Ort: Koblenz - Suppkultur
Datum: 08.02.2007
“Wintergewitter” – Ein treffender Titel für eine Electro Tour härteren Ausmaßes. Aber musste das Wetter ausgerechnet heute dem Namen alle Ehre erweisen? Kurz vor der Abfahrt nach Koblenz begann es heftigst zu schneien, was zu chaotischen Bedingungen auf den Autobahnen NRWs führte. Und wieso führte die Konzertreise von FEINDFLUG und Co. überhaupt nur durch 2 deutsche Städte? Dennoch zögerten wir keine Sekunde, uns ausgiebig dem Black Rain Package zu widmen, so oft hat man ja nicht Gelegenheit dazu. Nachdem wir irgendwie bis ins Ruhrgebiet vorgedrungen waren, wurden die Verhältnisse dann auch besser und aufgrund geschickter Planung erreichten wir rechtzeitig vor 8 Uhr das leicht versteckt gelegene Suppkultur. Zu Hilfe kam uns der letztjährige Besuch beim Mithras Garden Festival, in etwa so viele Zuschauer wie „damals“ füllten auch heute wieder den Konzertsaal, so an die 500 würde ich sagen. Irgendwie hätte ich ja fast das Schildchen „Ausverkauft“ an der Tür erwartet, aber möglicherweise hat die Kombination Wochentag/ Wetter doch noch einige abgeschreckt. Die, die da waren, deckten aber das gesamte gothische Klischeespektrum ab: Ununterbrochen knutschende Pärchen (anscheinend ohne festen Wohnsitz), bunte Cybergirlies mit mehr Hang zur Selbstdarstellung denn zur Musik, die Megacoolen mit verschränkten Armen ganz vorne (und DEATHSTARS-Shirt…), ein Kreuz schwingender Geselle und natürlich einige richtige EBM-Kanten, von denen in Berlin bei gleichem Schauspiel sicherlich ganze Horden anwesend gewesen wären. Dazu 2 dem Terrorverlag nicht unbekannte Szenefotographen, unterwegs in heiliger Mission, will sagen, sie durften die Fotos für die Tour Berichterstattung schießen. Bewegte Bilder hierzu waren bereits beim Skandinavien Part der Reise aufgenommen worden (in Stockholm). Immerhin bestand also die Aussicht auf ein spannendes Konzert UND ordentliches Licht… der Opener konnte beginnen.
Zunächst legten SUPREME COURT um den ehemaligen DAVANTAGE Fronter Kay Härtel los, der von 2 Keyboardern (Sebastian Nebel und ein mir unbekannter Herr) unterstützt wurde. Aggressiver und dennoch eingängiger Electro, der seine Wurzeln nicht verleugnen konnte und eigentlich zum Tanzen anregen sollte. Doch das Publikum schien noch nicht richtig warm geworden und verharrte recht bewegungslos hinter der großen Riege an Fotographen, derweil Kay versuchte, ordentlich Dampf zu machen. Neben 2 Tracks vom Debüt „Yell it out“ kam auch einiges an neuem Material zum Zuge, das in Kürze auf einem Werk namens „Hypocrites & Saints“ erscheinen soll. „Voice of Lying“ beispielsweise war zudem bereits auf dem „Interbreeding VII“-Sampler erhältlich, während man in „Rush of Blood“ auf der MySpace Seite von SC hineinhören kann. Ein Song mit dem lieblichen Namen „Loving Kind of Cunt“ beendete die in meinen Augen durchaus gelungene Performance, die wesentlich mehr Reaktionen seitens der Fans verdient gehabt hätte. Das Leben ist halt nicht immer gerecht…
Danach waren die ebenfalls aus Chemnitz stammenden CYBORG ATTACK an der Reihe, nach einer extrem kurzen Umbaupause übrigens. Das politisch relativ links gerichtete Trio durfte schon desöfteren für FEINDFLUG eröffnen und frönt einer Art Punk-Electro. Immer voll auf die Glocke, nicht zu kompliziert arrangiert. Das lockte nun auch das Auditorium weiter nach vorne, was sicher im Sinne von Sandro Franz (aka Punisher, Vocals) sowie den beiden Knöpfchendrehern Tino Weidauer/ Uwe Schimmel (Kampfnamen: Eucha und Zerindi) war. Beide hatten natürlich wieder ihre blau aus den Augen leuchtenden Schädel am Keyboard montiert, dazu kam noch ein Band Backdrop. Im Folgenden elektrisierten die Herren mit Stücken ihrer beiden bisherigen Full Lengths, von denen das aktuellere „Stoerf***ktor“ bevorzugt wurde, siehe den Titeltrack oder auch „Psycho-X“ und „Born Dead“. Natürlich durften die beiden „Blutgeld“-Teile nicht fehlen, die sich bereits zu kleineren Hits gemausert haben. Der eingängige Sound angereichert mit Samples kam so gut an, dass eine Zugabe gefordert und in Form von „Maschinenmensch“ auch eingelöst wurde.
