Ort: Brüssel - L’Ancienne Belgique
Datum: 15.11.2003
Bekanntermaßen haben die Belgier ja schon einige Szenegrößen hervor gebracht, die weit über ihre Landesgrenzen bekannt und berühmt geworden sind. Für ein gutes Festival müsste man also eigentlich gar keine Musiker mehr importieren. Umso erstaunlicher war da das Motto des Goetherock Festival Veranstalters. Dem multikulturellen belgischen Völkchen sollten einmal deutsche Bands näher gebracht werden und so spielten am 15.11.03 in Brüssel DEMENTI, DIE APOKALYPTISCHEN REITER, TANZWUT, OOMPH!, SUBWAY TO SALLY und DAS ICH. Eine ungewöhnlich mutige Mischung angesichts der unterschiedlichsten Stilrichtungen der Bands.
Gegen 16:30 Uhr enterte ich voll gespannter Erwartung die Location. Das Festival ist ja bereits recht früh angefangen, aber leider darf man in den meisten Hotels erst ab 15 Uhr einchecken. So war bereits vorprogrammiert, dass ich die ersten beiden Bands (DEMENTI und DIE APOKALYPTISCHEN REITER) verpassen würde. Als ich nun die Halle betrat, waren DIE APOKALYPTISCHEN REITER gerade am Werk – doch bevor ich auch nur meinen Fotoapparat zücken konnte, war der Auftritt bereits Geschichte. Das eine Lied, was ich hören durfte, machte allerdings auch nicht den Eindruck, als hätte ich das allermeiste verpasst. Diese Art von Bretter-Metall war noch nie mein Geschmack. Abgesehen von einem kleinen Pulk Zuschauer vor der Bühne, die fleissig mittanzten, teilte wohl das restliche Publikum meine Meinung und hielt einen großen Abstand zur Bühne, um das Geschehen dort misstrauisch zu beäugen.
In der Umbaupause machte ich mich erst mal auf Erkundungstour in dem Veranstaltungsort. Der Veranstalter – der übrigens nichts mit dem Eurorock Veranstalter zu tun hat, was der Name ja vermuten lassen könnte – hat wirklich ein gutes Händchen bei der Wahl des Ortes bewiesen. Umso erstaunlicher fand ich, dass bei dem Line Up nur recht wenig Leute dorthin gefunden hatten. Vielleicht ist im Vorfeld einfach nicht genug Werbung dafür gemacht worden.
Bald fingen auch schon TANZWUT – das zweite Standbein der Band CORVUS CORAX – an, der Menschenmenge mit ihrer Mischung aus Mittelalter-Elektro-Rock einzuheizen. Die Band lieferte einen wirklich sehr guten Gig ab, sie haben mir um Längen besser gefallen als auf dem Festival „Bochum Total“. In der relativ kleinen und gemütlichen Halle mit dem guten Sound kam einfach die Stimmung viel besser rüber als auf dem überfüllten Bochum Total in der sengenden Hitze. Die Mannen um Frontmann Teufel gaben Lieder ihrer drei CDs „Tanzwut“, „Labyrinth der Sinne“ und „Ihr wollet Spaß“ zum Besten. Highlights wie „Bitte bitte“ oder „Ihr wollet Spaß“ durften natürlich nicht fehlen. Dennoch blieb das Publikum mir völlig unverständlich eher statisch und nur die ersten 5-6 Reihen tanzten mit – was sich aber den ganzen Abend über kaum änderte, und daher wohl nicht an den einzelnen Bands lag.
Nach einer Umbaupause in der ich ein paar eingefleischte OOMPH! Fans aus Frankreich und Belgien kennen lernte, begann mein heimlicher Headliner des Abends – OOMPH!. Die Setlist war unverändert zu den Gigs der letzten Monate. Es gab Lieder quer durch ihr Schaffenswerk – angefangen mit „Viel zu tief“ über „Keine Luft mehr“, „Unsere Rettung“, „Fieber“, „Feiert das Kreuz“ … bis zum obligatorischen „Mein Herz“ a cappella und „Strangers in the Night“ von Frank Sinatra. Bei Supernova verpasste Dero seinen Einsatz – er kommentierte das später so: „Auf einmal sah mich ein Mädchen in der ersten Reihe so seltsam an, da merkte ich: Oh Mist, zurück zum Mikro, Du hast den Einsatz verpasst“.
