Ort: Osnabrück - Bastard Club
Datum: 09.12.2006
Bereits zum vierten Mal waren die Kölner Indie-Rocker von DORFDISKO zu Gast in Osnabrück. Mit dabei hatten sie die Münsteraner Formation MARLA TURNS PALE, die die kalte Industriehalle für den Headliner einheizen sollte. Allein mit der Körperwärme der etwa 50 überwiegend weiblichen Anwesenden hätte das nicht geklappt, leider schienen nicht allzu viele von den Qualitäten der aktuellen DORFDISKO-VÖ gehört zu haben oder war wieder das monentane Weihnachtsfeier-Problem mit entsprechenden Terminüberschneidungen Schuld? Am zu hohen Eintrittspreis kann es nun wirklich nicht gelegen haben, war man doch schon mit 7 Euro dabei.
Man gab den Osnabrückern eine akademische halbe Stunde Zeit, doch noch den Weg in die Schinkelaner Industriebrache zu finden, dann startete um 21.30 Uhr das Alternativprogramm zu „Wetten dass“ in Form einer jungen Dame mit rotem und schwarzem Haar und vier Herren an ihren Instrumenten. Ohne langes Federlesen legte der Fünfer mit „Best of Life Tapes“ los. Der Gitarren-Schrammelsong ist schon etwas älter, wird aber auch auf dem Album enthalten sein, das im Januar erscheinen soll. Auch das zweite Stück „Phantoms‘ Task“ ist bereits etwas betagter, liegt Sängerin Karoline Fruhner aber besonders am Herzen, da es ihre erste kompositorische Mitarbeit bei MARLA TURNS PALE darstellt. Nachdem nunmehr eine gewisse Betriebstemperatur erreicht war, entledigte sich die Dame erst einmal ihrer weißen Ballerinas, bevor es die Ballade „To Forget Is A Gift“ zu hören gab. Anders „Ballet At Night.“, der Song ist das neueste Werk meiner westfälischen Friedensstadtnachbarn und besonders gefühlvoll und melodiös ausgefallen. Ebenfalls neu und verdammt schnell war „The Risk of Sleeping“, das ganz offensichtlich die Stimmbänder von Karoline und Matthias Verwohlt ordentlich angestrengte. Matthias ist das Mastermind der Band und zeichnete auf der Bühne neben den Background-Vocals auch für einen Teil der Gitarrenarbeit zuständig. Wenn er ans Mikro trat, wurde es meist laut und heftig, nur selten hörte man ihn „dezent“ singen. Gar nicht großkotzig gab Frl. Fruhner sich bei der Ankündigung von „Broken Leg“, das sie ganz selbstbewusst einen Brüller nannte. Tatsächlich vermochte der Song, der im Vergleich zu den übrigen Titeln weniger von den Gitarren, sondern den Drums dominiert wurde, durchaus zu gefallen. Und schon war die Zeit für das letzte Stück der Indierocker mit Postcore-Ansätzen und Emo-Elementen gekommen. Der Aufforderung, die Feuerzeuge rauszuholen, kam das Publikum zwar nur sehr vereinzelt nach, das tat der Spielfreude des Quintetts aber keinen Abbruch. Karoline wurde anfänglich nur ganz zurückhaltend von Matthias auf der Gitarre begleitet, der bei diesem Lied auch tatsächlich sein Organ dosiert einsetzte. Später gesellten sich noch Kai Lehmann an der zweiten Gitarre und Michael Ahler am Bass hinzu, Matthias Stork blieb mit seinen Drums fast gänzlich außen vor. Netter etwa 35minütiger Einstieg mit einer eigenwilligen Spielart gitarrenbetonten, hochmelodischen Indie-Rocks. Lediglich die weiblichen Vocals sind unter den Instrumenten etwas verloren gegangen, aber das waren eher technische Probleme, die man sicher beim nächsten Gig beheben kann.
