Ort: Osnabrück - Westwerk 141
Datum: 29.04.2006
Eigenartige Kulturereignisse abseits des Mainstream-Wegesrandes erwecken von jeher mein Interesse. So war es kein Wunder, dass wir uns an diesem eiskalten Samstag Abend auf ins beschauliche Osnabrück machten, genauer ins Jugendzentrum Westwerk, wo die sogenannte „Gala Galore 5000“ stattfinden sollte. Doch worum handelt es sich dabei eigentlich? Ein Blick ins Internet machte uns schlauer: Hier handelt es sich um ein Festival für randständige Musik abseits von Genre-Grenzen, welches bereits in die 5te Runde geht, Erinnerungen an das kultige Warendorfer Kernkrach-Festival kamen auf. Mindestens 8 Live Acts waren ankündigt, da fragten wir uns vorab, wie man das denn logistisch zeitlich bewältigen wollte, doch des Rätsels Lösung war einfach. Es gab 2 Bühnen, eine im normalen Konzertsaal (wo auch schon MAMBO KURT und DIE APOKALYPTISCHEN REITER ihre Visitenkarte abgegeben haben), eine im Café. Als wir den erwähnten Saal gegen 21 Uhr betraten, lief dort noch die Pre Konzert Lesung des literarischen Kollektivs „Kommunikaze“, das sich recht launig des Themas Fußballs angenommen hatte. Warum sich sämtliche Zuhörer – zumeist jung und alternativ – an die Wände drückten, konnten wir auf die schnelle auch nicht eruieren. Kurz danach begann dann aber der musikalische Teil mit dem Opener MASULAND.
5 Herren betraten die Bühne und sie sollten laut Programm „verwirrenden Pop“ spielen. Leider gibt die ebenso verwirrende Homepage der noch sehr jungen Truppe aus Osnabrück nicht allzu viel her. Anscheinend handelte es sich um die Live Premiere und anscheinend handelt es sich um Studenten. Während im Hintergrund eine Leinwand für Bildcollagen genutzt wurde, rockten und poppten sich die Musiker noisig schräg und mit etwas Electronica unterlegt durch die Botanik. Etwas anstrengend aber nicht uninteressant, die Zuschauer verblieben allerdings noch etwas reserviert. Einige Songproben finden sich auf der Homepage (s.u.).
Da die jeweiligen Anfangszeiten der beiden Stages sich überschnitten, konnte man nie in den Genuss kompletter Darbietungen kommen, war an diesem Abend des Schnupperns und Entdeckens aber auch nicht so dramatisch. Wir wechselten also den Standort und widmeten uns THE MIGHTY KING KEROSIN. Hinter diesem mighty Namen verbirgt sich Michael Kramer, den manche vielleicht von seiner vorherigen Inkarnation UNSTERN BEDROHT kennen mögen, unter dieser Bezeichnung war er auch schon bei einer vorherigen Gala am Start. Heute präsentierte er mit 2 Mitstreitern an Gitarre und Snare Drum eine Art hypnotischen Drone Rock ohne Gesang. Sehr stimmungsvoll, wenngleich für Live Performances nicht ganz geeignet, da so gut wie nichts passiert bzw. sich das Erleben innerlich abspielt. Erinnerte mich ein wenig an SIGUR ROS ohne Vocals und machte durchaus Lust auf mehr. Auch hier sei die My Space Seite zum Schnuppern empfohlen.
Nun folgte wieder in der „Main Hall“ mit CUBA MISSOURI eine Rockband, die über ein reguläres Label verfügt, sind sich doch auf Make My Day Records beheimatet, der Company vom Starkult Promotion Chef. Dort erschien auch im Frühjahr 2006 das Full Length Debüt „This Year’s Lucky Charms“. Produziert hat mit Kurt Ebelhäuser (BLACKMAIL) auch kein Unbekannter, und der Name BLACKMAIL gibt auch ein wenig die Richtung vor. Noise Rock mit mal schwermütigen und mal eruptiven Passagen, ordentlich fett dargeboten und sehr abwechslungsreich. Bis auf 2 Tracks präsentierte man den kompletten Longplayer, darunter Lieder wie „Scared of being awake“, „A good place to hide“ oder „Bitter Square“. Bitter war der Abend für die mehr oder weniger Münsteraner ganz sicher nicht, obwohl das Publikum hätte durchaus noch enthusiastischer sein können. Immerhin übte sich eine Dame im Trocken-Eiskunstlaufen, was ihr einiges an Aufmerksamkeit einbrachte.
