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FEHLFARBEN – SCHWARZ AUF WEISS

Ort: Gütersloh - Weberei

Datum: 23.10.2003

Der Terrorverlag stürzt sich in immer neue Abenteuer, um euch liebe Leser vortrefflich zu unterhalten. Dieses mal hatte ich es nicht weit, denn in meiner zweiten Heimat gastierten FEHLFARBEN. Ja, die FEHLFARBEN, die mit „Monarchie und Alltag“ einen Meilenstein deutscher Jugendkultur erschaffen haben und von denen zumindest jeder geistig frischgebliebene Mensch die Hymne „Ein Jahr (Es geht voran)“ kennen dürfte. Sowohl Album wie auch Single waren damals auf Platz 1 in den Charts, was in Zeiten von Bohlen und Co. fast ein wenig anrüchig klingt. Als Verstärkung (und weil ich selbst nicht gerade der größte Farben-Experte bin) holte ich mir prominente Verstärkung mit ins Boot. Micky Cholewa, ehemaliger Sänger der WESTDEUTSCHEN CHRISTEN und Chef der Terrorverlag Filmabteilung, schien als 80er Kenner genau der richtige zu sein. Hat er doch Peter Hein und den Bassisten Michael Kemner früher schon einmal getroffen, irgendwo in der damaligen Metropole Gevelsberg (oder war es eine Spelunke in Wuppertal?). Und ein Wiedersehen mit Kemner gab es bereits, als wir den kargen dunklen Weg in Richtung Weberei einschlugen, er kam nämlich wohlgemut um die Ecke. Und ganz ohne Starallüren nahm er sich die Zeit für einen kleinen Plausch über vergangene Zeiten, in denen er auch eine Kapelle namens MAU MAU am Start hatte. Danach enterten wir die Webe und die Befürchtungen, außer uns würde niemand da sein, bestätigten sich zum Glück nicht. Denn leider wurde das Event nicht gerade großflächig beworben, dennoch waren an die 100 Menschen am Start, was laut Auskunft der Band der bisher schlechteste Besuch war. Der Großteil der Besucher war männlich (nicht so schön) und älter als ich (gut für mein Ego).

Vor den FEHLFARBEN traten aber zunächst die Bremer von SCHARZ AUF WEISS auf die Bühne. Ehrlich gesagt hatte ich von denen noch nie etwas gehört, bevor ich mich im Internet ein wenig schlau gemacht habe. Die sieben noch relativ knackfrischen Jungs haben bereits 2 Alben auf dem Weser Label herausgebracht, suchen jetzt aber eine neue Plattenfirma mittels eines taufrischen Demos, welches mir netterweise überlassen wurde. Auf dem aktuellen Output „Jugendstil“ konnten sie so illustre Gäste wie Jello Biafra und Peter Hein für Gastauftritte begeistern, man tourte auch bereits das zweite mal mit den Farben. Nach einem Kinderstimmen-Intro ging es richtig flott los, auch wenn die Zuschauer sich doch reichlich weit entfernt von der Bühne aufhielten. Neben der „normalen“ Rockbesetzung fahren die Hanseaten auch noch einen reichlich schrägen Hammondorganisten sowie 2 Bläser auf, die den Sound ein wenig in Richtung Ska drücken. Aber das Gesamtbild war von herrlich urwüchsigem (Punk)-Rock und Mo Town geprägt, mit nordischer Coolness von modisch gekleideten jungen Leuten vorgetragen. Neben der Cover Version „Zu lange her“ der Düsseldorfer 80er Kombo STUNDE X kamen auch die beiden neuen Demo-Stücke zur Vorführung: „Nachtklubdekadenzen“ und „Retro“, bei dem darauf hingewiesen wurde, dass beide Bands des Abends keinesfalls „retro“ wären… Die rotzfreche und in die Beine gehende Musik wurde vom Publikum gut aufgenommen und im Rahmen dessen, was möglich war, abgefeiert.