Danach sollte es aber erst richtig spannend werden, zumindest war ich sehr gespannt auf mein erstes TYSKE LUDDER-Konzert. War ja auch einige Jahre nicht aktiv, die deutsche Electro Hure, die sich in den 90ern bereits einen Szenenamen machte, dann aber für geraume Zeit untertauchte. 2004 raufte man sich wieder zusammen und neben den ReReleases der alten Scheiben konnte auch der neue Longplayer „Sojus“ durchaus punkten. Neben den aufgestellten Flaggen wurde nun wieder (wie auch bei SUPREME COURT) der Beamer genutzt, der die Besucher zu einer freundlichen Begrüßung anregte und im folgenden mit aufwühlenden Bildern „unterhielt“. Wiederum begaben sich drei Synthie Menschen auf die Stage, von denen 2 (Z67 und Ålbert) nicht mehr zu den ganz Jüngsten zählten, irgendwie logisch. Der deutlich jünger wirkende Nøel aus Nordenham bearbeitete rechts sein Schlagwerk, während Z67 links ebensolches unternahm, wenn er nicht direkt an der Frontlinie seinen charismatischen Sänger unterstützte. Albert-X erinnert in Aussehen, Gestus und Stimme deutlich an RAMMSTEINchen Till Lindemann, Abkupferei kann aber aufgrund der Chronologie natürlich nicht in Frage kommen. Zudem quatschte er deutlich mehr mit dem Publikum, vor allem mit der weiblichen Teilmenge. Die Niedersachsen eröffneten gleich mit ihrem meiner Meinung nach besten Titel der „Sojus“-CD: „Khaled Aker“, das sich mit der Rolle der RAF auseinandersetzt. Auch sonst lag der Schwerpunkt auf den neuen Sachen wie etwa „Canossa“ oder „Manipulation“, inhaltlich werden wie eh und je keine heißen Eisen ausgespart. Der Saal fing das erste Mal ob der schweren Stiefel an zu beben, vor und auf der Bühne, wo die beiden „alten Herren“ ein immenses Laufpensum bestritten und ihre Setlist geradezu in den Laden prügelten. Das Ganze mit einem tollen Sound, wobei hier einiges vom Band kam, was dem Auftritt natürlich nicht schadete. Aus der Erstphase der Formation stammte beispielsweise „Monotonie“, einige Anwesende schienen auch damit vertraut zu sein. Für den letzten regulären Song holte man sich den FEINDFLUG Gitarristen mit hinzu, bevor es mit der geforderten Cover Version „Was wollen wir trinken (Sieben Tage lang)“ einen überaus launigen Abschluss gab. Schweißtreibender EBM-Electro at its best.
