitarrist Chris agierten dabei sehr agil und oft mit dem Rücken zum Publikum. Zwischen „The new year“ und „Title and registration“ von ihrem 2003-Album „Transatlanticism“ war Zeit für eine knappe Begrüßung, ansonsten hielten die Jungs sich mit Ansagen zurück, entschuldigten sich später artig, dass man ja kein Wort Deutsch könne, nahm gerührt eine Fan-Devotionalie entgegen und ließ ansonsten die Musik sprechen. Einen ersten Höhepunkt bildete „Soul meets body“, ein smashiges Stück des aktuellen Albums, dessen Flow sehr an R.E.M.s „Loosing my religion“ erinnert. Mit dem alten „Photobooth“ war dann endlich Zeit zum Träumen und Kuscheln. So ging es mit abwechslungsreichem Material älteren und jüngeren Datums weiter, lauter Stücke von viel Schönheit und Wärme, oder wie ich es irgendwo anders gelesen habe: viel „Emo ohne Core“, ohne dass man gleich „Weicheier“ schreien möchte. So auch das innig und herzerwärmend vorgetragene „What Sarah said“ – tieftraurig, aber nicht weinerlich, das ist wohl die Stärke von DEATH CAB FOR CUTIE, allen voran Ben Gibbards schöne Stimme, angenehm in allen Tonlagen und hervorragend von seinen Kumpels unterstützt. Interessant zu beobachten noch eine Soundfrickelei zu Beginn von „Brother on a hotel bed“: Mit einem Drumstick entlockte dabei Ben seiner Gitarre außergewöhnlich Töne. Mit „The sound of settling“ und einem beherzt umgestoßenen Mikroständer beendeten die Jungs gegen 23.15 ihr reguläres Set, doch Ben erschien alsbald in frischen Klamotten (hatte er doch ordentlich Körperflüssigkeit verloren), um das zarte „I will follow you into the dark“ allein mit Akustik-Gitarre zu intonieren. Das nochmals gemeinsam vorgetragene „Transatlanticism“ bot dann Gelegenheit für letzte Schmuseminuten, ehe 650 Leute im Herzen ein wenig wärmer in die kalte Februarnacht entlassen wurden. Glücklich der, der morgen erst zur 2. Stunde los muß oder eine Vorlesung sausen lassen kann…
Setlist JOHN VANDERSLICE
Keep the dream alive
Underneath the leaves
Angela
Up above the sea
Exodus damage
Pale horse
White Plains
?
Time travel is lonely
Setlist DEATH CAB FOR CUTIE
Marching Bands of Manhattan
We laugh indoors
The new year
Title and registration
Soul meets body
Photobooth
Crooked Teeth
Different names for the same thing
Sleep tight
A movie script ending
Company calls
What Sarah said
Brother on a hotel bed
Expo ‘86
The sound of settling
I will follow you into the dark
Transatlanticism
Copyright Fotos: Timm Ziegenthaler (www.kultkamera.de)
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