Ort: Osnabrück - Haus der Jugend
Datum: 12.12.2007
Was wäre Weihnachten ohne Glühwein, selbstgebackene Kekse und üppige Adventsdeko? Ich würde mal sagen: Auch zu verkraften! Aber was wäre die Vorweihnachtszeit ohne das besinnliche Stelldichein der ANGEFAHRENEN SCHULKINDER? Nicht auszudenken! Und so fanden sich der schönen Tradition folgend auch in diesem Jahr wieder genügend Hartgesottene ein, um das HdJ bis auf wenige Plätze in der ersten Reihe zu füllen.
Dass die sonst so begehrten Plätze nahe der Bühne bei den SCHULKINDERn eher leer bleiben, hat seine guten Gründe, da das Quartett gern auch mal Lebensmittel ins Programm einbaut, mit denen dann auch das Publikum hautnahen Kontakt hat. Bei der Zuschauerschaft an diesem Mittwoch Abend handelte es sich aber fast ausnahmslos um Wiederholungstäter, die um die Gefahren wussten und sich auf ein Medley aus altbewährtem und neuem Output der Brachialkomiker freuten, die seit 1982 auf den Bühnen der Republik ihr Unwesen treiben. Nachdem eine säuselnde Frauenstimme, welche die Hardrock-Jazz-Pausenmusik unterbrach, auf den baldigen Beginn der Show hinwies, war es dann um 20.10 Uhr soweit: Erst erklangen aus dem Off erstaunliche Enthüllungen rund um die Schulkinder und den Papst, bevor Jo Granada die Band vorstellte. Angefangen bei Heaven (mit dem Herzen aus Platin) über Charlie Granada (der Manager des Guten) bis hin zu Dr. Ignatz Ignaz, der gerade eine Patenschaft für ein krankes Erdmännchen übernommen hat. Jo selbst wurde uns wiederum von Heaven als Engel aus Eversburg präsentiert, dann starteten die Gutmenschen mit einem Song, den Charlie in ähnlicher Form 1999 selbst erlebt hat. Das verträumte „Winterwonderland“ wird bei den SCHULKINDERn zu „Kacken im Winterwunderland“, sehr zur Freunde des Auditoriums, welches das Niveau ganz unten wünschte. Wenig später sollten wir erfahren, warum in so schöner Regelmäßigkeit überhaupt das Weihnachtskonzert stattfindet: Da geht nämlich immer was und sogar Jo und Heaven kriegen eine Frau ab. Wobei Heaven auch einen alten Kerl nähme. Die Jungmannenabteilung in der zweiten Reihe bot sich Jo fast schon an, dieser wähnte zuerst in dem juvenilen Pennäler ein Mädel, erkannte dann jedoch seinen Fehler und überdachte die Situation noch mal, um mit „Silber für Deutschland“ einen bösen Bericht über die Paralympics zum Besten zu geben. Im Stil der Bundesliga-Radiokonferenz spielte Jo mehrere Sportreporter, besonders gelungen war dabei das Gewichtheben der Autisten. Wieder in kompletter Besetzung auf der Stage, ging es mit einem geradezu politischen Chanson weiter. Wie recht haben doch DIE ANEFAHRENEN SCHULKINDER, wenn sie sagen, dass ein kleiner Penis keine Entschuldigung für einen Krieg oder eine Schlägerei ist (Ghandi, Jesus und Martin Luther King sollen übrigens Riesen-Dinger gehabt haben…) Passenderweise folgte umgehend eine Solidaritätsbekundung für George W. Bushs Kampf gegen den Terror, bei der die einzelnen SCHULKINDER jedoch großen Wert darauf legten, dass die Beiträge ausschließlich die Meinung des jeweils Vortragenden widerspiegelten. So hatte Heaven Parolen wie „Mufti bleib in deiner Stadt“ zu bieten, die bei den Kollegen nur Kopfschütteln und blankes Entsetzen hervorriefen, während der Doktor erst jede Menge Notenpapier sortieren musste, bevor er „Zwei Türme sind im Eimer, oh Heaven, oh Heaven“ singen und am E-Piano vortragen konnte. Jos extrem tanzbares “Tanz mit mir Mr. Terrorist“ veranlasste Heaven, den Verstärkerstecker aus der Gitarre zu ziehen, was jedoch noch von Schlagzeuger Charlie getoppt wurde. Eigentlich wollte dieser gar kein Statement abgeben, ließ sich dann aber zu einem „Ach wär ich nur ein einzges Mal ein stolzer Prinz im Karneval!“ hinreißen. Irgendwie waren da wohl der 11.09. und der 11.11. durcheinander geraten. Mit besonderem Stolz sagte Jo im Folgenden den Aufritt der drei Neger – live zugeschaltet aus der Mailänder Scala an. Besonders Heaven konnte mit seiner chicen Hochsteckfrisur und Knochen im Haar punkten, aber auch Dr. Ignatz Ignaz und Charlie vermochten in Baströckchen und mit schwarzen Afroperücken gefallen, während sie gemeinsam ein Stück „Lippenmusik“ darboten. Dann wurde es zum ersten Mal richtig interaktiv und die Fans wurden zu ihrem großen Vergnügen mit ins Geschehen einbezogen. Während Jo wüste Beschimpfungen ausstieß und die Anwesenden massiv aufforderte, mehr mitzuklatschen und alles zu geben, sorgte Heaven mit Trillerpfeife, Tamburin, bösem Gesicht und einem unsäglichen Sportdress dafür, dass dem auch Folge geleistet wurde und man sich auch nach dem Gusto der SCHULKINDER amüsierte. Zum Abschluss kam noch die Ansage, dass Pause sei und man gefälligst saufen solle, da der Veranstalter auch was verdienen wolle. Dem wollte sich natürlich niemand widersetzen und so wurde die 20-minütige Unterbrechung genutzt, um Flüssigkeitsverluste auszugleichen oder vor der Tür hastig ein paar Zigaretten zu rauchen.
