Konzert Filter

DEPECHE MODE – THE BRAVERY

Ort: Düsseldorf - LTU Arena

Datum: 20.01.2006

Problemloser bin ich noch nie zu einem Konzert dieser Größenordnung gekommen. Kein Stau auf der Autobahn, kein Problem bei der Parkplatzsuche und keine Schlange beim Einlass. Na gut, wir schlagen erst eine Stunde nach dem offiziellen Einlass auf, aber es werden knapp 50 000 Menschen erwartet! Trotz gefälschter Karten, die im Umlauf sind, wurde meine nicht gescannt, vielleicht gab es für Düsseldorf auch keine. Und schon steh ich am Wellenbrecher und keine Leute vor mir, die größer sind als ich. Herrliche Sicht auf die Bühne – die seit schon seit der Singletour `98 nicht mehr durch einen Vorhang verdeckt ist.

Mit THE BRAVERY, die auch schon die US Tour eröffneten, beginnt das Spektakel. Die Jungs aus New York City, wie sie mehrfach erwähnten, rockten dann auch gleich los. Aber schon nach den ersten Klängen ihres Sets war ich entsetzt. Es war nicht ihre Performance, sondern der miserable Sound, der mir überhaupt nicht gefiel. Entweder war der Typ am Mischpult taub oder es wurde mit Absicht völlig unzureichend abgemischt. Vom Gesang ist fast nix zu hören und der Rest ist ein absoluter Soundbrei. Aber die Elektronik vom Tastenmann und Knöpfchendreher kommen einigermaßen gut rüber. Oder liegt es doch an der gigantischen Halle, die einen besseren Sound nicht zulässt, na dann gute Nacht. Nach einer guten halben Stunde verlassen die Amis dann die Bühne, die erstaunlicherweise gut beim sonst so kritischen Publikum ankamen. Aber warum verschwand der Frontmann nach jedem Titel hinter die Bühne? Damit auch ein Roadie etwas zu tun bekam, wurden Mikroständer und Mikro selbst mehrmals pro Song zu Boden geschleudert. Das macht einen aber noch lange nicht zum Rockstar.

Nach mehrmaligen Anläufen, von Seiten des Publikums eine La Ola Welle hinzubekommen, die leider nie eine Runde durchs Stadion schaffte, erlosch das Licht, und ein unglaublicher Jubel brandet auf. Völlig unspektakulär betraten Martin Gore, Dave Gahan, Andy Fletcher und ihre beiden Mitstreiter Peter Gordeno und Christian Eigner nach einem ungewohnt kurzen Intro die Stage, und ihr Set wird mit der aktuellen Single “ A Pain That I’m Used To“ eröffnet. Dave im schicken Jacket rockt von der ersten Sekunde an die Halle. Martin, wie immer ein wenig schüchtern, begleitet den Frontmann mit seiner Gitarre. Aber was hat er da nur auf seinem Kopf? Mit dieser Mütze und den Flügeln (?) auf den Rücken sieht er aus wie ein Huhn – Extravagant war er ja immer schon. Die Bühne an sich wirkt sehr futuristisch: Fletch und auch Gordeno stehen mit ihren Keyboards hinter großen Pults, die auch von der Enterprise stammen könnten. Mittig platziert ist der Arbeitsplatz des Österreichers Eigner, der an den Drums für den richtigen Drive der Songs sorgt. Links neben dem Schlagzeug befindet sich eine Raumkapsel auf der die Wörter Sex, Pain, Angel und Love stehen, die abwechselnd je nach gespieltem Songtitel aufleuchten. Schon beim ersten Hören des aktuellen Albums war mir klar, das “ John The Revelator“ zur Playlist gehören wird, denn dieser Song drängt sich geradezu auf, Live gespielt zu werden. Und so sah man Dave als Prediger, aber das Stück ist eigentlich zu neu und nicht eingängig genug, um die Leute mitzureißen. Dieses erledigt dann „A Question Of Time“: Die Show erlebte den ersten Höhepunkt und zum ersten Mal ging Dave am heutigen Abend den Catwalk entlang, der rechts ins Publikum führte. Natürlich griff er sich bei der Zeile „…and have their fun with my little one“ genüsslich in den Schritt. Auch durch seine Pirouetten mit und ohne Mikroständer begeisterte er die Massen. Längst hatte er sich seines Jacketts entledigt. Was mag das für eine Genugtuung für Gahan sein, endlich eigene Songs bei einem DEPECHE MODE Gig zu performen, denn mit „Suffer Well“ und „I Want It All“ sind gleich zwei Stücke mit im Gepäck. Mit „Macro“ rückte dann Hauptsongschreiber Martin zur Mitte der Bühne und übernahm den Gesangspart. Und jetzt gibt es ein Novum in der bisherigen Geschichte von DM. An dieser Stelle verließ Mr. Gahan sonst immer die Stage und überließ diese für zwei Titel dem Blondschopf. Dieses Mal aber nicht, denn er übernimmt im Hintergrund den Backgroundgesang für diesen Song. Einfach fantastisch diese Zusammenarbeit. Bei „Home“ ist Mart dann wirklich allein im Scheinwerferlicht, nur begleitet von Peter Gordeno, der ihn auch schon auf seiner Solotour vor knapp drei Jahren zur Seite stand. Beim schon erwähnten „I Want It All“ sind wieder alle vollzählig, und es geht in die nächste Runde. Bei „I Feel You“ verschwindet dann die Weste und gibt die Sicht frei auf die Daves Tattoos. Etwas später fällt auch bei der jungen Dame, die auf den beiden Leinwänden links und rechts der Stage als Video eingespielt wird, das Oberteil. Gleichberechtigung muss sein. Ab jetzt gibt es sowieso kein Halten mehr, denn mit „Behind The Wheel“, „World In My Eyes“, „Personal Jesus“ und „Enjoy The Silence“ folgt ein Kracher nach dem anderen, und in der Halle herrscht Party pur. Den Refrain von „Enjoy The Silence“ braucht der Frontman nicht mehr singen, denn dieses übernehmen jetzt die Fans. Hier endet das reguläre Set, und die Jungs verlassen überglücklich die Bühne. Dave und Christian sogar Arm in Arm.

