Ort: Osnabrück - Rosenhof
Datum: 15.02.2007
Weiberfastnacht und ich habe zwei Möglichkeiten, meinen Donnerstag Abend zu gestalten: Entweder werfe ich mich ins Karnevalsgeschehen und treibe mich in der Altstadt rum oder ich besuche das FIDDLER’S GREEN-Konzert im Rosenhof. Natürlich war die Entscheidung für mich als bekennenden Nicht-Karnevalisten ein Leichtes und so fand ich mich um 19.30 Uhr bei den „Irish Independent Speed-Folkern“ ein, die derzeit mit Ihrem neuen Album „Drive Me Mad!“ durch die Lande ziehen und nach drei Jahren auch mal wieder in Osnabrück vorbeikamen. Mit dabei hatte das Sextett aus dem beschaulichen Erlangen (übrigens auch die Heimat von J.B.O.) die mittelalterliche Comedy Folk-Truppe FEUERSCHWANZ, die den Reigen eröffnen sollte. Während ich mir bei meiner Ankunft in dem ehemaligen Kino noch Sorgen um die geringe Besucherzahl machte, jedoch auch feststellen konnte, dass es sich wohl um ein generationenübergreifendes Konzertereignis handelte, da das Publikum eine beachtliche Altersspanne von 5 bis 55 aufweisen konnte, hatten sich die Reihen mit Beginn des Supports doch ganz ordentlich gefüllt.
FEUERSCHWANZ starteten dann auch kurz vor 20.00 Uhr. Unter anderen Umständen werden die Spaßvögel noch von Walter von der Vögelweide an der Geige unterstützt. Hinter diesem etwas verfremdeten Namen eines bekannten Minnesängers verbirgt sich Tobias Heindl, der für FIDDLER’S GREEN ebenfalls die Fiedel streicht und wohlwissend diesen Job Johann(a) von der Vögelweide überlassen hat. Des weiteren gehören zu dieser Combo der derben Späße noch Hauptmann Feuerschwanz, der dem „geilen Haufen“ vorsteht und für Gesang und Saitenklänge sorgt, sein Knappe Soerenfried, der Störenfried an den Percussions, Sir Lanceflott an den Drums, Eisi, der Mann mit der eisernen Maske am Bass und seit Kurzem die liebreizende Ronja Hodenherz, die sich für ihren ausgeschiedenen Vater Richard Hodenherz dem FEUERSCHWANZ angeschlossen hat und die Flöte spielt. Dargeboten wurden mittelalterliche Klänge und so hatten sich die Protagonisten in entsprechende Kostümierungen geworfen, besonders Eisi tat sich mit seiner Maske und einem kurzen braunen Lumpen hervor, aber auch Ronja hatte sich in ein eher knappes Gewand gekleidet und man muss sagen, dass sie von den beiden ganz klar die schöneren Beine hatte. Es gab typische Mittelaltermarkt-Musik mit Geige und Flöte zu hören, was bei den Osnabrückern durchaus ankam. Nicht wenige hatten FEUERSCHWANZ wohl schon bei anderer Gelegenheit gesehen und so wurde schon bald hier und dort mitgesungen, getanzt und auch die Interaktion zwischen Band und Publikum klappte bei „Ah-“, „Oh-“ und „Iih“-Spielchen tadellos. Genauso kannten die, die es ob der räumlichen Nähe wissen sollten, wohl auch die visuelle und praktische Untermalung zu „Prima Nocte“. Plötzlich leerte es sich vor der Bühne, als Eisi mit einer Lanze erschien, an deren Ende ein Penis zu sehen war. Während die übrigen Mitstreiter musikalisch eine erste Liebesnacht und unglücklicherweise damit verbundene Potenzprobleme thematisierten, unterstrich der grobschlächtige Bassist dies mit eindeutigen Handbewegungen an seiner Lanze, was letztlich zu einem weit spritzenden „Samen“-Erguss führte und weißliche Flüssigkeit von der Bühne in die Menge ejakulierte, die sich aber vorsorglich in Sicherheit gebracht hatte. Den Anwesenden schien es aber zu gefallen und so setzten die FEUERSCHWÄNZE ihr zotiges Tun fort. Das Ganze gipfelte nach 45 Minuten schlussendlich in der rockigen FEUERSCHWANZ-Hymne, zu der aus Plastikpistolen Glitter ins Auditorium geschossen wurde. Eine etwas eigenwillige Darbietung, die durchaus zur Weiberfastnacht passte, allerdings zeigte sich gerade bei „Herren der Winde“, dass diesen Song andere schon deutlich besser rübergebracht haben.
