Ort: Osnabrück - Rosenhof
Datum: 11.09.2007
Fast auf den Tag genau ein halbes Jahr nach ihrem Gig in Münster, machten ELEMENT OF CRIME mal wieder Halt im Großraum MS/ OS. Um Kontinuität bemüht hatten die Berliner auch wieder ED CSUPKAY mit an Bord, der im gut gefüllten Rosenhof als Anheizer fungierte.
Temperaturtechnisch wäre dies allerdings gar nicht nötig gewesen, da es im Gegensatz zur vorherrschenden Außentemperatur in dem ehemaligen Kino mollig warm war. Aber gegen ein paar nette Folk-Rock-Songs hatte natürlich niemand der Anwesenden etwas einzuwenden und so startete der Herr mit dem schwarzen Brillengestell sein Set in Begleitung eines Barden, der in Münster nicht von der Partie war. Die Rede ist von Roland Heinrich, den es von der Ruhr ebenfalls an die Spree verschlagen hat und in Alternative-Country-Kreisen hoch gehandelt wird. Zuvor ließ es sich Sven Regener jedoch nicht nehmen, um 20.10 Uhr ED CSUPKAY persönlich anzukündigen (beide sind übrigens in Bremen-Blockdiek aufgewachsen). Er verwies wie schon in Münster auf den unaussprechlichen Nachnamen des Musikers und das damit möglicherweise verbundene Vertriebenenschicksal, bevor das Duo seinen Vortrag beginnen konnte. Den Anfang machte „Wenn wir endlich weitergehen“ vom Debüt „Das Tier in mir“, ein schöner Mix aus Country und Folk, der gefolgt wurde von einem Walzer namens „Loch in der Brust“, für den Ed seine Akustikgitarre gegen eine Mandoline tauschte und Roland statt zur Mundharmonika zur Gitarre griff. Beim ruhigen „Worte im Zorn“ begab sich Herr Heinrich zwischendurch auch mal ans Mikro, überwiegend war jedoch Eds sonore Stimme zu hören. Zu „Kalter Wind“ nahm Roland wieder die Blues Harp zur Hand und tatsächlich zog in typischer Westernmanier ein musikalischer Luftzug durch das Gemäuer. Nicht nur Ed fand es ziemlich warm, aber leider konnte der Song eine allseits herbeigesehnte Abkühlung auch nicht bringen. Von „Garagenliebe“ war diesbezüglich auch keine Hilfe zu erwarten. Das Stück über Mopeds und Mädels ließ es recht flott und mit extrem tiefen Gitarrenklängen angehen und erklärte anschaulich die Wirkungsweise eines 2-Takters. Als nächstes sollte ein RAMONES Tribute folgen – für die vielen Punks, die nach Eds Einschätzung im Rosenhof rumhingen. Vielleicht hat der ein oder andere Anwesende auch mal Erfahrungen in der Szene gesammelt, insgesamt schien das Publikum, welches überwiegend seinen 30. Geburtstag schon hinter sich hatte, jedoch eher dem bürgerlichen Lager anzugehören und eine Dame in der ersten Reihe äußerte ob des Titels „I Wanna Be Your Boyfriend (Süßes Ding)“ gar Zweifel am Tiefgang der Darbietung. In jedem Fall folgte ein perfektes Zusammenspiel von Gitarre und Geige, wobei Ed die Fiedel derart malträtierte, dass die Saiten den Dienst quittierten. Dann vielleicht doch besser was zum gemütlich mitschunkeln, immerhin hatten die Zwei auch für diesen Zweck noch etwas in petto und tatsächlich wurde zum abschließenden „Holstein“ vorne links eine Wunderkerze gesichtet. Dank des ehemaligen Hafenarbeiters, Türstehers, Clubbesitzers, Bandmusikers und Tourmanagers von ANTRAX, MOTÖRHEAD und MONSTER MAGNET ein ansprechender, gut halbstündiger Einstieg, bei dem er von seinem Mitstreiter Roland hervorragend unterstützt wurde. Allerdings hatte ich Herrn Csupkay aus Münster viel größer in Erinnerung, möglicherweise ist aber auch Kollege Heinrich ein solcher Riese, dass die optischen Proportionen etwas aus den Fugen geraten sind.
