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DIE ANGEFAHRENEN SCHULKINDER

Ort: Osnabrück – Haus der Jugend

Datum: 08.12.2015

Männer, lasst es Euch von gestandenen Kerlen wie den ANGEFAHRENEN SCHULKINDERN gesagt sein: Ein kleiner Penis ist keine Entschuldigung! Weder für einen Krieg noch für eine Schlägerei. Und das gilt im Übrigen konfessionsübergreifend für alle Religionen und ganz besonders für terrorbereite Islam-Fundamentalisten. Da diese Weisheit praktisch nicht zu toppen ist, hat die Anarcho-Institution aus Osnabrück auch gleich das brandneue Album so genannt und zudem die diesjährigen Weihnachtsshows unter das griffige Motto gestellt. Alte Hasen wissen, dass man bei einer Weihnachtsfeier mit Heaven, Dr. Ignatz Ignaz sowie Charlie und Jo Granada keinesfalls mit kontemplativen Stunden rechnen sollte. Besinnliche Gedichte und Lieder sind vielmehr eher Mangelware und dass die erste Stuhlreihe im Regelfall weitgehend leer bleibt, hat ebenfalls Gründe.

Gleichwohl fanden sich auch in diesem Jahr wieder Newcomer im Haus der Jugend ein, die sich kurz vor Beginn der Show über Plätze in vorderster Front freuten, dann jedoch ins Grübeln kamen und mich fragten, ob es einen Grund dafür gäbe, dass ausgerechnet diese sonst doch sehr begehrten Stühle frei geblieben seien. Ich empfahl, sich einfach überraschen zu lassen und ganz lange sollte es nicht dauern, bis die Debütanten ihre ganz persönlichen Beschimpfungen von Schulkind Jo erhalten hatten. Zuvor hatte der Brachial-Charmeur den Abend mit einem Gasballon-Rentier im Schlepptau und einem Reim auf dem Lippen eröffnet, bevor gleich zu Beginn dank des Evergreens „Tötet Onkel Dittmeyer“ ein Komplettabriss des Saals angesagt war. Die Jungs um den stimmgewaltigen Lockenkopf Heaven legten amtlich los – wie in den Vorjahren hervorragend unterstützt von Deko Pellmann hinter der Schießbude und Marcus Praed am elektrischen Sechssaiter. Ein Hauch Weihnachtsstimmung kam schließlich mit der deutschsprachigen Schulkinder-Version des SLADE-Klassikers „Merry Christmas Everyone“ auf, während die weiteren Anlehnungen ans Fest der Liebe eindeutig zweifelhafter Natur waren. Schließlich wird im „Winterwunderland“ der ANGEFAHRENEN SCHULKINDER gern in den frischen Schnee gekackt und wenn Jo zum großen Märchenbuch greift, kommt nicht die Weihnachtsgeschichte zum Vortrag, sondern eine wenig beschauliche Story über das pädophile Bodenpersonal des lieben Gottes. Aber genau das hat Tradition und durfte deshalb ebenso wenig fehlen wie Samson und dessen voll gewichstes Schnuffeltuch oder die prominenten Gäste Peter Maffay und Udo Lindenberg. Mit von der Partie war daher auch wieder die Radio-Bremen-Super-Show, bei der die „singenden Glocken von Schneverdingen“ ein wahrer Dauerbrenner sind, aber auch neues Material präsentiert wurde. Verwiesen sei an dieser Stelle auf die ausdrucksstarke Performance des Laien-Tanztheaters Bad Iburg. So gut und gleichzeitig derart komprimiert hat wohl noch niemand den Inhalt von „Winnetou 1-3“ wiedergegeben! Der „Votzenpresident“ wurde gar mit Zugaberufen bedacht (wobei man nicht genau sagen kann, ob es dabei mehr um den Wunsch ging, Heaven noch länger singen zu hören oder darum, die beiden Hupfdohlen Charlie und Dr. Ignatz Ignaz noch ein bisschen in schicken Kleidchen tanzen zu sehen. In der Folge kam jedoch das, was bei jedem Schulkinder-Gig absolut unentbehrlich ist: Der Gang ins Publikum. Jo Granada nahm das Auditorium aufs Korn, sparte nicht an bösen, aber lieb gemeinten Worten und beorderte am Ende noch Heaven hinzu, damit dieser die Stimmungskurve als wüster Einheizer noch einmal nach oben zog. Zur Not auch vermittels Einzel-La-Ola-Welle! Wenn hier noch Schulungsbedarf besteht, kommen DIE ANGEFAHRENEN SCHULKINDER dem natürlich auch umgehend nach. Nach einer Stunde Spielzeit war zu diesem Zeitpunkt das Zwerchfell dann auch bereits so gereizt, dass eine kurze Pause angesetzt wurde.

