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DIE ANGEFAHRENEN SCHULKINDER

Ort: Osnabrück - Haus der Jugend

Datum: 13.12.2006

Ach, wie schön ist doch diese besinnliche Vorweihnachtszeit. Gemütliche Abende vorm Kamin, Besuche auf dem festlich illuminierten Weihnachtsmarkt, Plätzchen backen oder… das traditionelle Weihnachtskonzert der SCHULKINDER! Alle Jahre wieder geben die Herrschaften sich die Ehre und veredeln den Advent mit ihrer X-Mas-Show. Also den Weihnachtsmarkt links liegen gelassen und weiter zum Haus der Jugend, wo die „Wieder Wurst zu Weihnachten“-Tour Station machte.

Wie zu erwarten spielten die Anarchos vor ausverkauftem Haus, nur einige Plätze direkt vor der Bühne blieben leer. Was bei anderen bestuhlten Veranstaltungen undenkbar wäre, hat bei den ANGEFAHRENEN SCHULKINDERn durchaus seinen guten Grund, der bereits im Tour-Titel zu finden ist – doch dazu später mehr. Nachdem uns die bekannte weibliche Stimme aus dem Off auf den nahenden Beginn der Show aufmerksam gemacht hatte, war es um 20.10 Uhr tatsächlich soweit: Das erste SCHULKIND Jo Granada betrat unter Applaus die Bühne und stellte seine Kollegen vor. So fanden dann auch umgehend der „Manager des Guten“ Charlie Granada am Schlagzeug, Sexguru und Saunalandschaftbesitzer Heaven (im Zweitberuf Laienschauspieler bei RTL und SAT1) und Dr. Ignatz Ignaz (Tasten), der unlängst als Pate eines kranken peruanischen Erdmännchens von sich reden machte, den Weg auf die Stage. Auch Heaven kannte nur lobende Worten für Gitarrist Jo, der sich auch als Erfinder der ersten vollautomatischen Seniorenwaschanlage profilieren konnte und nur als „Engel aus Eversburg“ bekannt ist. Damit sollte der musikalische Teil der Darbietung starten. Den Anfang machte „Winterwunderland“, dessen Inhalt Charlie dereinst höchstpersönlich widerfahren ist – nun ja, sprechen wir es aus, wie es ist: Ein Song übers Kacken im Schnee. Aber so kennen wir die ANGEFAHRENEN SCHULKINDER, absolut tabulos und vor allem immer sexgeil. Aber halt! Jo belehrte uns eines Besseren! Gerade seit einem Besuch im Osnabrücker Zappelpalast Alando, wo ihnen sehr eindrucksvoll vor Augen geführt wurde, wohin übermäßige Sexualgier führen kann, wollen die Jungs nicht mehr immer diese Ficksachen machen. Auch aus diesem Grund haben sie zu Ehren von Jos Bruder Hartmut ein Stück namens „Nur halb so gut“ zur Aufführung gebracht, welches den allzu wahren Umstand beschrieb, dass „ficken oftmals nur halb so gut ist, wie man es sich beim Wichsen vorstellen tut“. Dazu passend schloss sich ein Weihnachtsgedicht von Jo an, dessen feuchte Träume abrupt mit dem Auftauchen von Marianne & Michael endeten. Die beiden Volksmusikanten (Heaven und Jo) standen dann umgehend selbst auf der Bühne und hatten sogar noch Florian Silbereisen (oder hieß er Silberhaufen?) mit am Start. Das Ganze war eine Live-Schaltung aus Afghanistan, wo Marianne & Michael die Moral der deutschen Blauhelmtruppen stärken wollten. Nachdem Grinsemann Florian S. die Funktionsweise seines Keyboards ausgetestet hatte, wies uns Kompaniekoch Oberstleutnant Schulz militärisch zackig in die Geheimnisse der Truppenverpflegung ein. Das Wichtigste: Man muss es erst schlachten und anschließend ordentlich ausbluten lassen. Das Mariannderl hatte etwas ganz besonderes für die in vielerlei Hinsicht ausgehungerten Soldaten vorbereitet. Im Hintergrund bereitet der Herr Oberstleutnant ein leckeres Couscous zu, während vorn die Show ihrem ersten Höhepunkt entgegen sah.

