Ort: Coesfeld - Fabrik
Datum: 12.04.2009
Ostersonntag, ausgezeichnetes Wetter, wie gemacht für einen Ausflug mit Mutti und den Kleinen. Nun ja, nicht so ganz, hatten sich doch im Grunde nur mein Fotograph und meine Wenigkeit auf den etwas umständlichen Weg nach Coesfeld gemacht, um der diesjährigen Gothika Messe einen Besuch abzustatten. Die einzige und erste Messe für die schwarze Szene, welche 2009 nun schon zum zweiten Mal stattfand und neben den anwesenden Händlern auch noch mit Modenschauen, Tanzperformances, Lesungen, Workshops und einem musikalischen Programm aufwarten konnte. Außerdem hatte man sich im Nachhinein gesehen eine durchaus nette Location dafür ausgesucht.
Als wir am Nachmittag, die Messe war schon Mittags gestartet, auf dem Parkplatz der Fabrik unser Gefährt abstellten, sah dieser noch nicht allzu überfüllt aus und das sollte sich leider im Laufe des Tages auch nicht mehr wirklich ändern, hatten sich doch anscheinend viele dafür entschieden, diesen warmen Frühlingstag anderweitig zu verbringen. Wir hingegen ließen uns davon nicht abschrecken und betraten zunächst den Konsumtempel, sprich das große Zelt vor der Fabrik, welches den Händlern als Unterstand diente. Dort konnte man dann sowohl Okkultismus in Buchform, Tonträger und Accessoires als auch die neueste Gothic Fashion und unnötigen, aber durchaus erheiternden Schnickschnack („Evil Kitty!) käuflich erwerben. Und dies wurde anscheinend auch ausführlich genutzt, so trug doch ein Großteil der anwesenden Menschen mindestens eine Plastiktüte mit sich rum. Und auch wir blieben vom Kaufrausch natürlich nicht verschont, wenngleich wir uns zunächst bis zum Abend dagegen wehrten. Nach ausgiebigem Stöbern und eingenebelt in eine Patchouli Wolke betraten wir dann das Innere der Fabrik, um uns dort genauer umzusehen und platzten mitten in die Tanzperformance von PENTHESILEA, eine Gruppe bestehend aus drei Damen in interessanten und wenig verhüllenden Outfits, die das Publikum (das zu einem großen Teil aus „älteren“ Herren mit Fotoapparat bestand) mit ihrem Gothic Tribal Dance unterhielten. War durchaus ganz nett anzuschauen, aber nun nicht wahnsinnig spektakulär.
Interessanter war da schon die darauf folgende Modenschau vom Label Monarchy of Death hinter dem sich die junge Modedesignerin Friederike Wesemeier verbirgt. 2005 machte sie ihren Abschluss als staatlich anerkannte Modedesignerin und kreiert seitdem ihre eigene Mode, bei der sie alle Entwürfe, Schnitte und Modelle selber macht. Vorgeführt wurde sowohl Alltagstaugliches, als auch verschiedene Stile der Gothic Szene von Lolita, über Korsett bis hin zu Uniform. Höhepunkt, wie eigentlich bei jeder Modenschau, war auch hier natürlich das (etwas andere) Brautkleid. Zwar in Weiß, aber aus Lack und mit einem interessanten Schnitt. Herzlich Willkommen zu Germanys Next Gothic Model. Wir machten uns dann aber zunächst auf den Weg ins Freie, um dort der Nahrungsaufnahme nachzugehen, das ein oder andere Zigarettchen zu rauchen und ein wenig die Menschen zu beobachten. Und da es recht gemütlich war und uns die Sonne so angenehm ins Gesicht schien, verweilten wir dort einige Zeit, bevor wir erneut den Konsumtempel stürmten, um endlich unser Geld für völlig unnötige Dinge auszugeben.
Und dann ging es auch schon los mit PORNOPHONIQUE, welche den Konzertteil des Abends einläuten sollten. Am Tag waren zwischen den Modenschauen bereits COMBAT COMPANY und DIVAMEE aufgetreten, die wir aber leider verpasst hatten. PORNOPHONIQUE sind Kai Richter und Felix Heuser aus Darmstadt und die beiden Jungs waren uns schon vor dem Auftritt als die einzigen „bunten“ unter dem ganzen Schwarzvolk aufgefallen (inklusive intellektueller Literatur unter der Nase!). Und auch musikalisch passte man irgendwie nicht so ganz ins Line Up. Denn PORNOPHONIQUE sind eine Westerngitarre und ein Gameboy. Gestartet wurde mit „Sad Robot“ von ihrem Debütalbum „8-bit Lagerfeuer“. Netter Indiepop mit Gameboygedudel von typischen Indiejungen mit Brille und „komischen“ Frisuren. Schade eigentlich, dass sich nur eine handvoll Menschen im Raum eingefunden hatte, denn die Musik wusste zu gefallen und die launigen Ansagen von Kai taten ihr übriges. Weiter ging es mit „Lemmings in love“ und „Rock n Roll Hall of Fame“, ebenfalls auf dem Debütalbum enthalten. Mit „Take me to the bonuslevel I need an extralife“ wurde dann einer dieser Tage beschrieben, an denen schon direkt nach dem Aufstehen alles schief geht und den wohl jeder so schon mal erlebt hat. Später beglückte man das Publikum dann noch mit einigen Cover Versionen unter anderem von DUSTY SPRINGFIELD, AC/DC und BRITNEY SPEARS. Aber der Höhepunkt erwartete die Zuschauer eindeutig bei SLAYERS „South of heaven“ (sehr Geschmackssicher!), als Kai eine rosa Hello Kitty Gitarre zückte, um diesen Song zu performen. Wenn ich mich recht erinnere, kam bei einem ASP Auftritt das gleiche Modell zum Einsatz. Scheint also recht beliebt zu sein das Teil. Nach einer guten Dreiviertel Stunde war man dann aber mit dem Set auch durch und konnte trotz geringer Zuschauerzahl einen ordentlichen Applaus und jede Menge Sympathiepunkte einfahren.
