Ort: Münster - Halle Münsterland (Kongress-Saal)
Datum: 07.03.2007
Nach einer kurzen Winterpause hat es ELEMENT OF CRIME wieder auf die Straße gezogen, und auch ein Zwischenstopp in Münster war vorgesehen, so dass wir uns gemeinsam mit gut 1000 EOC-Fans ebenfalls in der westfälischen Friedensstadt eingefunden hatten. Die Berliner um Multitalent Sven Regener hatten sich aus der Hauptstadt Verstärkung mitgebracht, die uns beim Betreten der Halle bereits vermittels riesigem Backdrop vom Treppengeländer entgegenstrahlte. Es handelte sich um ED CSUPKAY, der als Support der altgedienten ELEMENT OF CRIME mit von der Partie war.
So ließ es sich Herr Regener pünktlich um 20.00 Uhr auch nicht nehmen, den schwarz bebrillten Barden höchstpersönlich anzusagen. Angesichts des zungenbrecherischen Nachnamens seines Einheizers vermutete Sven ein Vertriebenenschicksal, auf das allerdings im Folgenden nicht mehr näher eingegangen wurde. Stattdessen hatte Herr Csupkay noch Malcom Arison aus Manchester im Schlepptau, der mit Schnauzbart und keckem Hütchen wie eine Mischung aus CARLOS SANTANA und polnischem Schwarzarbeiter wirkte. Doch los ging’s mit dem ersten Song vom Debütalbum „Das Tier in mir“ namens „Wenn wir endlich weitergehen“. Geboten wurde ein feiner Mix aus Folk und Country, von Ed an der Akustikgitarre mit sonorer Stimme vorgetragen und unterstützt von Malcoms Mundharmonikakünsten. Es folgte der Walzer „Loch in der Brust“, diesmal mit Mandolinenklängen, die den Sound besonders gefühlvoll rüberkommen ließen. Das sollte von „Einfach“ noch getoppt werden; wie Malcom uns in gebrochenem Deutsch mitteilte, ein romantisches Lied für die Ladies, zu dem passend die Bühne in rotes Licht getaucht wurde. Bei „Kalter Wind“ hörte man selbigen geradezu um die Halle pfeifen, hier konnte der Mann aus England zeigen, was er an der Mundharmonika drauf hat. Es folgte mit „Holstein“ ein „Good Old Schunkler“ wie uns Mr. Arison versicherte und tatsächlich sah man hier und da entsprechende Bewegungsabläufe im Publikum. Zum Schluss hatte der groß gewachsene Ed noch ein Cover in petto. Er präsentierte seine deutsche Version des RAMONES-Songs „I Wanna Be Your Boyfriend“. Dazu griff der Mann, der bereits als Hafenarbeiter, Türsteher, Barmann, Clubbesitzer, Bandmusiker und Tourmanager von ANTHRAX, MOTÖRHEAD und MONSTER MAGNET tätig war, zur Geige und fiedelte voller Inbrunst. Insgesamt ein überzeugendes halbes Stündchen handgemachter Folk-Rock.
Ein Vorteil von sparsamer Instrumentalisierung ist ja, dass auch der Umbau schnell vonstatten geht. Entsprechend fix waren auch die Saiteninstrumente aus dem Weg geräumt und um 20.50 Uhr konnte der Hauptact, auf den das bunt gemischte Publikum wartete, die Bühne entern. Sven Regener an der Akustikgitarre, Jakob „Ilja“ Friderichs an den elektrischen sechs Saiten, David Young am Bass und Richard Pappik hinter der Schießbude starteten dann auch direkt mit „Straßenbahn des Todes“ vom aktuellen Album „Mittelpunkt der Welt“ durch. Im Anschluss begrüßte der schnodderige Bandleader die Anwesenden in gewohnt prägnanter Manier. Dabei wies er ausdrücklich darauf hin, dies absichtlich zu einem so frühen Zeitpunkt zu tun, da es in der Vergangenheit häufig geheißen habe, ELEMENT OF CRIME seien arrogant. Das sei man auch, müsse es aber nun nicht unbedingt so raushängen lassen und gebe sich deshalb etwas freundlicher. Die Zuschauer schätzten die offenen Worte und hatten noch mehr Spaß, als Sven seine Trompete zur Hand nahm und „Geh doch hin“ zum Besten gab. Wirklich ein Genuss, wenn Herr Regener ins Blech stößt; ohne Zweifel ein erster, kleiner Höhepunkt des Abends, dem sich umgehend das melancholische „Wenn der Winter kommt“ anschloss. Hier stach besonders die Gitarre heraus, die von Bandmitbegründer Jakob in so einzigartiger Weise gespielt wurde, dass man sich an eine Ukulele erinnert fühlte. Abermals richtete der gebürtige Bremer Sven Regener das Wort an sein Auditorium und bekannte, doch bisweilen Angst zu haben, dass Angst sogar eine große Rolle in seinem und womöglich in jedermanns Leben spiele. Also hieß es „Hände weg von meiner Paranoia“, ein flotter Titel, der erstmals zum Tanzen einlud. Daraufhin verließ der blond gelockte Richard, dem man seine 51 Lenze nun wirklich nicht ansah, seine Wirkungsstätte und nahm eine Mundharmonika zur Hand. Dazu noch eine Hammer-Trompeteneinlage vom Frontmann und die Gänsehaut-Nr. „Elbe 