Ort: Brüssel - Ancienne Belgique
Datum: 03.03.2006 - 04.03.2006
Wir schreiben den 03.03.2006. Fast ganz Europa ist infiltriert von einem furchtbaren Virus namens „Hellektro“. Seine Symptome: Einfallslosigkeit und stumpfer Beat, beides wird durch verzerrten Gesang und planloses „Extremsamplen“ überdeckt. Krankheitszeichen: Befällt tanzenderweise überwiegend Jungelektroniker, denen Fellbüschel aus den Beinen sowie lange Kunsthaare wachsen. Jenseits des dreißigsten Lebensjahres ist die Ansteckungsgefahr sehr gering. Doch ein Ort ist an den folgenden zwei Tagen die letzte Bastion brachialer, aber dennoch innovativer elektronischer Musik. Hinter einer unscheinbaren mehrstöckigen Fassade in der Brüsseler Innenstadt verbirgt sich das Ancienne Belgique, seines Zeichens das Wohnzimmer der Band FRONT 242. Hier feiern sie ihr 25-jähriges Bühnenjubiläum und wer denkt, dass sie und ihr mit in die Jahre gekommenes Publikum zum alten Eisen gehören, wird schnell eines Besseren belehrt. Selbstredend waren die beide Konzerte schnell ausverkauft, und so sammeln sich an beiden Tagen jeweils rund 2000 Fans in der sehr geräumigen Location, die für mich zu den schönsten Konzerthallen zählt. DJs, diverse Vorbands, sowie eine Ausstellung zur Bandgeschichte runden das Programm ab.
Jeweils kurz vor halb 9 betreten wir den Saal, um uns einen entsprechend guten Platz zu sichern. Dies gelingt in der siebten (Freitag) bzw. dritten (Samstag) Reihe. Der Saal selbst bietet außer dem Innenraum eine Art Loge mit ca. 200 Kinositzen und zwei übereinanderliegenden Foyers zum Stehen. Bühnenaufbau: Altbekannt, links Tim Krokers’ Arbeitsplatz: Die Drums. Rechts: Die Synths von Patrick, welch ein Gag wäre es gewesen, hätte er den guten alten Emulator II reaktiviert! Doch was ist das??? Links daneben ist ein weiterer Synth aufgebaut. Doch zur Besetzung später mehr. 21 Uhr, Licht aus. Infernalischer Jubel, als Patrick und Tim zu den ersten Klängen von „First in, First Out“ das Soundgewitter niederprasseln lassen. Wie gewohnt hört man die ersten Momente Richard nur im Hintergrund, dann brandet erneut Jubel auf. Mit einem rund 10 Nummern zu großen Kapuzenschlumpf erstürmt er die Bühne und wirbelt über eben jene. Was hier nun an den nächsten beiden Tagen jeweils passiert, wird jedem 242 Fan, der sich nicht auf den Weg gemacht hat, vor Wut die Tränen in die Augen treiben. Das „Gerüst“ der Sets besteht aus insgesamt 9 Tracks, u.a. „Headhunter“, „Take One“ oder „Religion“, die an beiden Tagen performt werden. Je 11 Tracks werden nur einen Tag gespielt. Der Leinwandaufbau ist wie bei der 93er „Up Evil-Tour“, große Hauptleinwand und zwei kleine an den Seiten. Diesmal jedoch keine bedruckten Banner, sondern visuelle Untermalung der Songs.
Favoriten? Fast unmöglich zu benennen. „Religion“: Flammen lodern aus den beiden Seitenleinwänden, während sich in die Hauptleinwand ein brennendes schwarzes Kreuz frisst. Den Beginn des Songs verharrt der kurzgeschorene und entblondete Richard 23 mit ausgestreckten Armen. Ein gespenstiges Szenario. Dann bricht der Song mit harten gesampelten Gitarren über das tobende Auditorium hinweg. „Commando“: Da erst seit 1990 Fan, die erste Gelegenheit diesen Hammersong live erleben zu dürfen. Die ersten Reihen in dichten Kunstnebel getaucht, verschwommen sind auf der Leinwand Helikopter im Kampfeinsatz zu sehen, und Richard schreit sich die Kehle aus dem Leib. „You’ve got to survive in this jungle, stick it in your mind“. Dies ist hier das passende Motto. „Im Rhythmus bleiben“, für mich DER FRONT 242 Livesong (Leider leider nur an einem Tag), und endlich mal wieder „Tragedy -for you-„. Das Tauschprogramm zaubert versunkene Perlen wie „Rhythm of time“ oder „Don’t crash“ hervor.
Die Lösung des zweiten Synths: Jeweils der Mittelteil (Track 10 – 12) wurde komplett Jean Luc überlassen, der besonders bei ruhigeren Tracks wie „Gripped by fear“ oder „7rain“ seine Stimme voll entfalten konnte. Hier nahm Richard den zweiten Part an den Synths ein und begnügte sich, wie z.B. bei „Until Death“ mit den Backingvocals. Eine sehr gelungene Auffrischung der Bühnenshow übrigens, genauso wie die Tatsache, dass bei einigen Tracks beide mit Standmikrofonen arbeiteten. Nicht viele Elektrobands können so auf die Vocals bauen. Auch dass einige Songs der vielfach verhassten, dadurch leider völlig unterbewerteten „Pulse“ zum Einsatz kamen, hat mir persönlich sehr gut gefallen. Sie wurden zwar bis auf „Together“ etwas reserviert aufgenommen, aber eben jenes „Together“ hat das Zeug, zu einem neuen „Burner“ des Liveprogramms zu werden.
Natürlich fehlten jedem so seine gewissen Lieder, mir z.B. „Never Stop!“ oder „Red Team“, aber die erlebten Eindrücke dieser Konzerte, die wie vieles im Leben leider viel zu schnell vergangen sind und nicht mehr wiederkehren, kann einem keiner mehr nehmen. Freitag war der ruhigere Tag für mich, während Samstag brachialer wirkte. Hier noch ein Dank an Ulf, erstmal für die hier zu sehenden Fotos und die nun schon einige Jahre dauernde Versorgung mit aktuellsten 242 News. „MAY THE FORCE BE WITH YOU“ Transmission Stop!
SETLIST Freitag
first in, first out
body to body
no shuffle
don’t crash
religion
welcome to paradise
commando remix
quite unusual
melt
circling overland
gripped by fear
loud
moldavia
together
take one
headhunter
kampfbereit
punish your machine
soul manager
rhythm of time
SETLIST Samstag
first in, first out
body to body
u-men
lovely day
religion
welcome to paradise
masterhit
tragedy -for you-
crapage
7rain
until death (us do part)
one with the fire
moldavia/ neurobashing
together
im rhythmus bleiben
headhunter
operating tracks
happiness
loud
take one
Copyright Fotos: Ulf Jacob
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