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DIE PRINZESSIN MIT DEM GLIED (MUSICAL)

Ort: Osnabrück - Emma-Theater

Datum: 13.06.2008

Werden DIE ANGEFAHRENEN SCHUKINDER jetzt seriös? Oder zeigt sich das Osnabrücker Theater nur besonders experimentierfreudig? Letzteres ist hinsichtlich des Märchenmusicals „Die Prinzessin mit dem Glied“, das jetzt im emma-theater uraufgeführt wurde, wohl richtig. Während für die Texte Jo Granada zuständig war, schrieben die SCHULKINDER in Gänze die Musik, Dr. Ignaz Ignatz übernahm die musikalische Leitung und sorgte während der Aufführung gemeinsam mit Charlie Granada für die passende musikalische Untermalung. Die Titelrolle wurde mit niemand Geringerem als Heaven besetzt, nicht zu vergessen natürlich acht Mitglieder des Osnabrücker Theater-Ensembles, die gemeinsam mit den SCHULKINDERn unter der Regie von Jens Poth für einen absolut vergnüglichen Abend sorgten.

Die Geschichte ist schnell erzählt: Da gibt es einen alten König mit Bröckelhusten (Thomas Schneider), der seine Tochter (Heaven) unter die Haube bringen möchte und deshalb Boten (Jo Granada und Laurenz Leky) aussendet. Dadurch erfährt auch das verweichlichte Bauernsöhnchen Werner (Friedrich Witte), der unter der Knute seiner Schwestern Pia, Mia und Isabel (Jennifer Breitrück, Sibille Helfenberger und Katharina Quast) steht, von der Suche nach einem Gemahl für die Prinzessin und macht sich auf den Weg zum Schloss… Nun handelte es sich aber um ein Stück aus der Feder der ANGEFAHRENEN SCHULKINDER und somit war klar, dass es etwas anarchischer zugehen würde, als man dies gemeinhin aus dem Märchenland kennt. Entsprechend war die musikalische Abteilung „Rock“ (Dr. Ignatz Ignaz) und „Roll“ (Charlie Granada) mit herzallerliebsten Prinz-Eisenherz-Frisuren und schicken, figurbetonten Einteilern angetan, was allerdings noch von Heaven in seiner Paraderolle als liebreizende Prinzessin getoppt wurde. Beim Make-Up wurde nicht gespart und wer hat gesagt, dass blaue Fußball-Stulpen nicht zu goldfarbenen Pumps passen? Da wollten natürlich auch die übrigen Protagonisten nicht zurückstecken, so dass Simone Wildt für ein extravagantes Bühnebild und sexy Kostüme gesorgt hat. Der letzte Schrei dürfte der mir Leopardenplüsch und goldenem Glitter aufgemotzte AOK-Chopper in manchen Rentnerkreisen werden (man beachte die Putten an den Rückspiegeln), mit dem der Erzähler und königliche Wettkampf-Sprecher (Olaf Weißenberg) unterwegs und für den eigens in der Mitte der Bühne mit rosa Plüsch ein Parkplatz eingezeichnet war. Die Dialoge und Songs zeigten sich nicht weniger schräg und in typischer SCHULKINDER-Manier. Nach 26 Jahren Brachialhumor und mehr als 3000 Konzerten kann man vermutlich nicht anders. Wer tiefschürfende Theaterarbeit erwartet hatte, wurde wahrscheinlich gnadenlos enttäuscht, im fast ausverkauften emma-theater schien das Publikum allerdings größtenteils zu wissen, auf was es sich gefasst machen musste und zeigte sich bestens gelaunt. Zwei Mädels kamen aus dem Lachen gar nicht mehr heraus, allerdings war das Geschehen auf der Bühne auch wirklich sehr skurril und lud zum Schmunzeln ein. Heaven glänze einmal mehr mit faszinierenden Grimassen und unterhielt schon, wenn man ihm nur beim Blättern in der Zeitschrift „Adel heute“ zusah. Währenddessen gewann Jo als schwer schielender königlicher Bote Peter Bäthge Isabels Herz oder brillierte als Orakel-Wellensittich, der Bescheid wusste. Nicht zu vergessen, sein Auftritt als übelster Geselle Ullmann aus der Pferdekutschenbranche. Doch bis dahin hatte Werner noch einige Abenteuer und den Wettstreit mit einigen anderen Freiern der Prinzessin zu bestehen. Waren da doch auch noch die fiesen Minister, welche die Hochzeit verhindern wollten und deshalb des Königs Tochter kidnappen ließen (der geniale Auftritt von Laurenz Leky, Thomas Schneider und Clemens Dönicke erinnerte ein wenig an HELGE SCHNEIDER). Natürlich konnte Werner bzw. Etienne (wie er sich nannte, nachdem er beim Schwanzvergleich mit der Prinzessin festgestellt hatte, dass er wohl schwul sein musste) schlussendlich das Herz der blaublütigen Thronfolgerin gewinnen und Herzluftballons stiegen in die Luft, während ein Glitterregen niederging und alle Darsteller zu einem herzerweichendem Medley auf die Stage kamen. Es fanden sich Songs von MARIANNE ROSENBERG, WOLLE PETRY und den WILDECKER HERZBUBEN genauso wieder wie der Merci-Werbetrailer und sorgten für ein furioses Finale. Offensichtlich hatten die Zuschauer auch am vorausgegangenen „Pinkellied“ der drei Schwestern, das ohne Zweifel von den SCHULKINDERn stammte, den zur momentanen Fußball-EM passenden Gesängen beim Wettkampf um die Gunst der Prinzessin, am „Tischlein-deck-Dich“-Lied von Werner, dem Polonäse-Stück oder dem Schwanzvergleich-Song im Fifties-Style Gefallen gefunden. Ein Highlight war sicherlich auch die Mini-CSD-Parade mitsamt Glamour-Elektroroller und angehängtem Bett und der flotte Liebeswalzer der Prinzessin und ihrem Etienne. Nach langem Applaus wurde auf jeden Fall noch eine Zugabe gefordert und die gab es dann auch mit einem erneuten „Viva Amore“, bevor nach gut 90 Minuten der Vorhang fiel.

Wie gesagt, tiefschürfende Ernsthaftigkeit darf man nicht erwarten, wenn DIE ANGEFAHRENEN SCHULKINDER mit von der Partie sind. Eine gewisse Liebe zum zotigen Klamauk sollte man ebenfalls mitbringen, denn im Grunde machen die SCHULKINDER auch im emma-theater nichts anderes wie auch in ihren übrigen Bühnenprogrammen: Neben viel Musik gibt es häufig sinnentleerte Texte, wilde Kostümierungen und abseitigen Humor. Dass das Ganze auch als Märchenmusical im Theater klappt, ist zweifelsohne ein Verdienst des Theaterensembles, das die nötige Professionalität mit ins Spiel brachte. So wird „Die Prinzessin mit dem Glied“ das Feuilleton eher nicht begeistern, Freunde des absurden Humors kommen dafür voll auf ihre Kosten. Das Stück wird noch einige Male bis zum 05.07.2008 gezeigt und auch in der neuen Spielzeit wieder ins Programm aufgenommen. Die Termine sind im Einzelnen unter auf der Homepage des Theaters Osnabrück nachzulesen.

Copyright Fotos: Uwe Lewandowski

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