Ort: Cuxhhaven - Seeflughafen
Datum: 20.07.2012 - 22.07.2012
Dieses Jahr ging das Deichbrand in die achte Runde und Petrus meinte es wie bereits im letzten Jahr nicht all zu gut mit den Festivalgängern. Bereits am Donnerstag suchten starker Regen und heftiger Wind das Deichbrand Festival heim. Dies führte zu einer Beschädigung beider Bühnen und verwandelte das Gelände in eine Matsch/ Sumpflandschaft. Die Crew gab alles, um Gelände und Bühne wieder auf Vordermann zu bekommen.
Freitag
Leider waren die Reparaturarbeiten so umfangreich, dass der Zeitplan völlig durcheinander geriet und die Besucher erst gegen 18 Uhr das Gelände betreten konnten. Wer jetzt dachte, er könne seine Tanzschuhe anziehen, konnte auf der Leinwand nur folgendes lesen: „Die Macher arbeiten mit Hochdruck daran, dass es losgehen kann“. Doch Langeweile kam nicht auf, den auf dem Festivalgelände gab es eine Menge zu entdecken und das waren nicht nur das Partyzelt, die Fressbuden oder der Beach-Volleyballbereich. Die meiste Anziehungskraft hatte eine großer Tümpel, wo Frau und Mann direkt ein paar Schlammmasken ausprobierten konnten. Um 20 Uhr ging es endlich los. SAMY DELUXE betrat die Bühne und tausende Arme wippten zum Sound. Wer Samy sehen wollte, braucht schon gute Augen, denn die erste „Barrier“ war aufgrund der Bodenverhältnisse noch gesperrt. Der Herr packte viele alte Stücke aus, was dazu beitrug, dass Mann und Frau mindestens einen Song mitsingen konnten.
H-BLOCKX-Rufe klangen aus dem Publikum und jeder erwartete den Gig der deutschen Crossover-Heroen. Doch anstelle von „Move“ hörten die Besucher „Hollywood Hills“ und “ I Don’t Dance“. Ergo gab es lange Gesichter bei den Männern und strahlende bei den Frauen. Den anstelle der Münsteraner betraten SUNRISE AVENUE die Bühne. Eine solide Show mit bekannten Radiohits und einem Reggae-Medley (was man sich auch hätte sparen können).
Nicht nur der Himmel wurde dunkel, auch vor der Waterstage sammelte sich ein hauptsächlich schwarz gekleidetes Publikum. Was bedeutete – ASP würden gleich auftreten. Mit ihrer Pyro-Show und „düsterer“ Musik begeisterten sie nicht nur das gothic-affine Publikum sondern auch Partygänger, die eine Stunde später zu „yipppppiiyipppppiyeah“ abgehen sollten.
DEICHKIND, die Headliner das Abends ,traten pünktlich auf die Bühne und verwandelten den Bereich davor in eine riesige Party. „Befehl von ganz unten“ gab’ss zum Anheizen. In ihren Neon-farbenen Kostümen lieferten sie eine gut einstudierte Performance ab, die an sich keineb Gesang braucht, da die Menschenmenge schon von sich aus für den entsprechenden Chor sorgt. „Wir ziehen in den Krieg, unsere Waffe ist Musik“ singen DEICHKIND. In der Tat, mit ihrer Musik besiegen die Hamburger Jungs selbst die hartnäckigsten Tanzmuffel. Wer nach diesen grandiosen Show noch Kraft hatte, schaute sich noch die Jungs von CALIBAN an. Leider ging die breite Masse zu ihrem Zeltplatz, was die Metalcorer aber nicht davon abhielt, die Hütte zu zerlegen.
Samstag
Aufgewacht die Sonne lacht…
Von den ersten Sonnenstrahlen geweckt ging es direkt zum Schwimmbad nach Oxstedt, denn Anstehen an den Duschen lohnte sich nicht, bei zu vielen Leuten hatte der Freitag seine Spuren hinterlassen. Nach einer warmen Dusche ging es zurück zum Gelände Check – denn auch mein Magen murrte schon leicht. Doch was ist das – wird da etwa das Prinzip verfolgt „erweitert sich die Besucherzahl, erhöhen wir die Preise“? Bei aller Liebe 5 Euro für gebratene Nudeln (ohne Fleisch) und 3,30 Euro für eine Cola – finde ich schon sehr dreist! Somit machte ich mich einfach auf den Weg zum nächsten Bäcker und war pünktlich frisch gestärkt zu einem humanen Preis bei KELLERMENSCH vor der Bühne.
Die Band hatte einen sehr frühen Slot auf der Waterstage, was aber ihrer Bühnenpräsenz keinen Abbruch tat. So etwas habe ich noch nie zu einer solchen Zeit (13:00) Uhr gesehen. Der Sänger geriet durch seine Musik in einen völligen Rausch – einfach der Wahnsinn und unbeschreiblich.