Offensichtlich war das Publikum inzwischen so richtig in Stimmung gekommen, denn der schöne Evergreen „Daumen im Po“ wurde nach dem Break lauthals mitgesungen und auch Jos spektakulären, jeweils etwa drei Sekunden langen Gitarren-Soli wurden heftig beklatscht. Die Ankündigung, dass man vom Schmuddel-Image weg und nicht mehr diese billigen Zoten machen wolle, wurde allerdings nicht so positiv aufgenommen. Entsprechend brachten die SCHULKINDER eine Reihe „Untenrum-Chansons“, die sich mit Ficken, Hodensäcken, Selbstbefriedigung und als Höhepunkt auch noch mit dem hochkarätigen Song „Mein Penis heißt Black Beauty“ beschäftigten, mit dem die Jungs den 42. Platz bei der Singspiel-WM belegt hatten. Eine hochkomplexe Darbietung, die von sämtlichen Protagonisten höchste Konzentration erforderte und zur völliger Erschöpfung beim Doktor führte, jedoch auch mit tosendem Applaus belohnt wurde. Auch der nahende Karneval, den Charlie bereits angesprochen hatte, sollte nochmals thematisiert werden. Wir durften Zeuge der Gala- und Prunksitzung der Roten Hähne Badbergen werden, die kein Blatt vor den Mund nehmen und fernab der Fernseh-Sitzungen ohne Biss auch Tabus ansprechen. So geschehen vom „Gala-Leser“ (Jo), der seinen Unmut darüber äußerte, in der Gala über die sexuellen Vorlieben von Boris Becker oder Madonnas Jugendlichkeits- und Adoptionswahn lesen zu müssen. Wie den meisten bekannt sein dürfte, brauchen DIE ANGEFAHRENEN SCHULKINDER immer noch Geld, um die DM 60.000,00 Strafe für den Song „I Want To Make Love To Steffi Graf“ abzustottern, da wird natürlich jede Einnahmequelle gesucht und wurde eine neue in Form eines innovativen Showkonzeptes aufgetan, für das auch schon RTL und RTL II Interesse angemeldet haben sollen. Moderiert von Jo alias Burkhard Henis als absolut talentfreier Conferencier, erschien zunächst der Doktor als Alleinunterhalter im blaukarierten Sakko mit fieser Pilotensonnenbrille und Quetschkommode, um als Eddie aus Damme lahme Witzchen zu erzählen. Abgelöst wurde er nach einer launigen Ansage von Herrn Henis vom blinden Hansi Eidelmann, der mit zwei Glocken gar liebliche Melodeien produzierte. Eine Paraderolle für Charlie Granada, bevor Jo und Charlie als The Magic Butcher (Günther Roll und Hansi Beiderwellen) eine Freiwillige benötigten, die Heaven auch innerhalb kürzester Zeit in den vorderen Reihen von ihrem unbedingten Wunsch mitzuwirken überzeugte. Die Magic Butcher waren angetan mit weißen Plastikschürzen, Schlachterschiffchen und Gummihandschuhen und starteten erst einmal mit einer hochdramatischen Zaubershow, bei der zum Schluss ein Suppenhuhn aus einen Hut gezaubert wurde, dem letztlich auch noch die Tüte mit den Innereien entnommen wurde. Für SCHULKINDER-Verhältnisse alles noch sehr harmlos, aber da kamen ja noch Heißwürstchen ins Spiel und das konnte schlimmes bedeuten… In diesem Fall ging es noch glimpflich aus. Es folgte eine Art Messerwurf-Nummer, für die sich die „Freiwillige“ vor eine Zielscheibe stellen musste, während Jo die Augen verbunden bekam und mit den Würstchen auf seine Assistentin zielte. Die machte zu diesem Zeitpunkt nur einen bedingt glücklichen Eindruck, wurde aber nur einmal (von einer immerhin ganzen und nicht von Heaven zerkauten und mit Speichel vermengten Wurst) getroffen und für ihre Tapferkeit mit einem Poster belohnt. Die Zeit war mal wieder wie im Fluge vergangen und so wurde die