Jetzt sollte der Abend aber FIDDLER’S GREEN gehören, die auch nach einer angenehm kurzen Umbaupause von nur 20 Minuten mit dem Einzug der bekannten „Widder-Gestalt“ auf der mit einem Schottenkaro-Backdrop und der FIDDLER’S GREEN-„Statue“ verschönerten Stage gleich in die Vollen gingen. Bereits seit 1990 sind die Speed Folker aus dem fränkischen Erlangen kreuz und quer in der Republik unterwegs und behaupten von sich selbst, bislang noch jeden Saal zum Kochen gebracht zu haben. Für den Rosenhof kann ich das ohne zu zögern bestätigen. Offenbar hatten sich während des FEUERSCHWANZ-Auftrittes noch einige FG-Fans in der Kneipe aufgehalten, inzwischen war es doch ordentlich voll geworden und ab der ersten Minute wurde ausgelassen getanzt und gefeiert. Es gibt wohl keine andere Band außerhalb Irlands, die auf so mitreißende Art Traditionals wie z.B. „Market Day“ vorträgt und dabei auch so viel Spielfreude ausstrahlt. Besonders Sänger Ralf „Albi“ Albers, der auch an der Akustikgitarre eine gute Figur machte und Pat Prziwara alberten gern miteinander herum, gelegentlich kam von den Drums ein Einwurf per Megaphon, da Schlagzeuger Franz Jooss neuerdings mit einem solchen ausgestattet ist. Bereits bei „Haughs of Cromdale“ wurde der Tanzboden des Rosenhofes von Hunderten springender Füße erschüttert, kein Wunder, dass schon drei Mal Bühnen bei FIDDLER’S GREEN-Gigs eingestürzt sind. Wenn Tobias Heindl an der Geige loslegt, gibt es aber auch kein Halten mehr. Der blonde Gesell mag nur eine eher kleine Statur vorweisen können, an der Fiedel ist er jedoch ohne jeden Zweifel ein ganz Großer und trägt nicht unwesentlich zum typischen FG-Sound und der guten Stimmung bei. Einen anderen Faktor, der den besonderen Charme der Musik ausmacht, bestimmt Stefan Klug, der dem Akkordeon Töne entlockt und die irische Rahmentrommel „Bodhrán“ schlägt. Spätestens bei „Salonika“ hatte sich der Ort des Geschehens in einen wahren Hexenkessel verwandelt, die Mannen auf der Bühne mussten sich bereits erster Kleidungsstücke entledigen und auch im Auditorium floss der Schweiß in Strömen. Da passte es ganz gut, dass mit Überlegungen über den Unterschied zwischen Fuß- und Handball eine kurze Pause eingelegt wurde und noch mal die „Laola-Welle“ geübt wurde, die dann bei „Rocky Road To Dublin“ auch hervorragend klappte. Es folgte eine sehr stimmungsvolle Ballade aus Stefans Feder: Für „Long Gone“ wurde die Stage in rotes Licht getaucht, während beim folgenden „All These Feelings“ das Licht in Gänze ausging, lediglich ein Spot war noch auf Sänger Albi gerichtet, der mit seiner Akustikgitarre allein den Song bestritt bis das Licht wieder anging und die Band wieder den Faden und Geschwindigkeit aufnahm. Gleich darauf verließen jedoch alle die Bühne, die wieder im Dunkeln lag. Nach gerade mal zehn Stücken konnte doch noch nicht Schluss sein? Natürlich nicht! Stattdessen gab es ein hammermäßiges Djembensolo, vorgetragen von Frank, Stefan und Tobias, wobei die einzige Beleuchtung des Spektakels die Stirnlampen der Protagonisten waren. Ein echtes Highlight