Ansonsten lieferten die Jungs einen gewohnt guten Gig ab. Das Publikum war auch hier ungewöhnlich ruhig, erst nachdem Dero es wagte, sich „todesmutig“ in die Menge zu werfen, drängelte sich das Publikum weiter nach vorn und ging endlich mit. Schmerzlich vermisst habe ich „Dein Feuer“, das gerade neu auf dem Schattenreich Sampler erschienen ist. Da man nun einmal nicht alles haben kann, musste ich einsehen, dass es vielleicht auch bessere Orte als einen Gig im Ausland gibt, um ein neues Lied vorzustellen. Viel zu schnell war die Stunde OOMPH! auch schon vorbei und als nächstes stand SUBWAY TO SALLY an.
Gespannt wartete ich auf eine meiner früheren Lieblingsbands. STS haben sich ihren Ruf als fantastische Liveband schon in vielen, vielen Konzerten erspielt (von denen ich bestimmt schon alleine 20-30 Stück gesehen habe) und waren früher immer ein Garant für super Stimmung und tolle Konzerte. Ich hatte sie jetzt bereits seit 1999 nicht mehr live gesehen und war neugierig, wie sich die Band so entwickelt hat. Ich bin es eigentlich gewohnt, dass das STS-Publikum bereits während der Umbaupause die Band mit „Blut, Blut, Räuber saufen Blut“ auf die Bühne fordert, doch auch bei STS bleibt das Publikum überraschend still. An diesem Abend war ich dann auch das erste Mal von STS ein wenig enttäuscht. Ältere Stücke wie „Mephisto“ erinnerten mich zwar noch an die Glanzzeiten von STS, die neueren Stücke dagegen konnten mich aber nicht so recht überzeugen und insgesamt empfand ich den Auftritt als zu ruhig. Eric Fish wirkte auf der Bühne längst nicht mehr so agil wie in früheren Tagen, vielleicht kam dieser Eindruck auch durch die Einsicht, dass ich wohl zusammen mit der Band älter geworden bin. Ich denke, sein legendärer Handstand im Kilt wird wohl so bald nicht mehr geniessen sein. Irgendwie scheint es mir mit STS wie mit Samson und seinem Zopf zu sein – als bei Eric der Zopf ab war, war es auch mit seiner Zauberkraft (zumindest auf mich) dahin.
Nach etwa der Hälfte ihres Gigs hab ich mich auf den Weg backstage gemacht, um ein Interview mit Dero von OOMPH! zu führen. Backstage kam leider alles anders als erwartet, Dero war noch mitten in einem anderen Interview und als er endlich fertig war drängelte Flux schon und wollte zurück ins Hotel, um seinem Drang zur Nahrungsaufnahme nachgehen zu können. So blieb mir nur wenig Zeit, in dem Chaos Hallo und Tschüss zu sagen und das Interview auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben.
Nach einer Umbaupause, in der ein futuristisch anmutendes, überdimensionales „M“ aufgebaut wurde, dass die Instrumente von DAS ICH barg, wurde die Band überraschend frenetisch vom belgischen und französischen Publikum empfangen. Viele der Anwesenden schienen tatsächlich nur für DAS ICH gekommen zu sein. Da wunderte es mich auf einmal nicht mehr, warum es bei den anderen Bands so ruhig gewesen war. Stefan Ackermann erklomm die Bühne dunkel geschminkt, mit orangefarbener Hose, hochgestellten Haaren und einem irren Blick der sich, seitdem ich DAS ICH das erste Mal 1994 auf dem Zillofestival in Durmersheim gesehen habe, kaum geändert hat. Nachdem er bei dem ersten Lied „die Propheten“ auf mich den Eindruck machte, als hätte er das belgische Bier ebenso wenig vertragen wie ich, beschloss ich, dass es für mich gut gewesen war und machte mich auf den Weg ins Hotel.
Alles in allem war das Festival auf jeden Fall ein wundervoller, gelungener Abend und ich hoffe der Veranstalter macht sein Versprechen wahr und organisiert weitere Events in Belgien.
Copyright Fotos: Anke Borgert
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