Ort: Hamburg - Markthalle
Datum: 10.07.2008
Da eilt und sprintet man von seinem täglichen Broterwerb, um halbwegs pünktlich zum anberaumten Konzertbeginn um 21:00 Uhr in der Markthalle zu Hamburg zu sein… und muss dann leider feststellen, fast noch eine weitere Stunde im strömenden Regen warten zu müssen. Da entwickelt man schon die schlimmsten Befürchtungen: Band zerstritten? Anselmo rückfällig geworden? Terroranschlag? Nun die Wartenden nehmen es mit Humor und schicken ihre weiblichen Begleitungen in die Warteschlange, um fürderhin am Wegesrand dem Gerstensaft Tribut zu zollen. Es werden Fachgespräche geführt, die von „vorsintflutlicher“ musikalischer Infrastruktur („Wie habt ihr denn ohne Youtube und Myspace von solchen Bands erfahren?“) und musikalischer Sozialisation („in den Neunzigern kannte man solche Bands einfach, wenn man sich für Musik interessierte!“) handelten. Endlich unter der Bedachung angekommen wurde deutlich, warum der Einlass heute seine Zeit brauchte: Kontrollen wie eine Woche nach 9/11. Es wurde gefilzt und einkassiert, dass es eine wahre Freude war. „Junge, Junge, was herrschen denn in der Markthalle neuerdings für Sitten“, dachte ich mir gerade noch, als ein Wagemutiger die Security dann doch ansprach, warum hier eine Beinahe-Leibesvisitation durchgeführt wird. „Zwei Messerattacken auf Phil in England“ lautete die lapidare Antwort und damit war für alle Seiten das Thema erledigt…
In der Markthalle angekommen (an der Abendkasse gab es sogar noch einige Tickets) wurde die ausdünstende Masse von einer Leinwand begrüßt, auf der die großen Rock-Helden der letzten Jahrzehnte geehrt wurden. Es gab unter anderen Videos von klassischen Auftritten zu sehen, die von AC/DC, THIN LIZZY, RAINBOW, BLACK SABBATH, BLACK FLAG bis hin zu LYNYRD SKYNYRD reichten. Das Ganze wurde angereichert von Tour- und Backstage-Szenen, die ein recht juveniles Verhalten der mittlerweile nicht mehr ganz so jungen DOWN zum Besten gaben: Stühle fliegen aus Hotelzimmern in einen Fluss, Kirk Windstein präsentiert seine gequollenen Augenlider und auch der Cannabisvorrat wird prominent in Szene gesetzt… Eigentlich eine ganz gute Idee, werden einem dadurch zumindest quälende Vorbands erspart und die Anwesenden sind durch die erklingenden Rock-Klassiker schon in gute Stimmungen versetzt worden (und hatten genügend Zeit, die Theke aufzusuchen).
Und so stürmten um kurz nach 22 Uhr die fünf Mannen auf die Bühne und entfachten ein wahres Feuerwerk an schnörkellosen Riffs, gediegenen Jams, unendlicher Spielfreude und guter Laune! Mr. Anselmo gab den sympathischen Frontmann, der in jeder freien Sekunde Hände schüttelte und das Publikum mit Liebkosungsgesten überschüttete. Selbst ein nicht ganz heterosexueller, pinker Cowboy-Hut wurde von ihm signiert (Phil-Core stand darauf zu lesen), genauso wie ein Crowdsurfer von ihm auf die Bühne geholt wurde (was mit frenetischen Kuschelns seitens des Fans belohnt wurde), um dort mit einem Getränk versorgt zu werden (Ansonsten wurde jegliches Stagediven von den Sicherheitskräften rigoros unterbunden. Das gab sicherlich den einen oder anderen blauen Fleck). Auf der Bühne gab sich Anselmo asketisch und trank nur gutes H2O (Nach der Ermordung von Dimebag Darrel und der Zerstörung seiner Heimatstadt New Orleans behauptet der Ausnahme-Sänger ja gerne, einen neuen Weg eingeschlagen zu haben und den Drogen weitestgehend abgeschworen zu haben). Ist aber auch völlig egal, denn das, was zählt, ist sein Auftreten und seine Leistung. Und die ist gelinde gesagt, über jeden Zweifel erhaben. Verdammt gut bei Stimme trägt er jeden Part intensiv und lupenrein vor und beweist allen Zweiflern, dass er immer noch einer der Chefs im Metal-Frontmann-Sektor ist. Das Publikum liegt ihm wahrlich zu Füßen und begeisterte „Phil“-Rufe sind keine Seltenheit.
