Ort: Hannover - Faust
Datum: 23.02.2005
Obwohl die heutige Fahrt kurzzeitig wegen schlechter Wetterverhältnisse zu kippen drohte, machten wir uns doch wohlgemut auf den Weg nach Hannover, um 2 der interessantesten elektronischen Kapellen bei ihrem Treiben zu beobachten. DIARY OF DREAMS und PSYCHE, beide auf Accession Records, beide mit spannenden neuen Alben am Start und beide mit sehr charismatischen Masterminds gesegnet. Nachdem unsere Kollegen eine Woche vorher bei den 69 EYES schon das Faust unsicher machten, war es mein persönliches Debüt in der ehemaligen Bettenfabrik, die mit ca. 300 Zuschauern angenehm gefüllt war. In Essen und Frankfurt war der Zuschauerandrang wohl noch deutlich höher, wie mir DoD-Tour-Drummer Beam (FEINDFLUG, Ex-TACTICAL SEKT) berichtete, aber auch so konnte man sich nicht beklagen. Um genau 21 Uhr durfte sich der Opener präsentieren.
Als „Very Special Guest“ angekündigt betraten Darrin Huss und der leicht zauselige Keyboarder Ray:X die nahezu unbeleuchtete Bühne (analog zum Opener LACRIMAS PROFUNDERE in der Vorwoche!). Es folgte eine 45 minütige Rundreise durch die viele Jahre währende Bandgeschichte der Elektroniker, mal schwermütig, mal tanzbar. Darrin sang sehr ausdrucksstark und ging augenscheinlich in der Musik auf, auch wenn er seine Tanzbewegungen vielleicht noch etwas optimieren könnte. Das Publikum blieb zwar oberflächlich ruhig, beklatschte die Tracks aber doch recht wohlwollend, was den Sänger merklich freute und zu ein paar deutsch-englischen Ansagen trieb. Die Setlist bestand neben Material vom aktuellen „The 11th Hour“ auch aus älteren „Hits“ wie „Misery“ (von der „The Influence“ 1989), der Q LAZZARUS Cover Version „Goodbye Horses“ (1996) oder „Snow Garden“ von der vorletzten Scheibe „Babylon Deluxe“. Nach 45 Minuten konnte man von einer sehr gelungenen Vorstellung sprechen, die auch verglichen mit anderen PSYCHE-Gigs im oberen Bereich anzusiedeln war.
Kurz nach 22 Uhr, also erstaunlich pünktlich für eine Gruftieveranstaltung, hieß es „Bühne frei“ für die Hauptattraktion des Abends: DIARY OF DREAMS. Das Bühnenbild wurde um einige Projektionen und etwas nervige Beamer erweitert, klar doch, man will sich von der Support Band unterscheiden. Der Mastermind und Labelchef von Accession Records Adrian Hates spazierte sichtlich gutgelaunt mit seiner E-Gitarre vor die Fans. Mit im Schlepptau: Alistair Kane alias Gaun:A – der „hauptberufliche“ Bandgitarrist. An die Drums setzte sich der o.e. Herr von FEINDFLUG und die Keyboards bediente niemand geringer als Torben Wendt, „Chef“ und Sänger von DIORAMA, der bereits seit Jahren den Headliner bei den Live Auftritten unterstützt. Es ist natürlich kein Zufall, dass DIORAMA ebenfalls auf Accession Records veröffentlichen. Zusammengefasst: Die „Nigredo Tour“ Bühnenbesetzung von DIARY OF DREAMS kann man ohne zu übertreiben als „All Star Band“ bezeichnen.
Angesichts dessen, dass es seit einigen Wochen ein neues Minialbum der Band mit dem Titel „MenschFeind“ gibt, war der Opener natürlich ganz klar. Danach erklangen „Reign of Chaos“ aus dem aktuellen Hauptwerk „Nigredo“ und „The Curse“ vom 2002er Vorgänger „Freak Perfume“. Es folgten über 70 Minuten musikalischen Spaziergangs durch die 11 Jährige Geschichte der Band. Die Formation wirkte gut eingespielt und erledigte ihre Aufgaben mühelos. Ein bisschen schade fand ich es, dass man die wirklich gute Stimme von Torben Wendt, der außer den Keyboards auch die Backing Vocals übernahm, kaum hören konnte. Mir ist zwar klar, dass der Star des Abends DIARY OF DREAMS und nicht DIORAMA hieß, aber den Regler etwas nach oben zu bewegen hätte meiner Ansicht nach nicht geschadet. Sonst ließ der Sound eigentlich nichts zu Wünschen übrig.
Das Publikum bestand zu einem beträchtlichen Teil aus etwas älteren Zuhörern, kein Wunder, da sowohl DIARY OF DREAMS als auch PSYCHE lange genug im Geschäft tätig sind und „erwachsene Musik für erwachsene Leute“ zum Besten geben. Auch nicht jeden der Konzertbesucher hätte ich auf Anhieb der schwarzen Szene zugeordnet. A pro Pos „Normalos“: Interessanterweise sah Adrian Hates an dem Abend ebenfalls erstaunlich „normal“ aus. Hätte er zusätzlich ein Sakko getragen, könnte er vielleicht sogar als ein Angestellter der Kreissparkasse Stadthagen im Schalterbereich durchgehen. 😉 Dafür hat der Rest der Band traditionsgemäß ins Farbtöpfchen gegriffen, um sich die Gesichter zu bemalen. Wenn man allerdings die Tatsache berücksichtigt, dass fast alle Musiker nicht zur Stammbesetzung zählen, erinnern mich solche Maßnahmen an die Pappschilder mit lustigen Figuren, Sprüchen und Löchern, um den eigenen Kopf dort hinein zu stecken, die als sehr beliebtes Fotomotiv für alle Rentner auf Kaffeefahrten durch den Bayerischen Wald aufgestellt sind. Aber die musikalische Darbietung hatte gewiss nichts mit Rentnermusik zu tun und nach 2 umjubelten Zugaben konnte sogar das traditionsgemäß etwas muffelige Hannoveraner Publikum nichts anderes tun als jubeln.
Setlist DIARY OF DREAMS
MenschFeind
Reign of Chaos
The Curse
Giftraum
End of Flowers
Methusalem
Chemicals
But the Wind was stronger
Play God!
Butterfly Dance
Soulstripper
Psycho-Logic
O` Brother Sleep
Kindrom
Traumtänzer
She
Panik
Ex-île
Copyright Fotos: Karsten Thurau
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