mit Gänsehaut-Garantie! Der Rest der Mannschaft kehrte zurück, es wurde wieder hell und ein Hauch von Reggae lag in der Luft als die irischsten aller Bayern (wenn man Franken als solche bezeichnen darf) ihre Version der Volksweise „When Will We Be Married“ zum Besten gaben. Das instrumentale „Bretonix“, das ebenfalls vom aktuellen Album stammt – wie die meisten Songs des Abends – hatte ein wenig was von den LENINGRAD COWBOYS, so vielseitig kann Folk Rock sein! „Star of The Country Down“ wurde dann aber wieder sehr irisch und wurde abermals per Megaphon von Drummer Frank unterstützt, der seine Singspielchen mit den Zuschauern trieb. Ihren Einsatz hatten die etwa 400 Anwesenden abermals bei „I’m Here Because I’m Here“, das nur von Stefans Handtrommel und dem Klatschen des Auditoriums getragen wurde. Die Stage lag einmal mehr in rotes Licht getaucht, als Albi und Tobias den Gesang übernahmen. Partytime war wieder mit „Marie’s Wedding“ angesagt, das allen glücklich Verheirateten gewidmet war. Von der Hochzeit ging’s nahtlos zur Beerdigung über, denn „The Night Pat Murphy Died“ stand auf dem Programm. Was allerdings keineswegs eine traurige Angelegenheit war; der Rosenhof wurde abermals in seinen Grundfesten erschüttert, so wurde getanzt und gesprungen und auf der Bühne versammelte das Sextett sich um Franks Schießbude, die nunmehr von allen Seiten und aus allen möglichen Positionen bespielt wurde. Ein Schmankerl jagte das andere und so ging es nahtlos weiter mit einem grandiosen Akkordeon-Solo beim neuen „Into Your Mind“, dem sich wunderbare Geigenklänge anschlossen. Dass den FIDDLER’S mit ihrem neuen Album ein ganz großer Wurf gelungen ist, bewies auch „Another Spring Song“, welches mal wieder Zeit zum Durchatmen bot und das ein oder andere Pärchen zum Kuscheln einlud. Nach diesem kurzen Moment des Verschnaufens setzten die Herrschaften das Motto „Drive Me Mad“ in die Tat um, glücklicherweise sorgte das Bandfaktotum im modischen Schottenkaro-Fetzen für eine willkommene Abkühlung, verteilte Wasser am Bühnenrand und übergoss die erhitzen Leiber schließlich mit einem Schwall des kühlen Nass. Beim „Captain’s Song“ kam einmal mehr das Megaphon zum Einsatz, bevor „Donkey Riding“ erneut vollen Körpereinsatz der Zuschauer erforderte. Frank wünschte sich fünf Paare aus Esel und Reiter, die sich auch schnell fanden und so bestiegen fünf Reiter die Schultern ihrer vermeidlichen Esel, was Gitarrist Pat ihnen gleich tat und auf den breiten Schultern des „Schottenrocks“ Platz und ein Bad in der Menge nahm. Im Gefolge natürlich die übrigen fünf Paare und im Anschlag sein Instrument, das zu spielen er auch in dieser Lage nicht müde wurde. Drummer Frank lobte das Engagement der Osnabrücker Reiter und den fehlerfreien Ritt seiner Kollegen, woraufhin Pat sagte, selbiger würde im Hotelzimmer gern und häufig geübt. „Hotel“ war auch das Stichwort für das nun folgende Sauflied „The Crawl“. Pat empfahl den Anwesenden seine Methode, beim Außer-Haus-Saufen immer eine Karte mit der Heimatadresse parat zu haben. Die Band habe