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DIE ANGEFAHRENEN SCHULKINDER

Ort: Osnabrück – Haus der Jugend

Datum: 14.12.2011

Oh, du besinnliche Weihnachtszeit! Spätestens Mitte Dezember ist damit regelmäßig Schluss, denn dann laden DIE ANGEFAHRENEN SCHULKINDER zu ihrer traditionellen Weihnachtsshow. In diesem Jahr stand der Abend unter dem Motto „Heaven sings X-Mas Vol. 2“, denn unlängst ist der zweite Longplayer des Barden mit der wilden Lockenmähne und dem kräftigen Organ mit Weihnachtsliedern der besonderen Art in die Plattenläden gekommen. Aufgenommen wurden selbige im vergangenen Sommer in der idyllischen Umgebung des Tonstudios in der Mühle der Freundschaft, wo auch ganz alte und ganz neue Schulkinder an der Entstehung beteiligt waren, die heuer ebenfalls auf der Bühne standen.

Frei gegeben wurde die Stage jedoch kurz nach 20.00 Uhr von Jo Granada, der gleich zu Beginn deutlich machte, dass die Schulkinder auch Anno 2011 ihre Augen nicht vor den dringenden Problemen unserer Zeit verschließen: EHEC, Eurokrise, die rasante Verbreitung von Nagelpilz im südlichen Emsland und der Ausbau des Rosenplatzes – das sind Themen zu denen DIE ANGEFAHRENEN SCHULKINDER natürlich eine Meinung haben, mit der sie keineswegs hinterm Berg halten. Zunächst einmal stand jedoch mit Stücken wie „Morgen kommt der Weihnachtsmann“ und „Alle Jahre wieder“ der Jahreszeit entsprechendes Liedgut auf dem Programm. Dass die Schulkinder mit ihren Interpretationen nicht unbedingt ein Seniorenheim beglücken wollten, wurde schon beim Anblick von Heavens zotteligem Mantel (die perfekte Ergänzung zur Frisur) oder dem christbaumähnlichen Schmuck seiner Oberbekleidung deutlich. Jeder amerikanische Weihnachtsbaum wäre stolz, putzte man ihn ähnlich üppig heraus wie bei Heavens Outfit geschehen. So geriet das nicht unbedingt jugendfreie „Weihnachtsgedicht“ auch zum optischen Schmaus, ehe sich auch die Gäste Marcus Praed (Gitarre), Helmet (Bass), Moses „Peng Peng“ Pellmann (Drums & Percussion) und Hardy Schwetter aka CHRISTIAN STEIFFEN (Mundharmonika & Gesang) auf den Weg ins „Winterwunderland“ machten. Hier hatte Kollege Charlie Granada mit seinem Flöten-Solo einen ersten gefeierten Auftritt, wobei dieser gute Eindruck bei Werner Weverings Büttenrede ein wenig litt, da der Mann hinter der Schießbude doch einige Male seinen Einsatz und somit die Pointen der Promi-Abkanzelung verpatzt hatte. Da wurde auch die Stimmung beim Eintreffen von Eckis Samba-Express nicht besser und erst Samson, Tiffi und Lilo konnten mit ihren Diskussionen über Samsons verwichstes Schnuffeltuch das Stimmungsbarometer wieder steigen lassen. Keine Frage, dass das masochistisch veranlagte Osnabrücker (und Quakenbrücker!) Publikum bei den persönlichen Beschimpfungen (vor denen auch die Verfasserin dieser Zeilen nicht verschont blieb), erst so richtig auf Touren kam und gern auch mal eine Laola-Einzelwelle vollführte. Mit allen Kräften wurde auf und vor der Bühne gesungen, sodass man der Aufforderung „Los, Pause, saufen!“ gern nachkam und sich für die zweite Halbzeit mit Kaltgetränken stärkte.