Der zweite Charme-Bolzen ist überraschenderweise der scheinbar nicht ausgelastete Kirk Windstein, der ja mit CROWBAR wieder durchstarten will und mit Jamey Jasta von HATEBREED unter dem Namen KINGDOM OF SORROW vor kurzem ein sehr gutes Album eingespielt hat. Im ausgewaschenen THIN LIZZY-Shirt rifft und soliert der kleine Mann entspannt aber effektiv und grinst verschmitzt dabei vor sich hin. Unnachahmlich auch seine Gitarrenduelle mit Pepper Keenan (CORROSION OF CONFORMITY), die den Anwesenden förmlich ein Lächeln in das Gesicht zementieren. Da merkt man die alten Hasen an jeder Ecke und Kante, ganz großes Kino. Keenan grinst ebenfalls die meiste Zeit und leistet sich zwischendurch mit Phil Anselmo ein klassisches Gitarre-Gesang-Frage-und-Antwort-Spiel, wie man es von den Glanzzeiten von Jimmy Page und Robert Plant her kennt. Bassmann Rex Brown spielte sich genauso wie Drummer Jimmy „Power“ Bower den Hintern ab. Es war wahrlich auffällig, wie gut sich die ganze Band untereinander verstand und welch eine gute Laune alle miteinander auf dem ersten Konzert ihrer Tour verströmten. Es wurde umarmt, gepiesackt und abgeklatscht, als hätten DOWN schon lange auf diesen Moment gewartet.
Auch hatte die Tabakindustrie an diesem Abend einen guten Tag: Pfiffen die Besucher schon auf das Rauchverbot, so leerten die Protagonisten an diesem Abend auf der Bühne auch die eine oder andere Schachtel. Aber auch die musikalischen Highlights sollten noch einmal Beachtung finden. Sei es die schon früh gespielten „Lifer“ (immer noch der reine Wahnsinn!) und „Losing all“, das intensive „Beneath the Tides“ oder das jammige „Eyes of the South“. Der Sound knallt trocken und für die Markthalle unwahrscheinlich gelungen aus den Boxen. Nach kurzer Erholungspause holt Jimmy Bower die Kongas raus und das ruhige „Jail“ wird entspannt vorgetragen, um danach mit meinem persönlichen Highlight zu überzeugen: „Stone the Crow“ hat mir doch tatsächlich eine Gänsehaut beschert… Auch der letzte Track „Bury me in Smoke“ ließ noch mal die Markthalle erbeben, während der Song im letzten Riff lag, gab die Band ihre Instrumente ab (ein weiblicher Roadie übernahm den Gitarrenpart) und begann sich selbst zu beglückwünschen: Man lag sich in den Armen und bedankte sich überschwänglich bei den Zuschauern. Es wurden Bierbecher voll mit Plektren verteilt, auch die Drumsticks von Mr. Bower fanden reißenden Absatz. Phil stimmt noch einmal den Refrain von LED ZEPS „Whole lotta love“ an, dann war aber letztendlich Schluss.
Ca. 110 Minuten ansteckende Spielfreude, ein ausnehmend sympathisches Publikum… eigentlich sollte jeder einen wunderbaren Abend verlebt haben (wenn man mal von der etwas penetranten Security und überteuerten Shirt-Preisen absieht). Mich haben DOWN auf jeden Fall positiv überrascht: Mit einem solch gelungenen Auftritt hätte ich nicht gerechnet! Immer noch ganz große Klasse!
Copyright Fotos: Michael Päben
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