Nach gerade mal einer viertel Stunde Umbaupause stand DORFDISKO auf dem Programm. Vorher hatten es sich schon einige weibliche Hardcore-Fans auf dem Boden direkt vor der Bühne gemütlich gemacht bzw. sich Autogramme auf den Körper geben lassen. Na ja, genauer gesagt aufs T-Shirt, aber beim ersten Hinsehen sah es tatsächlich so aus, als schriebe Bassist David Oesterling der jungen Dame was in den Ausschnitt. War alles ganz jugendfrei, aber wer weiß, was sich hinter dem ersten Titel „Wir sind gekommen um uns auszuleben“ von der „Unterwegs nach Malmö“ für Abgründe verbergen? Vordergründig war das gutgelaunter Indie-PopRock, der ins Bein ging und auch sogleich einige Anwesende zum Tanzen animierte. So ging’s dann auch weiter, einige Besucher wurden von Sänger und Gitarrist Daniel Roth gar persönlich begrüßt, man scheint schon heimisch zu sein in Osnabrück oder hat Fans, die zu jedem Konzert mitreisen. „Die Anderen“ entpuppte sich als erster Höhepunkt des Abends, aber auch die Stücke der „Viel zu stürmisch, viel zu laut“ wie das basslastige „Erinnerjung“ wurden vom textsicheren Publikum abgefeiert. Ganz offensichtlich hatte auch das Quartett auf der Bühne Spaß. Es gab launige Ansagen und Zwiegespräche zwischen den Bandmitgliedern, einzig der Umstand, dass während des Konzertes der im gleichen Raum befindliche Kicker nicht stillstand, missfiel vor allem Daniel. Stellt sich aber auch die Frage, warum ich zu einem Konzert gehe, wenn ich dann doch nur Tischfussball spiele? Der DORFDISKO-Frontmann gab seinem Unmut eine Stimme und trat in Kontakt mit den kickenden Herrschaften, fortan wurden wir dann auch über Zwischenstände und Seitenwechsel informiert und Daniel zeigte uns seine etwas ruppige Seite, die wohl immer dann zum Vorschein kommt, wenn es etwas emotionaler wird. Die übrigen Bandmitglieder konnten sich jedenfalls nicht erinnern, von ihm in einem Satz so oft das Wort „Alter“ gehört zu haben, was ihr Sänger aber mit dem Umstand erklärte, er sei in Frankfurt sozialisiert worden. Zurück zur Musik! Es ging Schlag auf Schlag – angefangen mit „Fest zusammen“, über „Millionen Fragen“, „Kurz vor Malmö“ und „Raus hier“ wurden wirklich alle aktuellen Kracher gespielt. Das neue Album ist für meinen Geschmack auch noch eine Spur lebendiger als „Viel zu stürmisch, viel zu laut“ aus dem letzten Jahr und live ein absoluter Genuss. Das sahen auch die übrigen Zuschauer ähnlich und so wurde bei „Kurz vor Malmö“, das Daniel auf der Akustikgitarre begleitete, die Aufforderung, den Refrain zu singen, gleich komplett selbst in die Hand genommen und das Mikro von Gitarrist Peer Hartnack okkupiert. „Raus hier“ wurde dann sicherheitshalber in einer Mitklatschversion gespielt, so war das Publikum beschäftigt. Sehr schön war auch „Millionen Fragen“, das a capella begann, später aber richtig fett abging, bevor der Song abrupt unter dem Schwenken einer schwedischen Mini-Fahne endete. Das letzte Stück des Abends sollte „Schreien wir zusammen“ sein. Praktisch ein letzter Aufruf zum Mitsingen, der von Schlagzeuger Marc Pampus und David mit Drumsticks eingezählt wurde, bevor sich ein letztes Indie-Gitarrengewitter entlud und DORFDISKO die Bühne nach etwa einer Stunde Spielzeit verließen.
Sogleich setzte Musik aus der Konserve ein, ob trotz lauter „Zugaberufe“ noch ein Nachschlag gewährt wurde, entzieht sich meiner Kenntnis, ein oder zwei Songs hätten die Kölner noch in petto gehabt, die meisten ihrer Stücke hatten sie aber bereits sympathisch an den Mann bzw. die Frau gebracht. Wirklich mitreißende Musik, die live bestens rüberkommt. Die gemeinsame Tour mit KLEE (Sängerin Suzie hat „Kurz vor Malmö“ übrigens ihre Stimme geliehen) hat offensichtlich Spuren hinterlassen: Auch DORFDISKO erzählen inzwischen gern kleine Geschichten aus ihrem Leben, was den Fans sichtlich gefallen hat. Ein kleines, aber sehr, sehr feines Konzert!
Setlist MARLA TURNS PALE
Best of Life Tape
Phantoms‘ Task
To Forget Is A Gift
The Night…
Ballet At Night
The Risk of Sleeping
Broken Leg
Great Ocean Road
Setlist DORFDISKO (ohne Anspruch auf Vollständigkeit!)
Wir kommen um uns auszuleben
Unterwegs im Gleichschritt
Die Anderen
Erinnerjung
Gewollt war’s nicht
Hey, hey
Fest zusammen
Millionen Fragen
Kurz vor Malmö
Raus hier
Schreien wir zusammen
Copyright Fotos: Ulrike Meyer-Potthoff
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