Mariannderl mit einer hocherotischen Bauchtanznummer! Der Saal tobte, was nicht weniger wurde, als die „Dame“ dann auch noch die just fertige Speise probierte, sie für zu fad erklärte und auf die selbst mitgebrachten Heißwürstchen zurückgriff. Fluchtartig leerten sich die ersten beiden Reihen, offensichtlich handelte es sich um Wiederholungstäter, denn jeder, der bereits ein SCHULKINDER-Konzert besucht hat, weiß, dass jetzt mit Würstchenregen zu rechnen war. Auch der Terror-Fotograf witterte Gefahr und wechselte fix den Standort und verfolgte aus sicherer Entfernung dem von Marianne & Michael vorgetragenen „Heimatlied“ und dem „Viva Afghanistan“ (nach „Viva Colonia“). Es gibt kaum etwas, das gleichzeitig so faszinierend wie abstoßend ist wie Heavens fast zeitgleiche Nahrungsaufnahme und Wiedergabe. Während die sich in Sicherheit wiegenden Zuschauer vor Vergnügen prusteten, verteilte Heaven in gleicher Manier einen gut durchgekauten Würstchenteppich ebenfalls prustend am Bühnenrand. Nachdem die Stage auf diese Weise unbespielbar geworden war, zog es Jo und Heaven ins Publikum. Wer eben noch glaube, ihm könne nichts passieren, es säße ja weit genug weg vom Geschehen, sah sich getäuscht und musste damit rechnen, von Jo die ein oder andere Beleidigung oder herben Spott zu hören zu bekommen. Heaven unterstützte dieses Unterfangen tat- und schlagkräftig, während sich das Publikum nicht entscheiden konnte, ob es sich freuen sollte, dass es jemanden anderes erwischt hatte oder ob man sich besser möglichst unauffällig verhielte. Dieses Zwiegespräch mit dem Auditorium gehört einfach zwingend dazu und wie sagt Jo Granada immer so schön: „Alles nur Spaß!“ Nun war es jedoch Zeit für die Aufforderung, endlich saufen zu gehen und so wurde eine 30minütige Bühnenreinigungspause eingeläutet.

Nachdem die erste Halbzeit von neuen Stücken und modifizierten Klassikern geprägt war, begann der zweite Block mit dem bereits älteren „Daumen im Po“, das auch gleich eifrig mitgesungen wurde. Beim Finale hatte sich Heaven dann dummerweise das Mikro vor die Stirn gehauen, was umgehend mit einem Horn manifestiert wurde. Die Band empfahl, ein kühles Messer auf die lädierte Stelle zu drücken, ein hilfsbereiter junger Mann stellte stattdessen eine kühles Bier zur Verfügung, welches umgehend äußerlich wie innerlich zur Anwendung kam. Eine sehr noble Geste vom spontanen Samariter, wurde er doch bereits vor der Pause genötigt, seine Bierflasche an Heaven abzutreten. Anscheinend hat die Gerstenkaltschale bestens und umgehend gewirkt, so dass Heaven beim folgenden „Wer sich schon vor dem Frühstück“ sein filigranes Flötenspiel präsentieren konnte. Was manche lüsternen Männer bereits vor der ersten Nahrungsaufnahme mit ihrer „Flöte“ so treiben, überlasse ich an dieser Stelle der Fantasie meiner Leser. Im Haus der Jugend stand derweil schon die zweite Live-Schalte an. Diesmal ging’s in die Mailänder Scala zu den „3 Negern“ (Charlie, Dr. Ignatz und Heaven), die im kecken Baströckchen geräuschvoll klassische Musik mit ihren wülstigen Lippen intonierten. Gleich darauf machte „Eckis Samba-Express“ aus Icker in Osnabrück Station. Immer wieder ein Garant für gute Laune und jedem Schützenfestbesucher in der Region ein Begriff. Nun sind die altgedienten Künstler auch ein wenig divenhaft und ohne frenetischen Applaus kaum auf die Bühne zu bekommen. Doch das Publikum war heiß auf diesen Topact erstklassiger Stimmungsmusik voller Schmiss und so kam das Samba-Express-Duo (Charlie und Heaven) verhältnismäßig gut gelaunt ins Rampenlicht. Derart beschwingt können nur diese zwei Entertainer „Horch was kommt von draußen rein“ interpretieren. Ein weiterer Meilenstein der ANGEFAHRENEN SCHULKINDER kündigte sich mit der „Sesamstraßen“-Melodie an. Allein die Aussicht auf „Das verwichste Schnuffeltuch“ versetzte den Saal beinahe in Raserei und auch Jo scheint diesen Klassiker immer noch zu mögen. Samsons Beschwerde, jemand hab in sein Schnuffeltuch gewichst, dass müsse wohl Tiffy gewesen sein und die darauf folgende Aufklärungsstunde von Lilo inklusive Eskalation der Situation ist aber wirklich auch nach etlichen Aufführungen immer wieder herzerfrischend, wenn auch so mancher jungen verantwortungsvollen Mutter ein Dorn im Auge. Vielleicht konnte die sich anschließende Gospelnummer die ein oder andere Mutti wieder zurück ins Boot holen. Jo gab auf jeden Fall alles als Prediger und Menschenfischer und suchte erneut die Nähe des Publikums. Mit der ihm eigenen unermesslichen Menschenkenntnis zerrte er die Sünden einiger Gäste ans Tageslicht. Einzig Roman war ohne Fehl und Tadel und durfte deshalb zum gemeinsamen Gesang mit auf die Bühne kommen. Allerdings stellte sich dann heraus, dass der feine Roman sehr wohl nicht ohne Sünd war, gestand er doch, früher immer mit Jo zusammen gewichst zu haben. Diesen Wink nutzte der Godfather der Schulkinder umgehend, um ein paar Halbwüchsigen einige Tipps und Tricks rund um dieses wichtige Thema näher zu bringen. Kurz zusammengefasst: Im Anschluss immer Hände waschen!