Zurück nach oben: Dort präsentierten gerade die Herren FEIST & FLINK ein Live DJ Set mit typischen Techno Beats. Nicht ganz unsere Baustelle, aber einige Mädels gingen gut ab zum Sound der unvorteilhaft frisierten Herren, die in der lokalen Osnabrücker Szene wohl einen guten Ruf besitzen. Also zurück und warten auf den Headliner…
Nach einigen Umbesetzungen (Die Hamburger SABOTEUR wurden irgendwie vermisst) war es nun an der Zeit für die RÄUBERHÖHLE. Über die hatten wir im Weltnetz schon einiges Merkwürdiges gelesen. Es handelt sich dabei um ein Berliner Mädchen namens Krawalla, welches dem trashig piepsigen 80er Sound frönt und live bisweilen von einem Bären unterstützt wird. Doch das ist noch nicht alles, als Vorspiel und auch immer mal wieder zwischendurch präsentiert man ein Puppentheater auf englisch zum Thema „Wie werde ich Popstar?“. Sehr surreal, ebenso wie die Ausstattung mit Sonnenblumen, Känguru und Pferdchen. Nach der Augsburger Einleitung sprang die Künstlerin vor ihre mittlerweile recht zahlreichen Zuschauer, in einem rosa Kleidchen, welches ihre vielen Tattoos gut zur Geltung brachte. Im folgenden regierten hektische analoge Beats und ein nicht unbedingt angenehmer Schreigesang, der etwas Sirenenartiges an sich hatte. Im typischen 80er Stil durften auch einige Gimmicks nicht fehlen, wie ein Staubwedel in den deutschen Farben oder das Verteilen von veganen Mamba-Kaubonbons an die Anwesenden. Krawalla gab zwar zunächst an, kein Deutsch zu verstehen, das änderte sich aber schnell, als ihr die Zuschauer ein wenig zu apathisch schienen. Mit der Ausnahme von einer kleinen Gruppe ganz vorne, die schon recht tief ins Glas geschaut hatte und die Musik eher abfällig kommentierte. Da änderten auch die Ausflüge nach unten in die Menge nichts. RÄUBERHÖHLE, die immerhin auch schon Auftritte im Ausland vorzuweisen haben und auf die 2 VÖs „Friends“ sowie „Frauenbonus“ zurückblicken können, waren einigen der Jungspunde offensichtlich recht suspekt und zu wenig Gitarre, ich fand es doch ziemlich genussvoll. Zum Kernkrach hätte die Darbietung jedenfalls perfekt gepasst.
Die restlichen Künstler wie YOURS SINCERELY, FEDUPFACTION oder den „berühmten“ ULLI MALLORCA schenkten wir uns aufgrund der fortgeschrittenen Zeit. Wir hatten genug Interessantes, Gutes, Abstraktes gesehen, und das für nur 5 Euro. So lange es solche Veranstaltungen gibt, kann es um den deutschen Kulturbetrieb nicht so schlecht bestellt sein…
Interessante Verweise zum GALA GALORE 5000:
RÄUBERHÖHLE – www.megapeng.net/raubi.html
CUBA MISSOURI – www.cubamissouri.de
THE MIGHTY KING KEROSIN – www.myspace.com/thekingkerosene
MASULAND – www.masuland.com
FEIST & FLINK – www.uprocking.de
WESTWERK 141 – www.westwerk141.de/
Copyright Fotos: Karsten Thurau
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