Die begann mit dem rockenden „Morgen, Kinder wird’s was geben“ erneut sehr musikalisch – so wie dieses Jahr überhaupt viel Musik auf dem Zettel stand, was hervorragend ankam und von zahlreichen, vielfach schon lieb gewonnenen Sprachbeiträgen ergänzt wurde. Mit von der Partie war auch Märchenonkel Wolfgang, der schauerliche Geschichten aus der Sakristei zu berichten wusste, ehe „Kommet ihr Hirten“ mit viel Rhythmus, einem Instrument namens „Quombodo“ (sieht aus wie eine Siebziger-Jahre-Vase) und afrikanischen Sounds zum Besten gegeben wurde. Belohnt wurde der Vortrag mit viel Applaus, den auch die Bläser-Formation Dr. Ignatz Ignaz, Charlie Granada und Heaven bekam, als sie von Jo Granada am elektrischen Sechssaiter unterstützt ihre Thesen zur Qualität des Fickens im Vergleich zwischen Wunsch und Wirklichkeit zur Diskussion stellten. Mit ihrer ganz eigenen Variation des Volksliedes „Ein Jäger aus Kurpfalz“ kehrte das Gespann Heaven/Jo noch einmal nach Afrika zurück und es ist mir eine Freude zu erwähnen, dass die Herren mit dieser Performance bei den diesjährigen Quombodo-Weltmeisterschaften in Daressalam, Tanzania, den vierten Platz belegen konnten. Die Freude über diesen Erfolg war den beiden Protagonisten auch deutlich ins Gesicht geschrieben, man konnte sich selbst vor Lachen kaum halten. Nun sollte jedoch ein wahres Star-Aufgebot folgen: Den Anfang machten „Die drei Neger“, gefolgt von Rock’N’Roller Peter Glatt, der glücklicherweise wieder clean ist und augenscheinlich auch keine Folgeschäden seiner jahrelangen Sucht-Eskapaden zurückbehalten hat, sieht man mal von einigen sprachlichen Aussetzern und Koordinationsproblemen ab. Nicht zu vergessen natürlich das legendäre Duo Peter Maffay und Udo Lindenberg, das sich mit „Lass es sein“ einmal mehr in die Herzen ihrer Fans gespielt hat. Eifrig wurde mitgesungen, auch wenn aus „Lass es sein“, plötzlich „Piss mich an“ wurde – eine Textzeile übrigens, mit der sich insbesondere der gute Peter hervorragend identifizieren konnte.

Auf diesem Höhepunkt der guten Laune wollten sich DIE ANGEFAHRENEN SCHULKINDER doch tatsächlich verabschieden, aber natürlich hatten sie mit dieser Ankündigung – wie bereits den ganzen Abend schon – nur Spaß gemacht. Tatsächlich hatte die Anarcho-Kapelle mit dem derben Humor noch 46 Zugaben vorbereitet, von denen die erste „Pudel Rain“ war, bei dem Heaven gleichzeitig seine Stimmgewalt unter Beweis stellen und seine schlimme Kindheit, die von der mütterlichen Pudelzucht in Borgloh geprägt war, aufarbeiten konnte. Jetzt ist auch klar, woher die Frisur des Musikers und Schauspielers rührt… Als nächstes war CRISTIAN STEIFFEN an der Reihe, der nach eigenem Bekunden seit Jugendzeiten ein glühender Verehrer der Schulkinder ist und unendlich stolz war, mit seinen Idolen die Bühne teilen zu dürfen. Aus seinem Repertoire stammte „Leise rieselt der Schnee“, das textlich allerdings an zwei Stellen leicht verändert wurde, wodurch die Nummer eine ganz neue Bedeutung erhielt und man sich ein Bild machen konnte, welche Stellung der Womanizer in der Osnabrücker Damenwelt inne hat. Nach langer, langer Zeit, stand im Anschluss ein Schulkinder-Klassiker mit skandalträchtiger Geschichte auf dem Programm: Zu „Tötet Onkel Dittmeyer“ durfte ausgiebig das Haupthaar geschüttelt werden, bevor der Abend mit „Marina“ seinem Ende und Höhepunkt entgegen steuerte. Mit Heaven an der Klarina ging es hier noch einmal in die Vollen und massive Zugabe-Rufe zwangen DIE ANGEFAHRENEN SCHULKINDER zu einem weiteren Nachschlag. So wurde „Gestern“ dem neuen (und vor gar nicht so langer Zeit gefeuerten VfL-Trainer) Pele Wollitz gewidmet, ehe mit dem „Gliedstinkerlied“ um 22.35 Uhr tatsächlich Schluss war.

Jetzt kann Weihnachten kommen, denn nun bin auch ich in der passenden Stimmung. Es war mal wieder ein wahres Fest vor dem Fest und schon heute freue ich mich auf das 30-jährige Bandjubiläum, das hoffentlich wie die diesjährige Weihnachtsshow mit alten und neuen Schulkindern in 2012 groß gefeiert wird.

Setlist
Morgen kommt der Weihnachtsmann
Alle Jahre wieder
Ein Weihnachtsgedicht
Winterwunderland
Büttenrede Werner „Tiptop“ Wevering
Horch was kommt von draußen rein (Eckis Samba-Express)
Das verwichste Schnuffeltuch
Mach es wie die Sonnenuhr
Morgen, Kinder wird’s was geben
Märchenonkel Wolfgang
Kommet, ihr Hirten
Nur halb so gut
Ein Jäger aus Kurpfalz
Die drei Neger
Motorbiene (Peter Glatt)
Lass es sein (Peter Maffay & Udo Lindenberg)

Pudel Rain
Leise rieselt der Schnee (CHRISTIAN STEIFFEN)
Tötet Onkel Dittmeyer
Marina

Gestern
Gliedstinkerlied

Copyright Fotos: Ulrike Meyer-Potthoff

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