20 Minuten später wurde abermals mit viel Groove musiziert, um sich im Anschluss auf etwas leisere Klänge zu verlegen, die im Sitzen vorgetragen wurden. Heaven erinnerte mit „Hartz 1, Hartz 2“ an seine Sozialhilfe-Karriere und überhaupt wurde an dieser Stelle hier und da in der Vergangenheit gekramt. Das galt in gleichem Maße für kleine Anekdoten am Rande als auch für Songs oder auch das überragende Schattenspiel „Girl From Ipanema – The Chinese Version“. Dem schlossen sich der bereits erwähnte Ausflug in die Sesamstraße und der Blitzbesuch von Peter Maffey und Udo Lindenberg (nicht zu vergessen Udo Jürgens am Tasteninstrument!) an – bewährte Publikumserfolge ohne die der Advent nur halb so schön wäre – und schon näherte sich der Abend seinem Ende. Für die erste Zugabe verließ die Band erst gar nicht die Bühne und schmetterte stattdessen sofort das wunderbare „Ich kam von Luisanna“ (auch bekannt als „Pudel Rain“), bei dem auch wieder fast alle Besucher auf ihre Sitzgelegenheiten kletterten. So ist es seit Jahr und Tag Brauch und Sitte, genau wie die Herren Künstler ohne „Marina“ nicht ordentlich abgeliefert haben. Macht nichts, wenn Heaven sich bei seinem Klarina-Solo verspielt, aber ohne die krachende Nummer dürfen die Herrschaften nun mal nicht gehen. Die steckten im zweiten Zugabenblock noch den „Daumen in Po“ und verlangten „Ein bisschen Freundlichkeit“, womit sie sich letztlich um 22.50 Uhr auch von der begeisterten Zuschauerschaft verabschiedeten.

Wer nun derart angefixt war, dass er am nächsten Tag gleich noch mal im Haus der Jugend dabei sein wollte, bekam noch mit auf den Weg, dass dieser Gig ausverkauft war. Aber für den Hausgebrauch wurden im Anschluss ja noch CDs verkauft und es war einfach wieder eine Freude, „alte Männer außer Rand und Band“ (O-Ton Schulkinder) in Aktion zu erleben. Wie üblich war das Publikum überwiegend männlich und nicht selten ebenso in Ehren ergraut wie die Hauptprotagonisten des Abends. Einmal im Jahr findet halt eine Weihnachtsfeier der ganz besonderen Art statt und mit den ANGEFAHRENEN SCHULKINDERn darf man sicher sein, dass bei dieser Gelegenheit kein Auge trocken bleibt. Frohes Fest!

Copyright Fotos: Ulrike Meyer-Potthoff

1 Kommentar

  1. Larsemanski sagt:

    Es war wieder mal ein Fest. Jedes Jahr ist das Konzert der Angefahrenen Schulkinder DAS Highlight.
    Das Publikum verjüngt sich allerdings zunehmend, so dass pubertierende Ausrufe ausuferten. Aber auch das konnten die Schulkinder gut kompensieren. Knaller wie „Lass Es Sein“ oder „Pudel Rain“ sind einfach jedes Mal die Nummern, die das Publikum zusammen schweisst. TOP! Es lebe die alternative Musikszene – und ein starkes Standbein haben wir wieder einmal erleben dürfen. DANKE für die tollen Stunden!

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