1“ stand. Andächtig lauschten die Münsteraner dem Treiben auf der blau beleuchteten Stage, immerhin haben die Songtexte auch einen erheblichen Stellenwert bei ELEMENT OF CRIME, so dass weniger ausgelassen getanzt, denn aufmerksam zugehört wurde. Mehr Richtung Polka bewegte sich „Mehr als sie erlaubt“, bevor mit „Murder In Your Eyes“ die groovigen, vergangenen Disco-Zeiten beschworen wurden. Nach diesem Ausflug in die Achtziger, immerhin gibt es ELEMENT OF CRIME bereits seit 1985, wurden mit „Im Himmel ist kein Platz mehr für uns zwei“ neue, ruhigere Töne angeschlagen. „Ich kann warten“ gefiel durch fantastische Gitarren- und Trompetenbeiträge, während „Gelohnt hat es sich nicht“ gerade durch seinen Minimalismus fesselte. Bei den einleitenden Worten zu „Immer unter Strom“ bewies der Mann mit der angenehm kratzig-unterkühlten Stimme Ortskenntnis und erinnerte an vergangene Jovel-Zeiten und im Gedenken an Stunden auf der Tanzfläche wurde es geradezu rockig und es durfte mitgeklatscht – und gewippt werden. Wenn man ehrlich ist, will man auf einem EOC-Konzert aber nicht ekstatisch tanzen, sondern von Svens Texten und deren musikalischen Untermalungen verzaubert werden, was mit Tracks wie „So wie du“ und „Weißes Papier“ auch hervorragend klappte. „Weit ist der Weg“ nahm wieder etwas an Fahrt auf, um die Fans auf „Delmenhorst“ vorzubereiten. Der erste Song der Berliner, der es in die Single-Charts geschafft hat, wurde heftig abgefeiert und mit andauerndem Applaus bedacht. Der Titelsong des nicht minder erfolgreichen 2005er Longplayers (Platz 7 in den deutschen Albumcharts) „Mittelpunkt der Welt“ war wieder von der Güte „unspektakulär, aber gerade deshalb unglaublich schön“. In rotes und grünes Licht getaucht, spielte das Quartett den letzten Song des regulären Sets, um sich gegen 22.15 Uhr kurz ins Off zu verabschieden. So konnten die Herren besten Alters natürlich nicht verschwinden und mit „Die letzte U-Bahn geht später“ gab’s die erste Zugabe, die gleich eine erneute Gänsehaut bescherte. Gefolgt wurde der Titel von „Draußen hinterm Fenster“, ein neuerliches Schmankerl, das geprägt war von brüchigen Melodien, die sich in Trompetentönen aufzulösen schienen. Statt jetzt einfach durchzuziehen, gaben die Hauptstädter sich ein wenig divenhaft und spielten erneut das Zugaberufe-Spiel, das ihnen ein jazzig-lasziv-rockiges „Damals hinterm Mond“ entlockte. „Bring den Vorschlaghammer mit“ ging angenehm in die Beine, abermals kurzes Verschnaufen hinter der Bühne (Die Vier müssen doch wohl nicht nach 90 Minuten auf der Stage regelmäßig unters Sauerstoffzelt?), jetzt machten ELEMENT OF CRIME noch mal Tempo und legten „Jung und schön“ nach, bevor mit einer Verbeugung vor UDO LINDENBERG in Form einer Neuinterpretation seines „Leider nur ein Vakuum“ nach genau zwei Stunden ein perfekter Konzertabend endete.
Mag sein, dass ELEMENT OF CRIME in jungen Jahren keine Vorbilder hatten, der verträumt-chansoneske Rocksound sucht auch vergeblich nach Vergleichen. Wenn wir Musiker und Schriftsteller Regener jedoch glauben dürfen, dass die Band heuer ein einziges Vorbild hat, das auf den Namen UDO LINDENBERG hört, dann muss ich sagen, dass mir Svens charmant-kratzbürstiger Gesang um Längen lieber ist als Udos Genöle. Und erst recht schaue ich mir lieber vier absolute Vollblutmusiker und Könner an ihren Instrumenten an, die mehr oder minder statisch auf der Bühne verharren als einen Herrn Lindenberg, der von rechts nach links und wieder zurück zappelt. Definitiv haben ELEMENT OF CRIME in den letzten 22 Jahren keinen Fitzel Staub angesetzt und können nach wie vor mit ihren alten und neuen Titeln 100%ig begeistern.
Setlist ED CSUPKAY
Wenn wir endlich weitergehen
Loch in der Brust
Einfach
Kopf
Kalter Wind
Holstein
I Wanna Be Your Boyfriend (Süßes Ding)
Setlist ELEMENT OF CRIME
Straßenbahn des Todes
Und du wartest
Geh doch hin
Wenn der Winter kommt
Finger weg von meiner Paranoia
Elbe 1
Mehr als sie erlaubt
Murder In Your Eyes
Im Himmel ist kein Platz mehr für uns zwei
Ich kann warten
Gelohnt hat es sich nicht
Immer unter Strom
So wie du
Weißes Papier
Weit ist der Weg
Still wird das Echo sein
Delmenhorst
Mittelpunkt der Welt
Die letzte U-Bahn geht später
Draußen hinterm Fenster
Damals hinterm Mond
Bring den Vorschlaghammer mit
Jung und schön
Leider nur ein Vakuum
Copyright Fotos: Karsten Thurau
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