Die mittlerweile relativ angesagten Düster Rocker MONO INC. sorgten für melancholische Stimmung und brachten viele treue Fans mit, die lauthals in der ersten Reihe mitsangen.
Weiter ging es für mich mit „Soap Musik“ von THE KOLETZKIS und den kritischen Texten von TURBOSTAAT.
Früher noch Sascha heute DICK BRAVE & THE BACKBEATS. Mit dem Sound der fünfziger und sechziger Jahre verbreitete er direkt gute Laune und brachte die Mehrheit Anwesenden zum Mitwippen und -klatschen. Gekonnt coverten die Jungs aktuelle und vergangene Hits und machten daraus mitreißende Rock’n’Roll-Songs. Ob ADELEs „Rolling In The Deep“, „Use Somebody“ von den KINGS OF LEON oder „American Idiot“ (GREEN DAY), alles hörte sich fantastisch an. Nach einer Stunde beendete man mit dem RNR-Klassiker „Great Balls Of Fire“eine sehr gelungene Show.
Reggae-Ska-Hip-Hop-Dancehall-Punk mit engagierten deutsch-französischen Powersongs gab es von IRIE RÉVOLTÉS auf die Lauscher. Von dieser Band kann man nicht nur lernen, was heiße Rhythmen sind, sondern dass gezieltes Engagement tatsächlich einen Unterschied macht.
Kaum hatten IR die Water Stage-Bühne verlassen, wurde es vor der Fire Stage immer voller. Kein Wunder, die schwedische Indie-Rockband THE SOUNDS war an der Reihe. Frontfrau Maja Ivarsson, die Rockstar-like mit brennender Zigarette den ersten Song spielte und danach ihre Lederjacke auszog, hatte scheinbar vergessen, dass die Nordluft ziemlich kühl ist. Dies konnte ein Fan nicht mit ansehen und warf ihr einen roten TOTEN HOSEN-Pullover auf die Bühne. Anstelle das Ding beiseite zu werfen (wie es viele Musiker getan hätten) – zog Maja diesen an und spielte die komplette Show in diesem XL Pullover. Was bei so manchem Mann das Herz höher schlagen ließ.
Um 20:50 Uhr enterten ein paar „Matrosen“ die Bühne. Der Anführer der Truppe könnte auch der Joker sein, so wie sein Gesicht geschminkt ist. Doch das sind OOMPH!, die sich mal wieder kostümiert haben.“Hallo Deichbrand! Schön wieder hier zu sein nach 2008″, begrüßte Dero die Fans. Ob „Labyrinth“ oder „Gott ist ein Popstar“ die Menge tobt ezu fast jedem Song. „Das nächste Lied („Sandmann“) geht raus an mein Topmodel, Angela Merkel, die die armen, armen, armen Banken rettet, die uns diese verfickte Weltwirtschaftskrise eingebrockt haben.“ Ein klare Ansage an diesem Abend. Menschen, Menschen und noch mehr Menschen. Es ist Beatbuletten Zeit!!! „Seid ihr bereit für ein paar schnelle Songs? Wollt ihr Pogo tanzen?“ Es erklingt ein Ja. Alles was zwei Beine hat, hüpft und schwingt die Arme. Das Publikum bekommt das was es will: Schnelle Songs zum Abfeiern. Einen nach dem anderen.
Endzeit ohne Regen! Es wurde Zeit für das Late-Night-Special. HEAVEN SHALL BURN gaben den Leuten das, was sie noch brauchten: feinsten Metal(core) und das zur späten Stunde. Im Gepäck hatten sie alte Highlights sowie Frischware ihres aktuellen Rundumschlages „Invictus“.
Sonntag
Am Sonntag hat der werte Herr da oben scheinbar den Toaster angeworfen! Und wir direkt unseren Grill. Der Tag versprach nicht nur Wetter-technisch heiß zu werden sondern auch musikalisch.
Bereits um 13:30 Uhr hieß es: Nastrovje mit der Österreichischen Skaband RUSSKAJA. Gemäß ihrer Selbstdarstellung steht Rus für russisch, Ska für den Musikstil und das Ja dafür, dass sie eben dafür sind. Die Texte sind großteils in russischer, manche auch in englischer und deutscher Sprache verfasst. Zu dieser Musik pogten nicht nur die Leute, nein es gab auch diverse Konstellationen wie die Eisenbahn oder das Ruderboot. Der Spaß steht bei dieser Band ganz oben und somit waren sie die perfekten Anreißer für SKINDRED. Diese legten noch einen drauf und baten die Menge darum, ihre T-Shirt auszuziehen, was auch direkt getan wurde. Und somit wirbelten alle Leute zu Reggae Musik ihre Shirts in der Luft.