Offensichtlich wurde die Warterei dem ein oder anderen doch ein wenig lang, kurz nach 21 Uhr waren die ersten ungeduldigen „Anfangen“-Rufe zu hören, doch noch herrschte auf der Bühne das geschäftige Treiben der Crew. Nach 35 Minuten – und damit auch noch in einem vertretbaren Rahmen – Umbaupause war es dann aber so weit: ELEMENT OF CRIME betraten die Stage und legten mit „Straßenbahn des Todes“ vom letzten Album „Mittelpunkt der Welt“ auch gleich los. Obwohl begnadeter Geschichtenerzähler (Autor der Bestseller „Herr Lehmann“, „Neue Vahr Süd“) hält sich Mastermind Sven Regener während der Konzerte mit Ansagen und Kontaktaufnahmen mit dem Publikum sehr zurück. Zur Begrüßung riss er heute auch einfach mal die Arme hoch und ließ ansonsten überwiegend Musik und Songtexte sprechen. Nachdem die „Kavallerie“ einmal quer durch den Rosenhof geprescht war, griff Sven erstmals zu seiner Trompete und es erklang „Geh doch hin“, immerhin auch schon 16 Jahre alt und 1991 auf der „Damals hinterm Mond“ erschienen. Es wirkte, als versinke Regener fast in seiner Musik und besonders das abschließende Trompetenspiel wurde eifrig beklatscht. Mit „Wenn der Winter kommt“ ging es melancholisch weiter, bevor der Fronter in seiner bekannt schnodderigen Art tatsächlich das Wort ans Plenum richtete. Mit dem Hinweis auf seine zahlreichen Ängste auch in Bezug auf das Gelingen des Abends verwies er auf den nächsten Titel „Finger Weg von meiner Paranoia“, der bei den Osnabrückern sehr gut ankam. Wie bereits zu diesem recht frühen Zeitpunkt deutlich wurde, musste sich Herr Regener heute keine Sorgen um den Konzerterfolg machen. Zum sehr gefühlvollen „Vier Stunden vor Elbe 1“ wechselte Richard Pappik von den Drums nach vorn an die Mundharmonika, um dem Song den letzten Schliff zu geben. Nicht vergessen wollen wir jedoch nicht das sehr differenzierte Saitenspiel von Jakob „Ilja“ Friderichs an der E-Gitarre und David Young am Bass, die neben Svens Trompete und dessen kratzbürstigen Gesang, dafür sorgten, dass „Elbe 1“ ordentlich abgefeiert wurde. Flott und ein bisschen polkamäßig ging’s mit „Mehr als sie erlaubt“ von der „Weißes Papier“-VÖ aus 1993 weiter, bevor ein Track folgte, der lt. Sven aus einer Zeit stammt, in der ELEMENT OF CRIME noch Disco gemacht haben. Ja, der Wahlberliner sprach zu uns! Allerdings auch nur, weil er vermeiden wollte, als arrogant zu gelten. Was EOC zwar auch seien, aber man müsse es ja nicht so raushängen lassen. Dass er des Englischen genauso mächtig ist, bewies er mit dem sich anschließenden „Murder In Your Eyes“, welches noch aus der englischsprachigen Anfangsphase der Band stammt und durchaus zum Tanzen animierte. „Im Himmel ist kein Platz mehr für uns zwei“ bot ebenso wie „Weil es schön war“ Gelegenheit zum Verschnaufen, dann legten „Immer unter Strom“ und „Jung und schön“ wieder einen Zahn zu. Es folgte das sehr melodiöse „So wie du“ und die Gänsehaut-Nummer „Weißes Papier“, die mit reichlich Applaus bedacht wurden. Nach dem getragenen „Weit ist der Weg“ erwartete uns mit „Still wird das Echo sein“ ein Melancholie-Overkill, bevor eine kleine Stadt in Niedersachsen einmal mehr für Furore sorgte. „Delmenhorst“ brachte die Stimmung in dem jüngst renovierten Tanzpalast erneut zum Kochen, bevor das sehr eindringliche „Mittelpunkt der Erde“ um 22.35 Uhr die reguläre Spielzeit beendete. An ein Ende war natürlich noch nicht zu denken und so kam das Quartett der Aufforderung, noch eine Zugabe zu spielen, gern nach. Regen Zuspruch fand dann auch der rhythmische Schmusesong „Die letzte U-Bahn geht später“, wie auch das etwas sperrige „Draußen hintern Fenster“, mit dem sich die Berliner abermals verabschieden wollten. Ein bisschen ließen Regener und Konsorten ja schon die Diva raushängen: Nach erneutem Bitten und Betteln, gab’s noch einen Nachschlag und zu „Bring den Vorschlaghammer mit“ durfte noch mal getanzt werden. Das Procedere schien EOC Spaß zu machen, man verschwand abermals, heftiges Klatschen und Stampfen seitens der Zuhörerschaft beförderte die Jungs jedoch noch mal zurück auf die Stage und ein letztes Mal stieß Sven zu „Alten Resten eine Chance“ in sein Blasinstrument. Endgültig Schluss war dann nach fast zwei Stunden mit dem schrammeligen „Akkordeon“, das noch mal treibende Rhythmen durch den Raum schickte.
Wer eine bombastische Lightshow oder extreme Geschäftigkeit auf der Bühne erwartet, liegt bei ELEMENT OF CRIME ganz falsch. Wer jedoch auf melancholisch-chansoneske Rockmusik steht, wie sie die Hauptstädter seit nunmehr 22 Jahren machen, wurde mit einem gelungenen Streifzug durch die EOC-Diskographie belohnt. Neben der 2005er „Mittelpunkt“ der Welt“, die bis auf „Nur mit dir“ komplett gespielt wurde, gab es einen feinen Rundumschlag der vier begnadeten Musiker zu hören, die es wahrlich nicht nötig hatten, sich in Szene zu setzen. Und dass sie dies durchaus zeitgemäß und frisch tun, bewiesen auch die Fans der zweiten Generation, die zwar in der Minderzahl waren, aber in der Menge keineswegs untergingen.
Setlist ED CSUPKAY
Wenn wir endlich weitergehen
Loch in der Brust
Worte im Zorn
Kalter Wind
Garagenliebe
I Wanna Be Your Boyfriend (Süßes Ding)
Holstein
Setlist ELEMENT OF CRIME
Straßenbahn des Todes
Kavallerie
Geh doch hin
Wenn der Winter kommt
Finger weg von meiner Paranoia
Vier Stunden vor Elbe 1
Mehr als sie erlaubt
Murder In Your Eyes
Im Himmel ist kein Platz mehr für uns zwei
Weil es schön war
Immer unter Strom
Jung und schön
So wie du
Weißes Papier
Weit ist der Weg
Still wird das Echo sein
Delmenhorst
Mittelpunkt der Welt
Die letzte U-Bahn geht später
Draußen hinterm Fenster
Bring den Vorschlaghammer mit
Alten Resten eine Chance
Akkordeon
Copyright Fotos: Dirk Ruchay
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