Ankündigung des letzten Stückes mit Unmut aufgenommen. Gleichzeitig wurde jedoch auch auf Überraschungsgäste hingewiesen, was natürlich nur bedeuten konnte, das Peter Maffay und Udo Lindenberg sich noch die Ehre gäben. Und so kam es dann auch: Nach der aus Ilja Richters Disco bekannten „Licht aus – Spot an“-Ansage stand Charlie in seiner Glanzrolle als Peter Maffay scheinbar auf einer Kiste (schließlich ist Maffay ja nicht gerade ein Riese) und spielte gemeinsam mit Udo Lindenberg (Jo) seine Version des BEATLES-Klassikers „Let It Be“. Man kann das Ganze bereits Dutzende Male gesehen haben, es ist immer wieder köstlich und ein absolutes Highlight! Auch in diesem Jahr sollte dies nicht anders sein und so klappte auch das Mitsingen bis hin zur Textverfremdung „Piss mich an“ hervorragend und tobte der gesamte Saal.
Da konnte es ruhig bereits 22.35 Uhr sein, an ein Ende der Vorstellung war keinesfalls zu denken, schließlich waren ja auch Leute, von denen Jo dachte, sie seien endlich weggezogen, eigens mit dem Auto nach Osnabrück zurückgekehrt, um den Weihnachtsshow beizuwohnen. Trotzdem war die erste Zugabe „Marina“ – ein Stück Bewegungsmusik – nicht diesen recht alkoholisierten Herren gewidmet, sondern einer gewissen Kati. Aufgenommen wurde der Song mit Heaven an der Klarina jedoch von allen Anwesenden mit großem Jubel und so wanderten die Emotionen weiter Richtung totaler Ekstase. Dazu passte die „Powerrockballade“ namens „Gut Bye“, die Jo am Toten-Sunday geschrieben hat, natürlich hervorragend. Neben dem exorbitanten Sound veranlasste der unglaubliche Text in schlechtestem Englisch die entfesselten Osnabrücker, einander an den Händen zu fassen, mitzuschunkeln und in altbewährter Manier auch auf die Stühle zu steigen, ohne dass dieses überhaupt großartig von den SCHULKINDERn eingefordert werden musste. Unaufhaltsam rückte die Zeiger Richtung 23.00 Uhr, so dass sich die Herrschaften erneut von ihren Fans verabschiedeten. Ein kurzes Wiedersehen sollte es aber mit zwei weiteren Untenrum-Chansons noch geben. Neben der tragischen Geschichte von einem Penis und einer Vagina schloss sich noch das „Giedstinker-Lied“ an, welches Peter und Steffi Graf gewidmet war, obgleich nur die Namensnennung manche Bandmitglieder schon zusammenzucken ließ, da scheint eine tiefe Angst vor neuen, teuren Klagen verwurzelt zu sein. Um 23.00 Uhr war nach satten 2 ½ Stunden reiner Spielzeit Schluss, wer wollte, konnte noch eine DVD von der 2006er-Weihnachtsshow erwerben, eine Möglichkeit, von der zurecht zahlreich Gebrauch gemacht wurde.
Inzwischen scheinen die Shows Selbstläufer zu sein, was leider auch ein bisschen zu Lasten der Spielfreude zu gehen scheint. Entweder werden die SCHULKINDER auf ihre alten Tage ein wenig milde und gehen mit ihrem Publikum nicht mehr so hart ins Gericht oder die Fans machen es ihnen einfach zu leicht, weil niemand mehr wirklich peinlich berührt ist, wenn er direkt angesprochen und beschimpft oder allzu bereitwillig mitgemacht wird. Trotzdem war es einmal mehr ein sehr gelungener Abend, der hoffentlich auch im nächsten Jahr seine Fortsetzung finden wird. Vorher wird jedoch im emma-Theater „Die Prinzessin mit dem Glied“ in der Spielzeit 2007/ 2008 zu sehen sein. Die Welturaufführung wird am 06.06.2008 stattfinden – natürlich ein Muss für jeden Fan!
Copyright Fotos: Dirk Ruchay
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