sich angewöhnt, nicht ohne Visitenkarte des jeweiligen Hotels durch die Kneipen zu ziehen, so sei immer eine problemlose Rückkehr gewährleistet, da man auch bei Sprach- und Erinnerungsproblemen dem Taxifahrer nur diese Karte in die Hand drücken müsse. Mit derlei Tipps versorgt, ging es mit „Step It Out, Mary“ noch mal temporeich zur Sache, bevor sich der letzte Song ankündigte, den ein letzter einsamer Crowd Surfer für sein Tun nutzte. Wie im Fluge war die Zeit vergangen und die Zeiger der Uhr bereits auf 22.50 Uhr vorgerückt. Energisches Stampfen, Schreien und Klatschen beförderte Albi mit seiner Akustikgitarre umgehend wieder zurück und auch Geiger Tobias folgte seinem Beispiel. Als auch der Rest der Bande wieder die Stage in Beschlag nahm, kannte die Meute kein Halten mehr und die Party fand einen neuen Höhepunkt. Für die kleine Lara sollte dieser mit „Shut Up And Dance“ folgen. Sie wurde von Albi auf die Bühne geholte, nachdem sie sich den Song gewünscht und versprochen hatte mitzusingen- und zutanzen, was sie mit der Unterstützung einiger Fans in „Shut Up And Dance“-T-Shirts, die ebenfalls die Stage betraten, auch hervorragend und unter lauten „Lara“-Rufen tat. Wie üblich machten FIDDLER’S GREEN anschließend noch Fotos von sich und dem Osnabrücker Publikum und dankten allen Beteiligten für den gelungenen Abend, dann folgte „Mary Mack“, diesmal von Albi am Megaphon stimmgewaltig vorgetragen. Abermals verschwanden die Jungs im Off, aber ein Titel fehlte natürlich noch, ohne den kein FG-Konzert denkbar ist: „Blarney Roses“! So wurde die Bühne für alle freigegeben, die mitsingen wollten, wozu auch acht Mutige bereit waren und die Stimmung erreichte den absoluten Siedepunkt.
Nach 135 Minuten, inzwischen war es 23.20 Uhr, verabschiedeten sich FIDDLER’S GREEN endgültig von ihren erschöpften, aber überglücklichen Fans, die sich nur in geringer Zahl gleich auf den Nachhauseweg machten. Nicht wenige mussten erst einmal dringend die erlittenen Flüssigkeitsverluste ausgleichen, während andere dem Merch-Stand zustrebten, um sich noch mit fehlenden CDs, Shirts usw. einzudecken. Während in der Altstadt vermutlich einiges an Alkohol nötig war, um den Abend zu einem zweifelhaften Erfolg werden zu lassen, reichten im Rosenhof die genialen FIDDLER’S GREEN, um für ausgelassene Stimmung und zufriedene Gesichter zu sorgen. Perfekt!
Setlist FEUERSCHWANZ
Drachentanz
Das Turnier
Bärentanz
Herren der Winde
Prima Nocte
Räuber
Der Teufel
Sauflied
Feuerschwanz
Setlist FIDDLER’S GREEN
Irish Air
Folk’s Not Dead
Market Day
Haughs of Cromdale
Rollin
Lukey
Salonika
Rocky Road To Dublin
Long Gone
All These Feelings
Djembensolo
When Will We Be Married
Bretonix
Star of The Country Down
I’m Here Because I’m Here
Marie’s Wedding
The Night Pat Murphy Died
Into Your Mind
Another Spring Song
Drive Me Mad
Captain Song
Donkey Riding
The Crawl
Step It Out, Mary
Girls Along The Road
Queen of Argyll
Shut Up And Dance
The Crawl
C.D. Jigs
Mary Mack
Blarney Roses
Copyright Fotos: Karsten Rzehak
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