Die Zugaben lassen nicht lange auf sich warten,. und so gibt Martin die intensive Ballade „Somebody“ zum besten. Zum Abfeiern gibt es dann „Just Can’t Get Enough“, und das man da lauthals mitsingt, ist ja wohl klar. Auch „Everything Counts“ steht dem in nichts nach und an der Raumkapsel leuchten die Worte „Sex“, „Pain“, „Angel“ und „Love“ gleichzeitig: Alles zählt. Und wieder verlassen die fünf die Stage, aber es fehlt ja noch ein Titel. Und der eröffnet den zweiten Zugabenblock. Kein Konzert ohne „Never Let Me Down Again“, und so fordert auch der Dauerbrenner einem wieder alles ab, ob nun beim Mitsingen oder beim obligatorischen Arme schwenken. Von anderen Konzerten her kannte ich ja schon die Setlist, die nur kleine Änderungen zwischen den einzelnen Gigs bereithält. Das ist nichts Neues, aber ich wundere mich, dass als Rausschmeißer „Goodnight Lovers“ herhalten muss. Geht das gut mit einem sehr ruhigen Titel? Und wie. Dave fordert das Publikum auf leise zu sein, und Martin stimmt den Song an. Beide stehen auf dem Laufsteg inmitten der Fans und dieses Duett verursacht Gänsehaut. Spätestens jetzt kommt der Gesang des Frontmannes vollends zur Geltung. Am Ende des Stücks liegen sich die beiden in den Armen, und Dave küsst Martin auf die Wange. Längst vergessen scheinen die Streitigkeiten in der Vergangenheit, und sie demonstrieren ein neues Wir-Gefühl. Inmitten des Gigs gesellte sich Dave dann auch zu Fletch und stellte ihn den Besuchern vor. Wir haben uns schon an sein Winken gewöhnt, doch dieses mal sah es so aus, als ob er hinter dem Pult irgendwelche Lockerungsübungen machte. Was aber seine genaue Aufgabe war, werden wir wohl nie erfahren. Als er bei einigen Tracks seine Kopfhörer aufsetzte, dachte ich, er wird doch wohl jetzt nicht mit seinen Schallplatten scratchen.

Die 2 Stunden vergehen wie im Fluge, und DEPECHE MODE nehmen einen mit auf eine musikalische Zeitreise bis ins Jahr 1981 und wieder zurück. Der Sound hat sich entgegen meiner Befürchtungen im Vergleich zur Vorband deutlich verbessert. Neben den beiden schon erwähnten Videoleinwänden an den Seiten sind noch weitere kleinere Screens im Hintergrund platziert worden, welche je nach Bedarf in eine bestimmte Position gefahren werden konnten. Teilweise wurden auch einige Sachen recycled. So lief bei „Walking In My Shoes“ der Vogel vom Single Cover wie schon auf der 93/ 94er Tour durchs Bild. Lustig auch der Comic, welcher dem “ Enjoy The Silence“ Video nicht unähnlich ist. Beeindruckend, und das konnten nur die Zuschauer sehen, die frontal auf die Bühne blicken konnten, wie Dave mehrfach in den Hintergrund projiziert wurde. Es sah aus, als schaute man in ein Kaleidoskop. Man merkt der Band an, dass ihnen das Live-spielen viel Spaß macht, und das überträgt sich dann auch aufs Publikum. Die Erfahrung, die Dave Gahan auf seiner „Paper Monsters“ Tour gesammelt hat, wurden von ihm wunderbar in die Shows von DM eingebaut. Ich denke, der Befreiungsschlag, den er mit seinem eigenen Album anstrebte, hat der erneuten Zusammenarbeit zwischen Gore und ihm nur gut getan. Es gibt aber auch einen Kritikpunkt, und der betrifft das Merchandise. Da wird ganz schön zugelangt – Bei den Preisen, müssen die Klamotten ja 100 Jahre halten…

Setlist DEPECHE MODE
Intro
A Pain That I’m Used To
John The Revelator
A Question Of Time
Policy Of Truth
Precious
Walking In My Shoes
Suffer Well
Macro
Home (Piano-Version)
I Want It All
The Sinner In Me
I Feel You
Behind The Wheel
World In My Eyes
Personal Jesus
Enjoy The Silence

Somebody
Just Can’t Get Enough
Everything Counts

Never Let Me Down Again
Goodnight Lovers

Anmerkung: Die Bandphotos stammen vom Gig in Berlin, weitere Berichte und Bilder von der DM-Tour unter www.reflectionsofdarkness.com und www.black-cat-net.de

Copyright Fotos: Daniela Vorndran (Bands)/ Karsten Thurau (Impressionen)

Es ist noch kein Kommentar vorhanden.

Hinterlassen Sie einen Kommentar.

Mehr zu DEPECHE MODE auf terrorverlag.com

Mehr zu THE BRAVERY auf terrorverlag.com