Ort: Leipzig WGT Volkspalast
Datum: 29.05.2009
Man soll eine Reportage ja immer persönlich gestalten. Da mir nichts Besseres einfällt also dies: Ich sammele neuerdings Bieretiketten und wenn man wie ich viel rumkommt, ist das auch ein durchaus ertragsreiches Hobby. Auf dem WGT-Plan stehen neben den vielen Konzerten nun also auch 40 verschiedene Biere.
Los geht’s bereits am Donnerstag mit der Eröffnungsparty in der Moritzbastei und einer „Ritter Kahlbutz Hopfenstange“. In den letzten Jahren beginnt das Festival immer schon an diesem Wochentag mit einigen Vorab-Partys. Die in der alten Festungsanlage ist sicherlich die größte von allen. Und entsprechend voll war es dann auch auf den drei Floors und den vielen Gängen. Wir haben sogar die schon die ersten Industrial- und EBM-Konzerte miterleben können, ohne jedoch zu wissen, wer da spielt. Besonders cool war aber eine Band, die in der „Tonne“ aufgetreten hat: Fetter Stomper-EBM mit einem Sänger, der auch wirklich singen kann, und die haben dann unter anderem Cover-Versionen von THE NORMALs „Warm Leatherette“ und… haltet euch fest LADY GAGAs „Pokerface“ gespielt. Und das klang richtig cool so auf EBM gemacht. Auf dem Mainfloor liefen Industrial-Konzerte und danach war überall Disko, der wir bis etwa 5 Uhr beiwohnten, bevor es nach Hause geht.
Der leichte Kater ist schnell verflogen und so geht es am Freitagnachmittag erstmal gleich auf das Agra-Gelände zum Platten- und für die Mädels zum Klamottenkaufen. Danach noch ein Besuch im heidnischen Dorf mit obligatorischem Hanfmet und Räuberpfanne. Da Besucher ohne Obsorgekarte ja nicht auf den Zeltplatz dürfen, müssen wir außen rumlaufen. Das ist „weit“ und wird mit einem „Flötzinger Bräu 1543 Russ’n“ entsprechend verkürzt. Hier ist alles wie immer und man hat das Gefühl, man war nie wirklich weg.
Dann wurde es auch schon Zeit für die ersten Konzerte. Dazu verschlägt es uns wieder mal in den Volkspalast, der sich in den letzten Jahren immer wieder zum Schauplatz guter Musik gemausert hat. Da wir nicht ganz pünktlich waren, haben wir JÄNNERWEIN leider verpasst. Am Auto gab’s noch ein „Hacker-Pschorr Animator Doppelbock“, sehr süffig. Und dann waren wir rechtzeitig zu :OF THE WAND AND THE MOON: in der riesigen Kuppelhalle.
Das dänische Neofolk-Projekt um den Sänger Kim Larsen braucht nicht groß vorgestellt werden, zählt es doch mit seinen ruhigen und melancholischen akustischen Liedern seit nunmehr 11 Jahren zu den festen Größen der Neofolk-Szene. War es in den letzten Jahren etwas ruhig um die Band geworden, ist es doch erfreulich, dass pünktlich zum WGT ein neues Kim Larsen Album namens „Solanaceae“ auf Tesco erscheint. Sehr schön, davon wurden dann auch gleich ein paar Exponate gespielt, die sich perfekt in den gewohnten Stil der Dänen eingefügt haben. Ein sehr schönes/ ruhiges Konzert mit gelegentlichen Trommeleinsätzen, dem auch noch eine Zugabe folgte. Larsen hatte zudem noch eine Botschaft für die Besucher an seiner Gitarre. Da diese in Runenschrift geschrieben war, hier die Übersetzung: „Politics are for People who can’t run their own lives“ Recht hat er.
Umbau und genug Zeit für einen „Gold Ochsen Original“.
Als nächste Band spielte ROME. Dieses relativ junge Neofolk-Projekt aus Luxemburg um den göttlichen Sänger Jérôme Reuter konnte bereits vor zwei Jahren auf dem WGT vollends überzeugen. Entsprechend hoch waren die Erwartungen, die nicht enttäuscht werden sollten. Nach einer kürzlich erschienenen EP kündigte Reuter auch ein neues Album an, von dem auch zwei Songs gespielt wurden. Das erste relativ poppig und das zweite ein Neofolk-Juwel im typischen Stil. Man darf also gespannt bleiben. Außerdem wurde noch ein weiteres Bandmitglied offiziell vorgestellt. Die Band spielte viele „Hits“ und in der Zugabe kam dann auch endlich mein Favorit „Hope dies painless“. Und als dann die Zeit endgültig vorbei war, meinte Jérôme gegenüber dem sichtbar begeisterten Publikum „Don’t tell the Organisator …“ und spielte noch einen letzten Song. Ein fantastisches Konzert, dem nur ein „Engel Premium Pils“ folgen konnte.
Letzte Band des Abends ist FIRE & ICE. Auch hier bedarf es keinerlei Worte – eine lebende Neofolk-Legende. Angefangen hat Sänger Ian Read mit einem Vocal-Track 1986 auf dem CURRENT 93-Album „Swastikas for Noddy“. Seine ungewöhnliche, beinahe predigerhafte Stimme faszinierte von Anfang an und so veröffentlichte er nach diversen Zusammenarbeiten mit DEATH IN JUNE und SOL INVICTUS 1992 sein erstes eigenes Album „Gilded by the Sun“ unter dem Namen FIRE & ICE. Bis 2000 folgten dann einige weitere Veröffentlichungen. Danach hat man leider nichts mehr gehört. Umso erfreulicher dieser Auftritt auf dem WGT. Die Viererbesetzung spielte viele Hits und es war ein sehr ergreifendes Konzert, bei dem man richtig gemerkt hat, dass alle Musiker mit Leib und Seele dabei sind. Nach den zwei Liedern Zugabe kam die Band einige Minuten später noch einmal auf die Bühne und spielte einen weiteren Song. Schließlich verabschiedete sich Ian Read mit den Worten „Ich bin fix und fertig.“ und die Bühne wurde leer.
Ein sehr schöner Abend mit drei fantastischen Konzerten in einem fast an seine Kapazität ausgelasteten Volkspalast. Neofolk scheint sich immer noch großer Beliebtheit zu erfreuen. Als wir dann noch vor dem Eingang bei einem „Duckstein“ standen, kam sogar ein junger Herr mit einem „Roter Stern Leipzig“ aus dem Saal. Vielleicht besteht ja doch noch die Hoffnung, dass andere Szenen ihre Vorurteile ablegen und gute Musik einfach gute Musik sein lassen.
Im Anschluss ging es noch zur Party „Lärmbelästigung und Apocalyptic Cocktails“ in die Villa. Und da dann das Erstaunliche: Industrial und Neofolk lief auf dem Mainfloor und, war es sonst immer andersrum, EBM, Synthpop und Co. auf den beiden kleinen Floors. Musikalisch gut unterhalten, haben wir da noch bis 5 Uhr gefeiert. Insgesamt ein toller Abend und so langsam ist man auch richtig angekommen auf dem WGT 2009.
Copyright Fotos: Kai-Uve Altermann
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