Ort: Leipzig WGT Parkbühne
Datum: 28.05.2007
Nachdem sich die Parkbühne trotz Regenschauers am Vortag als Konzertstätte bewährt hatte, war der Clara-Zetkin-Park auch am Pfingstmontag unser Ziel. Pünktlich zur Darbietung von LYCOSIA erreichten wir die Stage, vor der sich bereits einige Schwarzkittel versammelt hatten. Allerdings schienen die vergangenen Tage ihren Tribut gefordert zu haben, so dass die Anwesenden es eher ruhig angehen ließen. Gleiches konnte man LYCOSIA nicht vorwerfen, die unlängst immerhin ihr zehnjähriges Bestehen feiern konnte. Die Franzmänner gaben bei ihrem ersten Gig in Deutschland ordentlich Gas und brachten englischsprachigen Goth Rock (hin und wieder mit Metal Affinität) unters schwarze Volk. Unter anderem hatten sie ihre aktuelle Single „Umnae Draka“ im Gepäck, die ebenso wie die übrigen Songs voller Inbrunst vom bezopften Sänger und Gitarristen Christi Scythe, dem Bassisten Ilhan, Drummer Don Ragno und dem glatzköpfigen Keyboarder MC Vice zum Besten gegeben wurde. Die überwiegend flotten Glam-/Goth -Schätzchen konnten den Kreislauf des Publikums noch nicht vollends auf Touren bringen, aber unsere westlichen Nachbarn ernteten verdienten Applaus und dürfen gern noch einmal innerhalb einer kürzeren Frist als einer kompletten Dekade bei uns vorbeischauen.
(ump)
Weiter ging es mit einem Gothic-Urgestein namens DER FLUCH. Die Parkbühne hatte sich zwischenzeitlich gut gefüllt, als aus dem Off die sonore Stimme des inzwischen verstorbenen Märchenerzählers Hans Paetsch ertönte. Während Nebel umherwaberte, bekamen wir eine Einführung in die Sagen- und Märchenwelt, es folgte ein Trommelwirbel und ein Musikeinspieler in Stil der 50/ 60er Jahre, dann erschienen DER FLUCH komplett in schwarze Anzüge und Sonnenbrillen gekleidet. Der Genuss des Openers „Willkommen“ wurde etwas durch den fehlenden Saft auf dem Mikro des Sängers Deutscher W geschmälert, das Problem jedoch beim zweiten Song „Hexen leben länger“ gelöst und so ging’s entspannt weiter. Vor der Stage wurde schon heftig getanzt, zweifelsohne ist die Band absoluter Kult und das, obwohl man von dem schrägen Quartett lange Zeit nichts gehört hat. Bereits 1981 wurde DER FLUCH als Studioprojekt des Sängers der umstrittenen Punkband OHL (Oberste Heeresleitung) gegründet, um seine Vorliebe für B-Movies und die dunkle Seite seiner Seele auszuleben. 13 Jahre herrschte dann Funkstille um den Horror-Punk-Ableger, Deutscher W (auch eine Abkürzung, diesmal für „Deutscher Widerstand“) legte sein Hauptaugenmerk auf OHL und Studium, bevor es 1994 mit DER FLUCH musikalisch mehr Richtung Neue Deutsche Härte/ Gothic/ Batcave tendierend weiterging. Glaubt man des Sängers Ansage auf der Parkbühne, dann war dieser Gig sogar der erste Liveauftritt seit 26 Jahren. In jedem Fall wusste der Herr, wie er seine Zuschauer fesselt. Er nahm gern ein Bad in der Menge, poste aufs Feinste und bewies mit eher ruhigen Stücken wie „Kalter Wind von Osten“ und „Hexen sind schön“, dass er auch weniger heftige Stücke geschrieben hat. O-Ton Deutscher W bei der Ansage von „Hexen sind schön“: „Wir spielen auf dem WGT vor verliebten jungen Paaren und Seniorensexgruppen, da haben wir auch was Ruhiges!“ Kein Halten gab es mehr bei den Clubhits „Rattengift“ und „Werwolf“. Bei letzterem schien der Fronter selbst eine Transformation zum Werwolf durchzumachen, zwar ist selbiger noch nicht grau, jedoch ein paar Jahre älter geworden, was textlich auch umgesetzt wurde. Außerdem präsentierten DER FLUCH den Song live deutlich lasziver als auf CD. Und wie als Beweis, dass er es noch mit jedem jungen Werwolf aufnehmen kann, zog Herr W. zum Schluss auch noch sein Hemd aus, um seinen guterhaltenen Oberkörper zur Schau zu stellen. Eine gelungene Show, die in die Beine ging und mit gruseligen Texten amüsierte. Die minimalen technischen Probleme zu Beginn sind da nicht weiter erwähnenswert.
