Ort: Osnabrück – Haus der Jugend
Datum: 10.12.2019
Kein Bock auf eine besinnliche Adventszeit? Da wissen DIE ANGEFAHRENEN SCHULKINDER alljährlich zu helfen. Auch in diesem Jahr stehen die Anarcho-Humoristen Heaven, Dr. Ignatz Ignaz sowie Charlie und Jo Granada an drei Tagen im Osnabrücker Haus der Jugend auf der Bühne und da die Autorin dieses Textes bereits seit ungefähr 25 Jahren bei den Weihnachtsshows im Publikum sitzt, war es in diesem Jahr auch mal an der Zeit, dass die Dame selbst mit anpackt. Selbiges beschränkte sich jedoch auf das Anreichen von zwei Stühlen, für die Unterhaltung waren an diesem Dienstagabend ganz klar die vier Herren zuständig, die Anfang der Neunziger eine Menge Geld mit dem Song „I Wanna Make Love to Steffi Graf“ versenkt haben.
Natürlich waren auch wieder jede Menge prominente Gäste mit von der Partie. So wurde die kurzweilige Veranstaltung von MARIANNE (von Verdauungsproblemen geplagt) UND MICHAEL (von seiner Gattin genervt) eröffnet, die wiederum ANDREAS GABALIER (natürlich wie immer bestens gelaunt) mitgebracht hatten. Auch die Winterwonderland-Band war erneut verpflichtet worden – diesmal waren Marcus Praed (Gitarre), Andreas Helmet Müller (Bass) und Dr. Dirk Deko PengPeng Pellmann (Drums & Percussion) mit riesigen Engelsflügeln angetan, doch wer dachte, dass DIE ANGEFAHRENEN SCHULKINDER nach 38 Jahren langsam altersmilde würden und es ruhiger angehen ließen, wurde schnellstmöglich eines besseren belehrt. Die Jungs hatten „Lust auf Bier“ (vgl. „Lust For Life“ von Iggy Pop) und gaben dies lautstark rockend zu Protokoll. Auch die vorgetragenen Weihnachtslieder und Gedichte waren etwas derberer Natur – also ganz genau so, wie man es von den Schulkindern erwartet. Zu den vorweihnachtlichen Standards gehört außerdem die „Menschen für Menschen“-Charity-Gala, die in bewährter Manier vom Schnellsprecher Peter Hänes moderiert wurde und allerlei talentierten Amateuren eine Bühne bot. Da wären Günter, Werner und Richard Risskamp von Risskamps Hof mit dem Singspiel „Mohammed sin Dromedar“ und der Bauchredner Norbert aus Goldenstedt zu nennen und unbedingt auch die Aufführung von Winnetou 1-3, der es gelang, die Quintessenz der Karl-May-Bücher innerhalb von wenigen Minuten auf den Punkt zu bringen. Außerdem wollten sich die Schulkinder an dieser Stelle einfach mal für die langjährige Treue ihrer Fans bedanken. Immerhin sind weite Teile des Publikums mehr oder weniger in Würde mit den Hauptprotagonisten des Abends gealtert. Ein genaueres Bild hatte sich Jo Granada bei einem Gang durch die Reihen gemacht und das Ergebnis war so niederschmetternd, dass der Mann sehr deutliche Worte fand und zudem Heaven eingreifen musste, als es um die Mitmachbereitschaft des Auditoriums schlecht bestellt war. So verging die erste Stunde wie im Fluge und die Anwesenden wurden für eine kurze Pause an die Theke geschickt, schließlich wollte der Veranstalter auch noch ne Mark beim Getränkeumsatz machen.
Der zweite Teil wurde etwa 20 Minuten später mit weihnachtlichem Liedgut und der Hilfe der Winterwonderland-Band eingeläutet, ehe das Böggemann-Beiderwellen-Busch-Terzett die Stage enterte und von den Tücken der Chemotherapie sang. Zum 40. Bühnenjubiläum hat Jo eine CD mit den schönsten Fick- und Pimmelliedern in Aussicht gestellt und mit welchen Songs man bei dieser Gelegenheit rechnen darf, ließen die Herren Musiker mit Nummern wie „Kacken im Winderwunderland“, „Ein kleiner Penis ist keine Entschuldigung“ oder auch „Masturbano“ (wurde von SANTIANO geklaut und mit einem beliebigen Text ruiniert) erahnen. Lebenshilfe boten derweil „Wer sich schon vor dem Frühstück“ und „Nur halb so gut“, wohingegen „Jacques Parisienne“ mit einer ausgefeilten Choreografie überzeugte. Wenig später folgte Chris Krüger mit einem Rock’n’Roll-Medley bestehend aus den Stücken „Blas mir einen“, „Anal ist okay“ und „Lutschgeil“. Die prominentesten Gäste des Abends waren jedoch eindeutig PETER MAFFAY und UDO LINDENBERG, die von UDO JÜRGENS am Piano begleitet wurden. Das wie immer grandiose „Lass es sein“ wurde zurecht mit Zugaberufen bedacht und DIE ANGEFAHRENEN SCHULKINDER ließen sich auch gar nicht lange bitten. Gemeinsam mit der Winterwonderland-Band fand zu „Tötet Onkel Dittmeyer“ ein wahrer Abriss statt und auch die alljährlichen Klassiker „Pudel Rain“ und „Marina“ sorgten einmal mehr für beste Stimmung im nahezu ausverkauften Saal.
Zweifellos waren die meisten Zuschauer auch Wiederholungstäter, die nur darauf warteten, übelst beschimpft zu werden oder nach Aufforderung auf die Stühle zu steigen. Andere fliegen möglicherweise zum Ballermann, um sich von jeder Form von Niveau zu verabschieden. Deutlich unterhaltsamer (und preiswerter) gelingt dies jedoch mit den Schulkindern, die nach eigenem Bekunden irgendwie in der Pubertät stecken geblieben sind und augenscheinlich mit viel Spaß bei der Sache waren. Scheiß auf Political Correctness, DIE ANGEFAHRENEN SCHULKINDER ziehen jeden und alles auf die ihnen eigene brachiale Art durch den Kakao und wer darüber nicht lachen kann, ist wirklich zu bedauern!
Copyright Fotos: Ulrike Meyer-Potthoff
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