Doch der eigentliche Headliner stand ja noch aus und der hatte mich bei all meinen Live Begegnungen noch nie enttäuscht. Das sahen wohl die meisten so, FEINDFLUG-Shirts galore in den ersten Reihen dicht auf dicht. Nach einer wiederum sehr kurzen Überbrückung (gerade in Anbetracht der für eine FF-Show nötigen „Kriegsmittel“) ging es mit der einleitenden Flak auf immer wieder gern gesehene Weise los, bevor es mit gleich 7 Herren auf dem Truppenübungsplatz jetzt richtig eng wurde. Da hätten wir Banane und Kay Härtel hinten an den Synthies, den zunächst leicht maskierten Projekt-Kopf Felix vorne am Schlagwerk, Patric an der Gitarre sowie Clemens, Matze und Soli an weiteren Percussion Geräten. Immer wieder ein Schauspiel, wie die einzelnen Rädchen sekundengenau ineinander greifen und diese infernalisch tanzbaren Stakkatorhythmen erzeugen. Folgerichtig kochte das Suppkultur und es wurden tanztechnisch vorne auch mal ein paar härtere Bandagen aufgezogen. Mit dem beklemmenden „Roter Schnee“ ging die Reise los, die bei fast allen bisherigen Releases der Chemnitzer Station machte. „AK 47“ und „Neue Sieger“ von „Volk und Armee“, der Clubhit „Kalte Unschuld“ („Hirnschlacht“), „Grössenwahn“ vom Black Rain Debüt 1999, aber auch das „Kollaboration“-Vinyl wurde bedacht… Ohne irgendwelche Ansagen, nur von der Gestik und der musikalischen Leistung getragen, wurde wieder beklemmendes Kopfkino inszeniert, ohne die Unterhaltungsseite außer acht zu lassen – siehe auch die kleine Galgeneinlage. Doch bekanntermaßen dauern FEINDFLUG-Konzerte keine 2 Stunden und so war dann nach knapp 60 Minuten der Hauptteil beendet, der von ohrenbetäubenden Fliegergeräuschen abgerundet wurde. Eine schöne Überleitung zur Zugabe, die natürlich noch den Klassiker „Stukas im Visier“ zum vermeintlichen Abschluss bereit hielt. Vermeintlich, weil danach noch ein besonderer Leckerbissen auf dem Programm stand. Kay Härtel ergriff das Mikro und intonierte gemeinsam (!) mit Felix den SUPREME COURT feat. FEINDFLUG Titel „DisappoiNtmenT Overdose“, der bekanntermaßen Kays alten Weggefährten von DAVANTAGE „gewidmet“ ist, bei denen nun pikanterweise auch noch Ex FF-Live Drummer Beam hinter dem Mikro steht. Ohne diese ganzen Vorgänge in irgendeiner Art und Weise werten zu können oder wollen, konnte man die Inbrunst des SC-Shouters bei der Darbietung der entsprechenden Textzeilen erkennen. Vielleicht ja auch ein Fingerzeig darauf, dass es in der Zukunft mal irgendwann einen „alleinigen“ Fliegertitel mit Vocals geben wird, die Mischung funktioniert nämlich durchaus.
Gegen 0 30 Uhr war dann das Wintergewitter über Koblenz hinweggezogen, ohne größere Schäden zu verursachen, ein bleibender Eindruck dürfte dem Package und dabei insbesondere den beiden Headlinern aber gewiss sein, für den die schwierige Anfahrt jederzeit gerechtfertigt war. Und wie nach einem Unwetter so üblich, schien am nächsten Tage auch wieder die Sonne…
Setlist SUPREME COURT
Intro
Trust (In the holy Light)
Rush of Blood
Traitors & Cowards
Dream to share
Never again
Voice of Lying
Loving Kind of Cunt
Setlist CYBORG ATTACK
Alptraum Leben
Blutgeld Pt. I
Psycho-X
Ignoranz
Stoerf***tor
Born Dead
Blutgeld Pt. II
Maschinenmensch
Copyright Fotos: Karsten Thurau
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