(ump)
Die smarten Skandinavier (Herr BB ist gebürtiger Finne mit Wohnsitz in Deutschland), die nun folgten, hatten ihre schwarz-weiße „BIG BOY-Landes-Fahne“ dabei und präsentierten gekonnt nordeuropäischen Glam Rock. Entsprechend enterte der namensgebende Sänger Big Boy modisch gewagt mit einem silberfarbenen Schal, kurzen Hosen und Kniestrümpfen im Angus-Young-Look und einer Schlafmaske im schwarzen Haupthaar die Parkbühne, begleitet von seinen drei Kollegen Kafka, AK und Happy mit der klassischen Instrumentalisierung Gitarre/ Bass/ Drums. Offensichtlich hatte das kecke Schwedenhäppchen während seiner Jugend in Germany auch ein paar Brocken Deutsch gelernt, zu denen auch das Wort „Gruftschlampe“ gehörte, zum anderen schienen es ihm auch die an der Moritzbastei musizierenden DUDELZWERGE „angetan“ zu haben, immerhin widmete er ihnen sogar einen Song. Der Sound des flotten Vierers lud durchaus zum Tanzen ein und gab einen Vorgeschmack auf das demnächst erscheinende Debüt-Album „Hail The Big Boy“, von dem neben dem Titelsong u.a. auch der Industrial-Rocker „Fake it“ das extrem tanzbare „Getsabi Baby“ und das hymnische „Get Over It“ gehörten. Überhaupt scheint das Kerlchen einen gewissen Hang zu Fußballhymnen zu haben, auch „One Good Reason“ klingt, als käme es direkt aus einem Stadion. Vielleicht liegt dies daran, dass Big Boy angeblich eines Nachts FREDDIE MERCURY in dem Sanatorium erschienen ist, wo sein Borderline-Syndrom und sämtliche der Wissenschaft bekannten psychosomatischen Störungen behandelt wurden. Freddie erkor ihn zum einzig wahren Rockstar der Neuzeit und dementsprechend haben wir es bei BIG BOY mit der heterosexuellen Version von QUEEN zu tun – glaubt man den wirren Erzählungen rund um Band und Person BIG BOY. Unterhaltsam und musikalisch ansprechend war das Kleeblatt allemal und was will man mehr?
(ump)
Als nächstes stand mit EISBRECHER der Hauptgrund für unseren heutigen Parkbesuch auf dem Plan. Die sympathischen Jungs aus München haben unlängst ihre Antikörper-Tour abgeschlossen und lassen sich nun noch auf einigen Festivals blicken. Vor der Bühne war es inzwischen rappelvoll, das EISBRECHER-Backdrop schnell aufgehangen und nach einem kurzen Intro ging es auch schon los. Kapitän Alexx betrat als letzter der noch aus Noel und Jürgen an den Gitarren, Martin (Bass), Maximilian (Keyboard) und René (Drums) bestehenden Schiffscrew die Bühne, gekleidet in einen schicken EISBRECHER-Mantel und den Kopf mit einem entsprechenden Schiffchen bedeckt. Offenbar hat man auch Ersatz für den verlorenen Eispickel beschaffen können (siehe Bericht aus Bochum). Der Einstieg in das Set war mit „Kein Mitleid“, „Willkommen im Nichts“ und „Antikörper“ dem der Tour identisch und Alexx hielt in den kurz gehaltenen Pausen zwischen den Stücken auf seine bekannt charmante Art ein wenig Smalltalk mit dem Publikum. Zudem entkleidete er sich zunehmend, wobei unter dem Mantel zunächst ein Hemd, darunter ein THE RETROSIC Shirt (die bereits freitags ihren großen Auftritt hatten und auch einen Remix zu der „Leider“-Single beigesteuert haben) und schließlich ein wohlbehaarter nackter Oberkörper zum Vorschein kam. Zum finalen Glück eines weiblichen Fans wechselte zwischenzeitlich darüber hinaus noch ein schwarzer String seinen Besitzer. Die Begeisterung der Band über die sehr gute Resonanz an diesem Nachmitttag war offensichtlich und bestärkte wohl sämtliche Beteiligten, allen voran Alexx, zu posen, was das Zeug hält. Nach Knallern wie „Vergissmeinnicht“, „Schwarze Witwe“ und „Mein Blut“ kulminierte die Stimmung dann im trotz beschränkter Spielzeit von 45 Minuten (nachdem in der Umbaupause weitere 5 Minuten durch einen etwas früheren Beginn locker gemacht wurden) unverzichtbaren MEGAHERZ Klassiker „Miststück“. Hierbei verschlang ein schönes Singalong, ein eingestreuter CLAWFINGER Rap-Part sowie das temporeiche Finale noch einmal letzte Energiereserven.
EISBRECHER haben mit diesem Auftritt Headliner-Qualitäten bewiesen, zumal sich die Parkbühne anschließend extrem leerte. Erfreulicherweise spielte auch das Wetter bis hierhin mit, so dass zumindest aus diesem Grunde niemand auf das „Es wird nass“-Handtuch aus dem EISBRECHER Board Shop zurückgreifen musste. Auch wir verließen im Anschluss die Parkbühne in Richtung Volkspalast, als uns vor dem Parkbühnen-Ausgang noch eine durchgedrehte Hare Krishna Truppe singend und tanzend über den Weg lief. Leider etwas zu spät, denn es wäre sicher interessant gewesen zu sehen, ob diese ihre lächerliche Fassade auch beim EISBRECHER-Beginn mit Textzeilen wie „Wo ist Dein Gott, groß und mächtig, wann kommt sein Reich, kalt und prächtig, fang an zu beten und schrei, kein Mitleid“ aufrecht erhalten hätten…
(gerrit [pk])
Setlist EISBRECHER
Intro
Kein Mitleid
Willkommen im Nichts
Antikörper
Phosphor
Leider
Vergissmeinnicht
Schwarze Witwe
Mein Blut
Miststück
Setlist DER FLUCH
Willkommen
Hexen leben länger
Fürsten der Nacht
Bete für uns
Kalter Wind von Osten
Wenn die Hexen tanzen
Hexen sind schön
Rattengift
Werwolf
Copyright Fotos: Karsten Thurau
Hinterlassen Sie einen Kommentar.
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.