Es ging wirklich Schlag auf Schlag an der Großen Gildewart. Erneut hatten sich liebe Freunde der SCHULKINDER angekündigt und Heaven hatte die große Ehre, Peter Maffay ansagen zu dürfen. Natürlich kommt so ein riesiger Star nicht einfach so auf Bühne, da müssen schon ein paar Showelemente sein. Deshalb erinnerte man sich der altehrwürdigen Disco mit Ilja Richter und dem „Licht aus – Spot an“-Procedere und setzte dieses Vorgehen 1 zu 1 um. Und da stand er in seiner ganzen 1,50 m großen Pracht: Peter Maffay (Charlie)! Um die Konzertstätte endgültig in einen Hexenkessel zu verwandeln, gesellte sich auch noch Altrocker und Nuschelkönig Udo Lindenberg (Jo) zu dem sympathischen Exilrumänen und begleitet von Udo Jürgens (Heaven und der Doktor) am Piano sangen sie „Lass es sein“ – die deutsche Version von „Let It Be“ der BEATLES. Daneben wurde der Song auch noch gesummt, sowie auf „Tütütü“ und „Piss mich an“ zum Besten gegeben. Feuerzeuge wurden herausgeholt und auf Jos Zeichen stiegen alle auf ihre Stühle, um ihre Verbundenheit mit den Protagonisten auf der Stage zu demonstrieren. Okay, eigentlich war’s der Herdentrieb, aber das war Herrn Granada ganz egal, er fand’s wieder klasse, dass die SCHULKINDER-Fans wirklich jeden Scheiß mitmachen. Peter Maffay befand sich derweil völlig in Ekstase, sang ein verzücktes „Piss mich an“ und verstummte erst, als merkte, dass er ganz allein sein Lied trällerte. Fast sah es nach einem nicht zu toppenden Gipfel der obskuren Unterhaltung und dem Ende der Show aus, doch eigentlich gehört von jeher zur Weihnachtstour auch „Tötet Onkel Dittmeyer“; mit „I wanna make love to Steffi Graf“ ist ja leider seit 1994 diesbezüglich das 60.000,00 DM teure Urteil (zzgl. Gerichts- und Anwaltskosten) gegen die ANGEFAHRENEN SCHULKINDER gesprochen wurde, nicht mehr zu rechnen. Stattdessen agierte Heaven an einer Kinder-Tasten-Klarinette, was nur bedeuten konnte, dass nun der Schlager „Marina“ gerockt werden würde. So kam es dann auch und sowohl Publikum als auch Gitarrist Jo Granada drehten vollends durch. Jo bestach mit einem waghalsigen Gitarrenbalanceakt und natürlich begnadetem Saitenspiel. Auch die übrigen Bandmenber erhielten noch die Gelegenheit für eine Soloeinlage und wurden ein weiteres Mal gebührend vorgestellt. „Gut Bye“ – eine gefühlvolle Powerrockballade mit ordentlich Hall auf der Stimme und einem wirren Englisch/ Deutsch-Mix, wie ihn Doro Pesch nicht besser hinbekommen hätte, schien den Abend dann endgültig zu beschließen, was Jo sichtlich fertig machte, zeigte dieser Umstand ihm doch so überdeutlich die Endlichkeit allen Seins. Doch nein, es gab ob des nicht abebbenden Applauses noch einen kurzen aber prägnanten Nachschlag mit „Ooh“ und der damit verbundenen Aufforderung zum Ficken.

So wurden wir nach zwei Stunden derber, aber auch äußerst kurzweiliger Unterhaltung zwar ohne Onkel Dittmeyer und das abgefahrene Weihnachtsmedley zurück in die wahrlich nicht kalte Dezembernacht geschickt, hatten aber auch so einen absolut gelungenen Abend mit sehr schönen neuen Sachen. Für 2007 ist endlich auch wieder eine Tour geplant, also Augen auf, ob die ANGEFAHRENEN SCHULKINDER nicht auch in Deine Stadt kommen! Zimperlich sollte man allerdings nicht sein, aber das Leben ist schließlich kein Deckchen sticken und wie sagt sogar eine große deutsche Boulevardgazette? Jede Wahrheit braucht einen Mutigen, der sie ausspricht! Weiter so, meine Herren!

Copyright Fotos: Karsten Thurau

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