IGNITE – lange Zeit war es ruhig um sie, doch jetzt starten sie wieder mit einer Europa Tour durch. Doch was war das, der Sänger war eindeutig nicht Zoli?1 Wie sich nach dem ersten Song herausstellte, lag der etatmäßige Fronter im Krankenhaus und wurde von Jon Bunch, Sänger der Band SENSEFIELD vertreten. Zoli wurde dann auch das Lied “ Bloody Sunday“ gewidmet. Textlich zwar noch sehr unsicher und größtenteils vom Monitor abgelesen (er hatte 5 Tage Zeit, alles auswendig zu lernen) merkte das Publikum den Ersatz kaum und kam somit bei der Hitze so sehr ins schwitzen, dass kurzer Hand der Wasserschlauch der Feuerwehr angestellt wurde und alle feucht fröhlich im „Niesel Regen“ tanzten.
Was passt besser zu JUPITER JONES als eine Liebeserklärung? Direkt ein Heiratsantrag. Auf der Fire Stage fiel Andreas auf die Knie und machte seiner Freundin Sonja einen Heiratsantrag. Nach einem lauten „JA“ wird klar, wir sehen hier das erste Deichbrand-Hochzeitspaar. Glückwunsch! Dann aber Bühne frei für JUPITER JONES. Diese legten auch direkt los, leider auch ohne gescheiten Ton. Vom Publikum kamen laute Rufe: „Wir hören nichts“. Was man aber erst nach dem zweiten Lied bemerkte. Mit neuem Mikrofon und neuer Ansage ging’s weiter: „Wir sind Jupiter Jones und wir machen schon seit zehn Minuten Musik“. Gelächter bei Publikum und Band. Nach dem 4. Lied plötzlich die Ansage vom Sänger: „Ich stehe mit Fieber auf der Bühne, wir mussten schon zwei Konzerte absagen. Ist das okay, wenn ich mich auf einen Stuhl setze“. 2 Lieder werden noch gespielt und die Dreckschleuder wird ausprobiert dann heißt es: „Es geht nicht mehr, ohne Scheiß.“ Sänger Nicholas wird von der Bühne gebracht und vom DRK behandelt, die Band muss das Konzert abbrechen und entschuldigt sich bei den Fans.
Als nächste Truppe sind Eisbrecher am Start (die am Vortag noch das Amphi in Köln gerockt hatten), harter Gitarrensound trifft auf elektronische Klänge. Ansage von Frontman Alex: „Pyro-Technik gibt’s erst, wenn wir sie uns leisten können“. Doch auch ohne Effekte kommen sie bei ihren Fans an, die sie auch zwischen den Songs gut unterhalten. Einige Auserwählte dürfen sogar mitsingen und „Miststück“ ins Mikro schreien – was mehr als nur einmal Gelächter auslöst.
Dunkel geht es auch auf der Fire Stage weiter. Es übernimmt die niederländische Formation
WITHIN TEMPTATION . Bombastische Gothic-Metal-Musik ertönt, dazu singt Frontfrau Sharon mit ihrer hohen Stimme Sirenen gleich Lieder wie „Faster“ oder „What Have You Done“ singt.
THE SUBWAYS folgen und legen um 20.50 Uhr los. Jetzt gibt es kein Halten mehr, „Oh Yeah“, „Obsession“, „Like I Love You“ – die Masse feiert zu den Songs. So stark wie jetzt ging es an diesem Wochenende höchstens noch bei den BEATSTEAKS und DEICHKIND ab. „Hallo Deichbrand! Have you had a good weekend so far?“, fragt Sänger Billy gutgelaunt in die Runde. Jubel. Bei „Rock & Roll Queen“singt die komplette Festivalmeute lautstark mit, bei „We don’t need money to have a good time“ beginnt im großen Stil das Crowdsurfing. Beim Abschlusssong springt der Frontman selbst in die Menge und lässt sich auf Händen tragen.
Der Headliner an diesem Abend ist CLUESO mit seinen eher ruhigeren Tönen. Bereits mit seinem ersten Song („Keinen Zentimeter“) hat er das Publikum auf seiner Seite und alle (hauptsächlich weiblichen) Zuschauer singen lauthals mit. Ein perfekter, entspannter Festivalausklang.
Fazit Deichbrand 2012
Die Crew gab alles, um die beiden Bühnen zu retten, was auch gelang – nur leider war die Kommunikation darüber, welche Band wann wie wo spielt oder sogar ausfällt, sehr schlecht. Preistechnisch haben die Stände extrem angezogen, also beim nächsten mal lieber ein Paket mehr Toastbrot einpacken. Auch der Austausch der Security Mannschaft vor der Bühne wäre meiner Meinung nach begrüßenswert – eine „Spaßfraktion“ kann gerne auf kleinen Festivals arbeiten aber nicht auf einem solch einer Größe!!! Wenn sich mehr als 100 Leute im Fluchtweg sammeln, um ein Konzert zu sehen und eben nicht, um zu flüchten, ist es doch sehr fraglich. Das Nordwetter war wie immer durchwachsen, was aber die Stimmung der immerhin 25.000 Zuschauer nicht trübte. Fans und Bands bekommen von mir durchgängig ein dickes Lob!
Copyright Fotos: Jessica Wollstein/ Uli Klenk
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