In eine ganz andere Richtung sollte es dann aber nach einer kurzen Umbaupause weitergehen. XMH aus den benachbarten Niederlanden wollten das Haus mit Electro der härteren Gangart rocken. Wollten insofern, dass auch bei dieser Performance kaum Zuschauer anwesend waren, was mir für die Bands irgendwie ein bisschen Leid tat. Auch wenn das nun folgende irgendwie nicht ganz so meins war. Zwar lieferte Fronter Benjamin Samson eine wirklich energiegeladene Performance ab, aber sein Gesang ließ doch eher zu wünschen übrig. Und auch Charlot Wever, welche bei „Neon Venus“ das Keyboard gegen das Mikro tauschte, konnte in dieser Hinsicht nicht vollends überzeugen. Dennoch schien der Prollelectro (Zitat eines anwesenden Fotographen) bei ein paar anderen gut anzukommen, hatten sich doch vereinzelte Tänzer (Nahkämpfer?) auf der Tanzfläche eingefunden. So spielte man sich durch den Clubhit „Rape your god“ vom „Time to play“ Album und das ältere „In the darkness of light“, bevor man nach recht kurzer Spielzeit die Bühne schon wieder verließ. Musikalisch an sich nicht schlecht gemacht und durchaus geeignet zum Tanzbein schwingen (stark an COMBICHRIST orientiert), sollte man am Gesang vielleicht noch etwas arbeiten. Der ist einfach zu gleichförmig und ausdrucklos. Nur so als kleiner Tipp.
Death Angel
Nun aber wartete ein musikalisches Schwergewicht auf die Coesfelder Besucher: DIE KRUPPS! Und erstmals an diesem Tag wurde es in der Konzerthalle ordentlich voll, manch einer schien erst zum Hauptact angereist zu sein, der immerhin seit 1980 musiziert! Dementsprechend waren viele ältere Electro Heads anwesend, die auch die Klassiker der Düsseldorfer zu würdigen wussten. Auf der Bühne die bekannte Aufteilung: In der Mitte vorne das Metall-Xylophon mit (durchgestrichenem) Logo, links hinten Ralf Dörper an den Keys, davor ruhig und unaufgeregt wie eh und je Bassist Rüdiger Esch, im Hintergrund das Arbeitstier Achim Färber (Schlagzeug) sowie Frauenschwarm Marcel Zürcher rechts an der Langaxt. Ach ja, nicht zu vergessen natürlich Jürgen Engler, nimmermüder Fronter, der auch an diesem Abend vor vergleichsweise kleiner Kulisse ordentlich aufs Gas drückte. Die Setlist glich einer Reise durch die Zeit, egal ob ältere Klassiker wie „Germaniac“ oder „Hi Tech Low Life“ angestimmt wurden oder die relativ aktuelle Cover Version „Der Amboss“, natürlich ohne CLIENT. Wenig überraschend fanden auch einige Tracks der „II – Final Option“ Scheibe ihren Weg in den Spielplan, damals ja ein Meilenstein in der Kombination von harten Gitarren und Electo. „Crossfire“, „To the Hilt“ und das politisch motivierte „Fatherland“ wurden heftigst abgefeiert von allen Generationen. Selbstredend bediente Engler hin und wieder auch sein Percussion Gerät. Jürgen E. gibt ne Party oder wie war das noch? Jedenfalls waren die Zugabewünsche gross, die mit „Wahre Arbeit wahrer Lohn“ und den „Bloodsuckers“ noch 2 messerscharfe Pfeile im Köcher hatten. Dazu gab es noch den nackten Oberkörper des Herrn Zürcher, der einige gothische Damen zum Zücken ihres Handies verführte… Ein schöner Abschluss der Veranstaltung, der noch einmal unterstrich, dass musikalische Qualität nichts mit dem Alter der Protagonisten zu tun hat.
Wir machten uns auf die Heimreise durchs münsterländische Hinterland, am Montag warteten auf die Besucher neben dem Rahmenprogramm auch noch weitere interessante Formationen wie etwa CLAN OF XYMOX oder die Newcomer JESUS ON EXTASY. Doch das ist eine andere Geschichte. Jedenfalls kann man den Machern der Gothika nur einen langen Atem wünschen und im nächsten Jahr doch etwas mehr Zuschauer, die das interessante Konzept honorieren!
TK
Copyright Fotos: Karsten Thurau
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