Nach kurzer Pause (beide Acts benutzten dasselbe Drumkit) betraten die FEHLFARBEN die Bühne, ebenfalls sieben Mann bzw. 6 Mann plus Dame. Denn neben den 6 Originalmitgliedern ist seit dem Jahre 2000 die entzückende Saskia von Klitzing mit an Bord, welche die Drums mit erstaunlicher Präzision bedient und dabei noch sehr gut ausschaut. Saskia war schon bei allerlei illustren Projekten involviert. So war sie im Jahre 2002 auf Vermittlung des Goethe-Instituts zusammen mit Fenstermacher in Afghanistan, um einheimischen Pop Musikern moderne Spiel- und Aufnahmetechniken näher zu bringen. Außerdem bearbeitete sich auch die Felle bei dem Stück „Alzheimer 2000“ mit Jasmin Tabatabai in der Rolle der jungen Ulrike Meinhof, welches in der Bonner Oper aufgeführt wurde. Zurück nach Gütersloh: Sämtliche Musiker waren in feinen Zwirn gezwängt außer Sänger Peter, der glänzte mit Flickenjeans und einer etwas zu oft gewaschenen Jeansjacke über rosa Hemd. Die Zeit ist nicht spurlos an ihm vorbeigegangen, aber wer kann das schon von sich behaupten? Auf der Bühne hatte er jedenfalls alles im Griff und glänzte mit hintersinnigen Ansagen. Zum Publikum: „Schön, dass ihr alle an der Wand steht, weil da der Sound besser ist! Wie im Jugendheim, das waren sowieso immer die besten Konzerte“. Die Anwesenden ließen nämlich leider immer noch eine große Kluft zu den Musikern, die Stimmung aber war gut. Bei der Songauswahl konzentrierte sich das Septett (2 Keyboarder, 2 Gitarristen, Bass, Drum und Gesang) auf das aktuelle Comeback-Album „Knietief im Dispo“, von dem es u.a. „Rhein in Flammen“, „Club der schönen Mütter“, „Schnöselmaschine“ und „Die kleine Geldwäscherei“ zu hören gab. Alles gefällige Rockstücke, die Hein mit seiner einprägsamen Stimme noch weiter adelte, während er sich hin und wieder ein schönes Glas Weißwein genehmigte und mit Saskia herumalberte. Ein weiterer Schwerpunkt war selbstverständlich die bereits angesprochene Klassiker-Scheibe „Monarchie und Alltag“, die war dem Publikum auch sichtlich geläufiger. „Grauschleier“, „Gottseidank nicht in England“ und „Das sind Geschichten“ sind hier zu nennen, das erfolgreiche „Paul ist tot“ beendete dann auch den regulären Set nach einer sehr ordentlichen Spielzeit. Bei diesem Stück verließen nach und nach die Musiker die Band, bis nur noch Thomas Schwebel unermüdlich das immergleiche Saitenthema zupfte. Schwebel, der in den 80ern für kurze Zeit den Gesang übernehmen musste, als Hein sich angesichts des ungeliebten kommerziellen Erfolges kurzerhand von der Band ausklinkte. 2 mal kehrten die Düsseldorfer auf die Bühne zurück, um 4 plus 2 Zugaben zu spielen. Erneutes Zitat Hein: „Ihr, die da seid, könnt ja nix für die, die nicht da sind..:“, feine Einstellung das. „Das war vor Jahren“ sowie „Sieh nie nach vorn“ konnten dann auch noch mal neue Höhepunkte setzen. Ein Stück wurde sogar zum ersten mal gespielt („Eine öffentliche Probe“), ich würde mal sagen, es hieß „Keine Lebenskunst“. Nur auf „Ein Jahr (Es geht voran)“ wartete man vergeblich, Hein erklärte nachher auf Anfrage, dass das Stück „nichts tauge und sowieso nicht zum Rest passe“. Das ist wahre Geistesrevolution! Jedenfalls war er sich nicht zu schade, noch Autogramme zu geben. Fazit: Eine überraschend fette Vorband und ein Hauptact, der in Würde gealtert ist und auch heute noch rockt! Leider waren zu wenig da, um das festzustellen, aber man kann nicht alles haben im Leben…

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